Elefanten, die in der Manege steigen, Affen, die auf hohen Seilen balancieren und Hüte klauen und Tiger und Löwen die durch Reifen springen – so beachtlich diese Vorführungen auch sein mögen, den Tieren selbst machen Zirkus Shows bei weitem nicht so viel Spaß wie den Zuschauer*innen!
Erzwungener Spaß
Wildtiere wie Tiger, Seelöwen, Elefanten, Kängurus und Zebras werden regelmäßig in der Manege vorgestellt, doch was für die Zuschauer*innen vielleicht nach Spaß aussehen mag, fügt den Tieren nicht selten körperlichen oder seelischen Schaden zu.
Während die Artist*innen freiwillig in der Manege auftreten und die Zuschauer*innen mit ihrem Können begeistern, ist es den Tieren nicht möglich, selbst über ihre Auftritte zu bestimmen. Sie werden von klein auf dazu gedrängt, Kunststücke zu unserer Belustigung zu erlernen und vorzuführen, was meistens mit großem Stress und Druck verbunden ist. Sowohl die grellen Lichter und die laute Musik als auch die Menschenmassen im Zirkus setzen den licht- und geräuschempfindlichen Tieren stark zu – und das mehrmals die Woche.
Was, wenn das Tier doch mal nein sagt?
Die Zuschauer*innen wie auch die Dompteur*innen erwarten einen reibungslosen Ablauf der Show. Kooperieren die Tiere mal nicht, wird mit Gewalt nachgeholfen. Immer wieder werden Zirkusse angezeigt, da sie mit Peitschen, Elektroschocks und Elefantenhaken arbeiten. Bei letzterem handelt es sich um lange Stangen, an deren Ende ein spitzer Metallhaken befestigt ist. Er wird dafür eingesetzt, die Elefanten gefügig zu machen: An sogenannten “Hakenpunkten” – besonders empfindlichen Körperstellen – wird er den Tieren dabei ins Fleisch gerammt. Oft werden diese Hilfsmittel schon von klein auf beim Training der Tiere verwendet, um sie in die gewünschten Positionen zu zwingen.
Artgerechte Haltung? Weit gefehlt!
Wie die Tierschutzorganisation PETA immer wieder in ihren Kampagnen zum Ausdruck bringt, können Zirkusse den Tieren keine artgerechte Haltung gewährleisten – schließlich kommen weder die Haltung im Zirkus noch die ständigen Auftritte in der Manege dem natürlichen Lebensraum und Verhalten der Tiere nahe.
Während die Tiere in der Natur kilometerweite Strecken zurücklegen, verbringen die Wildtiere im Zirkus den Großteil ihres Lebens in kleinen Gehegen, Boxen oder Transportkäfigen. Besonders leiden beispielsweise Zirkuselefanten, deren Beine gewöhnlich in der Nacht – und teils auch während des Tages – fixiert werden.
Natürlichen Bewegungsabläufen und Beschäftigungen wie Graben, Klettern, Schwimmen oder das Spielen mit Artgenossen können die Tiere im Zirkusleben nicht nachgehen.
Die rechtliche Situation in Deutschland
In Deutschland bestehen bisher keine rechtlich verbindliche Vorgaben zur Haltung von Zirkustieren.
Zwar entwarf das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sogenannte "Zirkusleitlinien", die die Haltungsanforderungen für bestimmte Tierarten beinhalten, doch diese sind keinesfalls rechtsverbindlich.
Auch der 2020 vom BMEL vorgestellte Entwurf eines Verbotes von Wildtieren im Zirkus sieht bisher nur das Verbot der Neuanschaffung bestimmter Wildtierarten in reisenden Zirkussen vor. Davon betroffen wären Elefanten, Primaten, Großbären, Giraffen, Flusspferde und Nashörner. Andere Tiere wie Zebras, Tiger oder Robben würden nicht unter dieses Gesetz fallen.
Selbst die Haltung von Tieren in Zoos, Tierparks oder in der Privathaltung folgt strengeren Vorgaben als die von Zirkustieren – wobei schon die Haltung von Tieren in Zoos alles andere als artgerecht ist! So steht einem Löwenrudel von fünf Löwen in einem Zoo beispielsweise eine Fläche von 500m² Außengehege zur Verfügung. Die Empfehlungen der Zirkusleitlinie schreiben für die Haltung von Löwen in Zirkussen aber gerade mal ein Außengehege von 50m² vor – und das nur für vier Stunden pro Tag. Für die restlichen Stunden des Tages dürfen die Tiere in 24m² großen Hängern gehalten werden.
Die Kontrolle der Haltungsbedingungen und des Gesundheitszustandes der Tiere unterliegen in Deutschland der Verantwortung der einzelnen Bundesländer. So wurden 2011 insgesamt 895 amtstierärztliche Kontrollen durchgeführt.
Bei ganzen 409 dieser Kontrollen – also bei fast einer Hälfte aller Zirkusse – wurden jedoch Verstöße gegen die ohnehin schon minimalistischen Haltungsanforderungen festgestellt.
Auch die Beschlagnahmung von Tieren aus schlechter Zirkushaltung gestaltet sich rechtlich gesehen als außerordentlich schwierig. Alleine das häufige Wechseln des Standortes macht es schwer, Tiere zu beschlagnahmen, da je nach Standort eine andere Behörde für die Zirkusse zuständig ist. Zudem ist der Transport in Auffangstationen und die dortige Betreuung der Tiere sehr kostspielig und zeitintensiv.
Was andere Länder besser machen
In insgesamt 27 EU-Ländern – also allen außer Deutschland – ist die Haltung von Wildtieren im Zirkus inzwischen stark eingeschränkt oder ganz verboten. Griechenland, Zypern und Malta verbieten sogar die Auftritte von domestizierten Tieren wie Hunden oder Pferden.
So leiden Tiere im Zirkus
Psychische Schäden und Verhaltensstörungen
Eine 2023 erschienene Studie der Animal Advocacy and Protection (AAP), die sich auf die Rettung exotischer Säugetiere aus Zirkussen, illegalem Handel oder auch Privatbesitz spezialisiert hat, belegt folgendes:
Ganze 89% geretteter exotischer Tiere, die aus einem Zirkus stammen, leiden an psychischen oder physischen Problemen.
Dazu zählen unter anderem gefangenschaftsbedingte Verhaltensstörungen wie vermehrte Aggressivität gegenüber Artgenossen und Menschen, Apathie oder Stereotype wie das sogenannte “Weben”. Bei dieser Verhaltensstörung, die unter anderem bei Elefanten in Gefangenschaft, Pferden in Boxenhaltung oder Bären in menschlicher Obhut bekannt ist, handelt es sich um ein rhythmisches und systematisches Hin- und Herschwenken des Kopfes, das oft bei Langeweile zutage tritt.
Außerdem leiden Zirkustiere unter zahlreichen Erkrankungen und Verletzungen wie Geschwüren, Infektionen, Muskelschwund, Arthritis oder gar Skelettdeformationen.
Im Jahr 2017 wurde dem Zirkus “Safari” sogar ein Auftrittsverbot erteilt, da sämtliche Tiere des Zirkusses stark abgemagert waren.
Selbst ein verfrühter Tod von Zirkustieren ist nicht ungewöhnlich. Ein afrikanischer Elefant, beispielsweise, der in der Wildnis bis zu 70 Jahre alt werden kann, lebt im Zirkus oft nur 30!
Mangelhafte medizinische Versorgung
Auch die medizinische Versorgung der Tiere ist oft mangelhaft. So gibt es PETA zufolge beispielsweise kaum Tierärtz*innen in Deutschland, die die notwendige Expertise für die gesundheitliche Versorgung exotischer Tiere haben – abgesehen davon, dass tierärztliche Besuche dieser Art oft zu teuer für die Zirkusse sind.
Von einem Ort zum andern – ein Leben lang
Zirkustiere müssen pro Jahr bis zu 50 Mal den Ort umziehen, wobei jeder einzelne Umzug mit großem Stress für die Tiere verbunden ist.
Besonders große Wildtiere wie Elefanten oder Giraffen leiden körperlich sowie psychisch unter den häufigen Umzügen, die sie in sehr engen Käfigen und ungesunden Körperhaltungen verbringen müssen. Hinzu kommt außerdem die regelmäßige erzwungene Anpassung an klimatische Änderungen, die ohnehin nicht den natürlichen Lebensräumen der Tiere entsprechen.
Unfälle und Ausbruchgefahr
Sowohl für Menschen als auch Tiere kann die Haltung domestizierter Wildtiere große Gefahren bergen. In ihrem Zirkusbericht dokumentiert die europäische Dachorganisation “Eurogroup for Animals”, die dem Deutschen Tierschutzbund angehört, eine erschreckend hohe Quote an Unfällen in der Manege. Zwischen 1995 und 2019 – einer Zeitspanne von gerade mal 24 Jahren – gab es ganze 500 Zwischenfälle . Beinahe die Hälfte dieser Unfälle geschah in Deutschland.
Zu folgenden Zwischenfällen kam es bereits durch die Haltung von Wildtieren im Zirkus:
- Zwischen 1990 und 2000 ereigneten sich weltweit 50 Unfälle mit Elefanten und 32 Unfälle mit Wildkatzen. 18 dieser Zwischenfälle endeten mit dem Tod eines Menschen.
- Zwar ist die Haltung von Wildtieren im Zirkus in Österreich inzwischen verboten, doch ihre Historie an Wildtier-behafteten Unfällen in der Manege zeigt, wie schnell es gefährlich werden kann: 1984 zum Beispiel tötete der Zirkuselefant Madura aus dem Zirkus Knie seinen Wärter.
- Seit 1998 wurden vier Zuschauer*innen bei Zirkusaufführungen in Österreich verletzt: Ein Kamel trampelte auf einen sechsjährigen Jungen und brach ihm den Oberschenkelknochen, zweimal wurden Kinder von einem Affen gebissen und bei einem Zwischenfall mit einem Elefanten hob dieser einen Zuschauer über die Absperrung und zerdrückte dem Mann den Brustkorb.
- Auch in anderen Teilen der Welt kam es immer wieder zu Zwischenfällen: Die 1994 in Honolulu auftretende Elefantenkuh Tyke tötete beispielsweise ihren Trainer und brach anschließend aus dem Zirkus aus, bis die Polizei sie mit insgesamt 86 Schüssen erlegte. Wie sich später herausstellte – und wie es auch in dem nach ihr benannten Tierrechtsfilm “Tyke” aufgegriffen wird – hatte ihr Trainer sie ein Leben lang misshandelt.
Wie finanzielle Schwierigkeiten die Lage verschärfen
Die Geldsorgen der Zirkusse tragen weiter dazu bei, dass die Pflege und die gesundheitliche Versorgung ihrer Tiere immer wieder zu kurz kommt. Die Folge sind unterernährte, abgemagerte oder kranke Tiere, die in ihren kleinen Käfigen leiden müssen.
Kleine Anmerkung am Rande: Immer wieder rufen Zirkusse zu Spendenaktionen auf, um ihnen dabei zu helfen, ihre Tiere gut durch den Winter zu bringen. So schwer es einem auch fallen mag: Von derartigen Spendenaktionen sollte man lieber die Finger lassen, da man damit doch schlussendlich die Zirkusse und ihre Tierhaltung unterstützt und somit das Leiden der Tiere nur in die Länge zieht.
Was du stattdessen machen kannst, um Zirkustieren zu helfen, erfährst du weiter unten!
Was wird getan? Wen kann ich unterstützen?
Tier- und Umweltschutzorganisationen wie der Deutsche Tierschutzbund, der WWF, Pro Wildlife und PETA setzen sich bereits seit einigen Jahren für ein Wildtierverbot in der Zirkusarena ein.
Auch einzelne deutsche Gemeinden bemühen sich darum, Zirkusaufführungen mit Wildtieren zu verbieten. Zwar lässt sich dieses Verbot aus oben genannten Gründen nur schwer durchsetzen, aber es ist ein Anfang.
Welche Alternativen gibt es?
Einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2015 zufolge wollen rund zwei Drittel der Deutschen keine Tiere in der Manege sehen. Schließlich gibt es auch andere formen der Unterhaltung:
Zirkusse wie “FlicFlac” oder “Roncalli” zum Beispiel gehen mit einem positiven Beispiel voran. Sie verzichten auf die Zurschaustellung von Tieren und verzaubern die Zuschauer*innen stattdessen mit außergewöhnlicher Akrobatik.
Wer dennoch nicht auf tierische Vorstellungen verzichten möchte, kann Zirkusse besuchen, die mit moderner Hologramm-Technik die Illusion von Tieren in der Manege erzeugen – ganz ohne tierisches Leid.
Tierleid verhindern – Was Jede*r von uns tun kann
- Eine der unkompliziertesten Möglichkeiten, ein Zeichen gegen die Auftritte wilder Tiere im Zirkus zu setzen, ist es, solche Aufführungen zu meiden. Und wer doch in den Zirkus gehen möchte, kann ganz einfach einen Zirkus mit menschlichen Artist*innen besuchen.
- Regelmäßig rufen Umwelt- und Tierschutzverbände wie Greenpeace zu Petitionen gegen Zirkusaufführungen mit Wildtieren auf – mit nur einer kurzen Unterschrift kannst du deinen Beitrag dazu leisten.
- Indem man Organisationen wie den Deutschen Tierschutzbund, Pro Wildlife oder den WWF mit Spenden unterstützt, hilft man dabei, ihre Arbeit in die Welt zu tragen.
- Viele Menschen sind sich des Leidens der Zirkustiere nicht bewusst, es kann also schon reichen, im Freundes-oder Verwandtenkreis das Gespräch zu suchen und das eigene Wissen weiterzugeben.
Einzelnachweise & Weblinks
- https://www.tierschutzbund.de/tiere-themen/tiere-in-sport-und-unterhaltung/zirkus/
- https://www.nationalgeographic.de/tiere/2023/08/pro-und-contra-sollten-zirkustiere-verboten-werden
- https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierschutz-im-zirkus.html
- https://www.vier-pfoten.de/kampagnen-themen/themen/wildtiere/wildtiere-im-zirkus/laender-mit-wildtier-verboten-in-zirkussen
- https://www.peta.de/themen/zirkus/
- https://www.prowildlife.de/aktuelles/hintergrund/zirkus/