Medikamente spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit von Menschen und Tieren. Sie sind hochaktive biologische Substanzen, die jedoch auch negative Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Der hohe Verbrauch und der oft sorglose Umgang mit Arzneimitteln führen nun dazu, dass schädliche Rückstände in der Natur zunehmen.
Sobald Antibiotika in die Umwelt gelangen, können sie unter anderem schädlich für Algen und Cyanobakterien sein, was wiederum das natürliche Nahrungsnetz in Gewässern stört und die Ökosysteme gefährden kann.
Gelangen Medikamente zudem in unser Grundwasser, so wird die Trinkwassergewinnung erheblich komplizierter.
Um unsere Gewässer und Böden, die für Lebensräume und als Trinkwasserquellen wichtig sind, zu schützen, ist es also notwendig, die Einträge von Arzneimittelrückständen in die Umwelt zu reduzieren.
Arzneimittel im Umlauf: Zahlen und Fakten
In Deutschland gibt es Stand 2023 etwa 2.500 verschiedene Wirkstoffe, die in der Humanmedizin verwendet werden. Davon sollte nach aktuellen Bewertungskriterien ungefähr die Hälfte einer Umweltprüfung unterzogen werden.
In der Tiermedizin sind hierzulande 2023 über 400 Wirkstoffe auf dem Markt (2018 waren es noch 443). Hierbei sind besonders Antiparasitika und Antibiotika ein weit verbreiteter Bestandteil auf dem Tierarzneimittelmarkt. Sie sind es auch, deren Wirkstoffe sich besonders negativ auf die Umwelt auswirken können.
Seit 2011 ist die pharmazeutische Industrie verpflichtet, die jährliche Menge an Antibiotika zu erfassen, die an Tierärzte abgegeben wird. Diese Erfassung wird im Tierarzneimittel-Abgabemengen-Register (TAR) dokumentiert, das seit dem 1. Januar 2022 vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geführt wird. Das BVL wertet die Daten dann aus und veröffentlicht sie jährlich.
Im Jahr 2022 wurden allein 540 Tonnen Antibiotika an Tierärzte für die Tierhaltung abgegeben – darunter vor allem Penicilline, Sulfonamide, Tetracykline, Makrolide und Polypeptidantibiotika. Die Menge der abgegebenen Antibiotika für die Tiermedizin ist in den letzten Jahren aber tatsächlich deutlich zurückgegangen – seit 2011 um 68 %. Mit diesem Rückgang liegt die Menge auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2011.
Arzneimittelrückstände in der Umwelt
Nachdem Medikamente an Menschen oder Tiere verabreicht wurden, gelangen ihre Rückstände und Abbauprodukte (sog. Metaboliten – das sind Stoffe, die bei der Umwandlung von Medikamenten im Körper entstehen) sowie Transformationsprodukte – das sind Substanzen, die sich durch chemische Reaktionen im Wasser oder Boden verändern, z. B. wenn Arzneimittel durch UV-Licht oder Mikroorganismen abgebaut werden – über verschiedene Wege wie beispielsweise Ausscheidungen in unsere Gewässer und Böden.
Der Grund ist simpel: Wirkstoffe in Medikamenten sind oft schwer abbaubar und können sich gut verbreiten. Sie gelangen meist ungewollt in die Umwelt, weil viele dieser Stoffe vom Körper unverändert wieder ausgeschieden werden.
Humanarzneimittel
Arzneimittel für den Menschen gelangen hauptsächlich über das Abwasser in die Kläranlagen. Dort werden sie jedoch größtenteils weder herausgefiltert noch abgebaut. Deshalb findet man Rückstände dieser Medikamente fast überall und das ganze Jahr über in der Nähe von Kläranlagen, in Bächen, Flüssen, Seen und sogar im Grundwasser und vereinzelt auch im Trinkwasser.
Über Klärschlamm, der in der Landwirtschaft verwendet wird, gelangen die Rückstände von Humanarzneimitteln zudem auch auf Ackerböden.
Tierarzneimittel
Tierarzneimittel hingegen gelangen vor allem über Gülle und Mist aus der Massentierhaltung auf landwirtschaftliche Flächen. Auch das direkte Ausscheiden behandelter Tiere auf der Weide trägt dazu bei. Je nach Wirkstoff und dessen Beschaffenheit können die Rückstände sich entweder im Boden anreichern (beispielsweise Tetrazykline) oder durch Starkregen in Gewässer oder ins Grundwasser gespült werden (beispielsweise Sulfonamide).
Die aktuelle Lage in Deutschland
Bisherige Untersuchungen und spezielle Messungen der Behörden zeigen, dass in Deutschland mindestens 414 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe sowie deren Abbauprodukte in der Umwelt nachweisbar sind.
Diese wurden vor allem in Flüssen, Bächen und Seen gemessen. Meist beschränken sich die Konzentrationen auf unter 0,1 Mikrogramm pro Liter. Besonders häufig fanden sich Substanzen wie Antiepileptika, Schmerzmittel, Betablocker, Antibiotika und iodierte Kontrastmittel für Röntgenuntersuchungen in den betroffenen Gewässern. Die höchsten Konzentrationen wurden bei Wirkstoffen von Antidiabetika, Kontrastmitteln, Blutdrucksenkern und harntreibenden Medikamenten festgestellt.
Da viele dieser Substanzen im Körper stark umgewandelt werden, lassen sich die ursprünglichen Wirkstoffe oft nicht mehr in der Umwelt nachweisen, aber ihre Abbauprodukte bleiben zurück.
Auch die Abbauprodukte der genannten Medikamente wurden in höheren Konzentrationen gemessen.
Mit einer alternden Bevölkerung wird ein steigender Medikamentenverbrauch erwartet, was auch zu einer Zunahme von Arzneimittelrückständen in der Umwelt führen könnte. Deshalb wird es immer wichtiger, Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag dieser Rückstände in die Umwelt zu reduzieren.
Konsequenzen für die Umwelt
Wirkstoffe in Medikamenten sind biologisch sehr aktive Substanzen, die gezielt in die Abläufe von Organismen eingreifen. Sie können den Stoffwechsel beeinflussen, das Hormonsystem grundlegend verändern oder die Kommunikation zwischen Zellen beeinträchtigen.
Da diese Stoffe so gezielt und intensiv wirken und die unterschiedlichsten Effekte haben, ist es verständlich, dass sie auch andere Lebewesen beeinträchtigen können, wenn sie in die Umwelt gelangen. Für viele dieser Substanzen ist es allerdings schwierig, das genaue Ausmaß der Umweltrisiken zu bestimmen, vor allem weil es an Langzeitstudien und genauen Daten zu ihren Effekten fehlt.
Dies ist besonders besorgniserregend, wenn man die tatsächlich nachgewiesenen Schäden betrachtet, die durch bereits untersuchte Medikamente entstehen:
- Synthetische Hormone wie 17α-Ethinylestradiol (EE2), das in der Antibabypille enthalten ist: Schon in sehr geringen Mengen (im Nanogramm/Liter-Bereich) kann dieser Stoff die Fortpflanzung von Fischen erheblich stören
- Diclofenac (Schmerzmittel): schädigt bei Fischen wichtige Organe wie Leber und Nieren
- Blutdruckmedikamente: Beeinträchtigung der Fortpflanzung bei Wasserlebewesen
- Medikamente gegen Epilepsie: Verzögerungen in der Entwicklung von Fischen und Einschränkungen bei der Fortpflanzung von wirbellosen Tieren
- Antibiotika: Langsamere Wachstumsraten bei Umweltbakterien und Algen
Gefahr für Gewässer
Wasser ist eine der bedeutendsten und wichtigsten Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen auf unserem Planeten. Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Umso wichtiger ist also der Schutz aller Gewässer, die zudem den Lebensraum unzähliger Tier- und Pflanzenarten bilden. In Bezug auf uns Menschen sollten insbesondere Gewässer, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, Vorsichtsmaßnahmen und vorbeugende Maßnahmen im Vordergrund stehen.
Leider gibt es bisher jedoch weder für Oberflächengewässer noch für Grund- oder Trinkwasser klare Vorschriften oder Richtlinien, die den Eintrag von Medikamentenrückständen regeln. Hier besteht dringender Handlungsbedarf!
Nach der Zulassung von Medikamenten wurden bisher keine systematischen Daten über deren Rückstände in der Umwelt und deren mögliche unbeabsichtigte Auswirkungen erfasst.
Das bedeutet, dass für viele ältere, sich seit Jahrzehnten auf dem Markt befindliche Medikamente kaum Informationen verfügbar sind. Es ist beunruhigend, dass das Umweltrisiko vieler Wirkstoffe, die in Gewässern gefunden werden, noch nicht ausreichend bewertet werden kann. Bisher gibt es nur für etwa zehn Prozent der potenziell umweltschädlichen Wirkstoffe aus der Humanmedizin genügend Informationen, um das Umweltrisiko zu bewerten.
Dem Umweltbundesamt zufolge wäre es aber notwendig, besonders umweltschädliche Medikamente auch nach der Zulassung zu überwachen. Das bestehende Überwachungssystem für Medikamente nach der Markteinführung sollte daher um den Umweltaspekt erweitert werden.
Ein Blick in die Zukunft: Es gibt Handlungsbedarf!
Medikamente werden bei der nächsten Überarbeitung der nationalen Vorschriften zum Schutz der Oberflächengewässer erneut Thema sein. Auch auf europäischer Ebene wird über die Festlegung von gefährlichen Stoffen in der Wasserpolitik gesprochen. Umweltstandards und Grenzwerte sowohl für Oberflächen- als auch Grundwasser wären ein wichtiger Schritt, um langfristig den Eintrag von Medikamenten in Gewässer zu reduzieren.
Ein großes Problem sind auch die schwer abbaubaren Wirkstoffe, die durch herkömmliche Kläranlagen nicht ausreichend aus dem Abwasser entfernt werden können.
Um Arzneimittel-Rückstände in der Umwelt zu verringern, braucht es eine umfassende Strategie, die den gesamten Lebenszyklus von Medikamenten berücksichtigt. Dabei reicht es nicht aus, sich nur auf technische Lösungen wie die Abwasser- und Trinkwasseraufbereitung zu konzentrieren. Auch wenn moderne Kläranlagentechniken zur Beseitigung von Schadstoffen Fortschritte machen, müssen Maßnahmen schon viel früher in der Verlaufskette ansetzen.
Zusammengefasst: Im Sinne der Prävention sollten Umweltaspekte schon bei der Entwicklung von Medikamenten beachtet werden, zum Beispiel durch die Verbesserung der Abbaubarkeit der Wirkstoffe. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der verantwortungsvolle Umgang mit Arzneimitteln – angefangen bei der bewussteren Verschreibung durch Ärzt:innen, über die Förderung eines gesünderen Lebensstils bis hin zur sachgerechten Entsorgung von Arzneimittelresten durch die Patient:innen.
Tipp: So entsorgt ihr Medikamente richtig
Die Entsorgung von Medikamenten ist zwar an sich unkompliziert, wird jedoch je nach Gemeinde unterschiedlich gehandhabt. An vielen Orten können alte Medikamente einfach im Restmüll entsorgt werden, während in Städten wie Berlin die Abgabe nur über Schadstoffmobile oder Recyclinghöfen möglich ist. Auch einige Apotheken bieten freiwillig die Rücknahme von Medikamenten an.
Auf der Webseite www.arzneimittelentsorgung.de findet ihr Informationen zur umweltfreundlichen Entsorgung in eurer Nähe.
Wenn ihr spezielle Medikamente, wie beispielsweise Krebsmedikamente, zurückgeben möchtet, solltet ihr euch direkt an euren Arzt:in, Apotheker:in oder Entsorgungsdienstleister:in wenden.
Orte, an denen alte Medikamente oder Reste jedoch definitiv nicht entsorgt werden sollten, sind die Toilette, der Abfluss oder die Spüle.
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