Ein Stoff ohne Ende: Wie PFAS Mensch und Umwelt belasten

April 2023
Fotograf:in: Jim Witkowski, Copyright: CC0 Unsplash

Als PFAS werden per- und polyfluorierte Alkylverbindungen bezeichnet. Oft werden sie auch PFC (Poly- und Perfluorcarbone) genannt.
Hierbei handelt es sich um eine große Familie von abertausenden synthetischen, also ausschließlich industriell hergestellten Chemikalien.

Anwendungsbereiche von PFAS

Da diese Substanzen fett-, schmutz- und wasserabweisend wirken, werden PFAS seit den 1950ern vielfältig in der Industrie und Alltagsprodukten eingesetzt.
Sie finden Gebrauch unter anderem …

  • als Schutz vor Verschmutzungen (auf Bettwäsche, Polstermöbeln, Teppichen, usw.)
  • als Antihaft-Beschichtung (auf Kochutensilien)
  • auf fettabweisenden Verpackungen (Gebäcktüten oder Schüsseln aus Zuckerrohr)
  • bei der Imprägnierung von Leder und Textilien (gegen Öl, Schmutz oder Nässe)
  • als Membran in Wanderschuhen und sämtlicher Outdoorkleidung
  • als Bestandteil von Zahnseide
  • in (Druck-)Farben und Lacken
  • in Fotopapier
  • in Papier für Klebeetiketten
  • in Wachsen
  • in Elektronikgeräten

Die in PFAS enthaltenen kovalenten Kohlenstoff-Fluor-Bindungen gehören zu den stärksten chemischen Bindungen der organischen Chemie, was bedeutet, dass diese nur schwer abbaubar sind. Aufgrund dieser Persistenz können sie lange in der Umwelt verweilen und sind noch jahrelang nachweisbar.

Somit können PFAS überall enthalten sein: Sei es in Böden, Gewässern, Pflanzen, Tieren oder sogar Menschen. Die Beseitigung bzw. Reinigung der Substanzen gestaltet sich als technisch äußerst schwierig und kostspielig.

Verstärkte Aufmerksamkeit wurde der Stoffgruppe erstmals im Jahr 2008 geschenkt, als bekannt wurde, dass PFAS unter anderem in Deutschland durch die Ausbringung von Klärschlamm und durch Rückstände aus der Papierindustrie in unsere Agrarflächen eingetragen wurden und vermehrt in Trinkwasser und Lebensmitteln finden ließen.

PFAS wurden auch in Trinkwasser nachgewiesen

„PFOA/PFOS-frei!”

Problematisch ist, dass es in den meisten genannten Produktbereichen keine Kennzeichnungspflicht für diese Chemikalien gibt – ob ein Produkt PFAS enthält, lässt sich also in der Regel nicht so einfach erkennen.

Auf Verpackungen von Imprägniermitteln, Pfannen, Textilien, etc. wird von Herstellern gerne mit „PFOA/PFOS-frei“ oder „GenX-frei“ geworben. Dieser Verzicht auf die Kohlenstoff-Fluor-Bindungen bezieht sich jedoch lediglich auf zwei bestimmte Einzelstoffe von über 10.000 PFAS. Der Verzicht auf dieser speziellen Bindungen ist darüber hinaus inzwischen sowieso gesetzlich vorgeschrieben.

Nur die Werbeaussagen „fluorfrei“; „frei von PFAS“; „frei von PFC“ beziehen sich tatsächlich auf den Verzicht der gesamten Stoffgruppe.

Antihaftbeschichtungen mit PFAS: Hinweise in der Gebrauchsanweisung

Bei Küchenutensilien kann oft ein Blick auf die Produktbeschreibung Auskunft darüber geben, ob das Produkt PFAS enthält: Beispielsweise enthalten Pfannen oder Backformen meist PFAS, wenn sie laut Hersteller nicht ohne Inhalt und/oder nicht über 200°C erhitzt werden sollen. Auch der Hinweis auf die ausschließliche Verwendung von Kunststoff- oder Holzpfannenwendern und/oder das Vermeiden von spitzen, scharfen Gegenständen, lässt auf die Verwendung von PFAS schließen.

Teppiche, Polster, Kleidung und Textilien

Gleiches gilt auch für Textilien: Hinweise darauf, dass PFAS womöglich verwendet wurden, können Begriffe wie „ölabweisend“, „wasserabweisend“, oder „fleckgeschützt“ sein.

Kosmetik

Glücklicherweise ist der Einsatz von PFAS in Kosmetik heute nur noch sehr selten und im Fall der Fälle leicht ausfindig zu machen: „fluoro“ im Namen eines organischen Inhaltsstoffes ist ein deutlicher Indikator für PFAS.

Die Problematik: Langlebigkeit und gesundheitsschädigende Folgen

PFAS werden vom Menschen hauptsächlich über die Ernährung, sprich über das Trinkwasser und Lebensmittel, aufgenommen, nämlich zu etwa 98%. Die restlichen 2% werden von Außen- und Innenraumluft, Hausstaub oder dem Kontakt mit PFAS-haltigen Verbraucherprodukten beigesteuert. Selbst über die Muttermilch können die Substanzen weitergegeben und aufgenommen werden.

Aufgrund ihrer enormen Stabilität werden PFAS auch als Ewigkeits-Chemikalien bezeichnet. Das bedeutet, dass sie nicht abbaubar sind und sich durch ihre Langlebigkeit immer mehr in in Mensch, Tier und Umwelt anreichern - und das durch den Transport über Umweltmedien auf der ganzen Welt – von Großstädten bis hin zu den entlegensten Orten (sogar am Nordpol wurden die Chemikalien in Eisbären bereits nachgewiesen).

Durch die Anreicherung von PFAS im menschlichen Körper können zahlreiche Krankheiten hervorgerufen werden!

Obwohl die Forschungslage noch relativ spärlich ist, weisen ausreichende Studien bereits auf mögliche fatale Folgen von PFAS hin. Dazu gehören:

  • die Schädigung des Immun- und Hormonsystems
  • die Schädigung der Leber
  • die Störung des Fettstoffwechsels
  • eine geringere Wirkung von Impfungen
  • eine verminderte Fruchtbarkeit
  • eine erhöhte Krebsgefahr
  • höhere Cholesterinwerte
  • ein erhöhtes Diabetesrisiko

Beschränkungen und Verbote von PFAS

Die Verwendung der gesamten Stoffgruppe soll nun endlich eingeschränkt werden: Ein Vorschlag zur Reduktion bzw. dem Verbot von rund 10.000 PFASs wurde der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) am 13.01.2023 vorgelegt. Die vollständige, aktuelle und überarbeitete Version ist hier einsehbar!

An der gesetzlichen Initiative beteiligt sind die Länder Dänemark, Deutschland, die Niederlande sowie Norwegen und Schweden. Dennoch steht eine Auswertung des Vorschlags und deren Ergebnisse durch das Komitee der ECHA noch aus. Aktuelles und Updates zur Thematik lassen sich hier finden!

Eine Studie aus den Jahren 2014 - 2017 machte die Notwendigkeit ersichtlich: Deutschlandweit wurden mehr als 1.000 Kinder untersucht; mit dem Ergebnis, dass jedes einzelne von PFAS belastet war. Details zur Studie lassen sich hier finden.
Ein Teil der Kinder wies sogar so hohe Blutwerte auf, dass man eine Gesundheitsgefährdung nicht sicher ausschließen konnte. Ursachen dieser Findungen sind laut der Studie kontaminiertes Trinkwasser, Muttermilch sowie Imprägniersprays.

Im Blut von Erwachsenen in Europa lassen sich ebenso PFAS nachweisen: Laut Angaben der EFSA (European Food Safety Authority) übersteigt die Aufnahme von PFAS eines beträchtlichen Teils der europäischen Bevölkerung die derzeit duldsame wöchentliche Aufnahmemenge.

Studien zeigen, dass die bereits existierenden Beschränkungen zwar einerseits zur Verringerung dieser PFAS, andererseits aber auch zu einer Zunahme der Verwendung potenzieller Ersatzstoffe führt, was unbedingt zu vermeiden ist.
Unter anderem wurde eine erhebliche Belastung von Trinkwasser durch den Ersatzstoff GenX in den Niederlanden festgestellt.

GenX

Der Ersatzstoff GenX ist ein Derivat, bei dem die fluorierte Kohlenstoffkette durch Sauerstoffatome unterbrochen wird. Aus toxikologischer Sicht erscheint der Stoff zwar weniger bedenklich, letztlich handelt es sich aber auch um hoch-fluorierte Verbindungen, deren Nutzung durch die vergleichbare Persistenz in der Umwelt ebenso Grund zur Sorge bereitet.

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