Seen schlimmer durch Plastik verschmutzt als Ozeane?

Dezember 2023
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Dass unsere Ozeane von unglaublichen Mengen an Plastik verschmutzt sind, dürfte inzwischen ein weit verbreiteter Fakt sein.

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Doch dass auch unsere Seen stark von der Umweltverschmutzung durch Kunststoff betroffen sind, ist eine Tatsache, auf die erst vor kurzem aufmerksam gemacht wurde. Zwar gab es bereits einige Untersuchungen von Binnengewässern, doch diese konzentrierten sich nur auf einige wenige Gewässer in bestimmten geographischen Regionen und arbeiteten außerdem mit nicht standardisierten Verfahren der Probenentnahme, sodass sie als recht unzureichend galten und einen quantitativen Vergleich der Ergebnisse nahezu unmöglich gestalteten.
Es gab also bis vor nicht allzu langer Zeit keinerlei einheitliche globale Angaben zur Belastung von Süßwassern durch Mikroplastik.
Doch dies sollte sich nun durch die Studie eines Forschungsteams an der Universität Wien ändern.

Eine neue Studie bringt Licht ins Dunkel

Ein Forschungsteam der Universität Wien untersuchte in einer Studie, die dieses Jahr im Fachmagazin “Nature” veröffentlicht wurde, 38 Seen in insgesamt 23 Länder sowohl auf die Menge und Art von Plastiküberresten als auch auf die damit in Zusammenhang stehende Lage und Art der einzelnen Gewässer.
Die Menge und die geographisch weit gestreute Art an untersuchten Seen sowie dazugehörigen Einzugsgebieten ermöglichten einen fundierten Überblick über das Plastikvorkommen in Süßgewässern. So variieren die einzelnen Seen sowohl in ihrer Größe (0,04 bis 32.600 km²), in ihrer Tiefe (1 bis 1.470m), in der darum herum herrschenden Bevölkerungsdichte (0 bis 3.411 Einwohner pro Quadratkilometer) und der besiedelten Fläche des umher liegenden Landes (0 bis 98%).
Besonders großer Wert wurde in der Studie außerdem auf die sogenannte “Signatur” der gefundenen Kunststoffteile gelegt, die sich aus Häufigkeit und Art des Plastiks zusammensetzt.
Die jeweiligen Proben wurden an der Oberfläche der Gewässer durch Zuhilfenahme von horizontalen Schleppnetzen senkrecht zum Seeausfluss entnommen und anschließend konzentriert und gereinigt.

Erschreckende Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie sind schlichtweg erschreckend! In jedem der untersuchten Seen – sogar in jenen, die auf den ersten Blick unberührt von menschlichem Einfluss zu sein scheinen wie der Avery Lake in Michigan in den USA – wurde Plastik gefunden – und das in erstaunlichen Maßen.

Wie das Plastik überhaupt in so großer Anzahl in die verschiedenen Seen gelangt, lässt sich durch mehrere äußere Einflüsse erklären.
Eingetragen wird das Plastik nämlich in erster Linie durch Flüsse, die den jeweiligen See speisen, aber auch durch Abwasser oder achtlose Besucher bzw. Anwohner, die ihren Müll nicht regelkonform entsorgen. Ebenso wird aber auch vermutet, dass gewisse Plastikfasern durch die Kleidung von Badegästen ins Wasser vieler Seen gelangen. Weiterhin können kleinste Plastikpartikel, verursacht durch Industrie und Verkehr, die sich in der Luft ausbreiten, über den Niederschlag in die Seen vordringen.

Die unzähligen Kunststoffpartikel, die die Proben enthielten, wurden zunächst auf ihre Form, Farbe und Größe untersucht, um den Kunststoffteilen im Anschluss eine genaue Signatur zuweisen zu können. Für die Untersuchung der Teile in Bezug auf ihre chemische Zusammensetzung griff man auf die Mikro-Raman-Spektroskopie zurück. Dies ist eine Methode, die die konventionelle Lichtmikroskopie mit der Raman-Spektroskopie verbindet und somit die Analyse kleinster Objekte (>0,5 µm) ermöglicht.
Fast 94% des gefundenen Plastiks gehören mit einer Größe von < 5 mm zu Mikroplastik, 5% werden mit einer Größe von 5 bis 10mm zu Mesoplastik gezählt und 1,5% wurden als Makroplastik eingestuft und sind somit größer als 10mm.
Der Luganer See, der Lago Maggiore und der Lake Tahoe sind die am stärksten verschmutzten Seen in dieser Studie, wobei in jedem dieser Seen mehr als 5 Partikel pro Kubikmeter – im Falle des Luganer Sees sogar 11,5 Partikel – gefunden wurden.
Besorgniserregend ist dies vor allem aufgrund der Tatsache, dass diese drei Seen als Trinkwasserquellen gebraucht werden. Neben der Verschmutzung von Trinkwasserressourcen geht man davon aus, dass sich die Belastung mit Mikroplastik auch auf die biogeochemischen Kreisläufe eines Sees auswirkt. Im Endeffekt könnte also die Zirkulation chemischer Elemente zwischen Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre gestört werden – komplexe Stoffwechselvorgänge, die als Grundvoraussetzung für alles Leben auf dieser Erde gelten.

Ausgenommen von der Studie sind übrigens Partikel, die kleiner als 250µm sind. Würde man diese auch noch dazu zählen, so fielen die Zahlen vermutlich noch höher aus. Damit herrscht in diesen Seen eine höhere Mikroplastikbelastung als in den subtropischen Ozeanwirbeln, die bisher zu den größten weltweiten Ansammlungsstellen von Plastik zählen. Die Plastikkonzentration in diesen Ozeanwirbeln beschränkt sich auf 1,62 Partikel pro Kubikmeter. Hierbei ist es außerdem notwendig zu erwähnen, dass die Messung der Plastikkonzentration in den Ozeanwirbeln mit ähnlichen Methoden der Probenentnahme getätigt wurde.
Polyester, Polypropylen und Polyethylen sind die am meisten nachgewiesenen Bestandteile der gefundenen Kunststoffpartikel, was insofern nicht überraschend ist, als das Polypropylen und Polyethylen mehr als die Hälfte der weltweiten Kunststoffproduktion ausmachen. Polyester macht bei der Produktion von Fasern in der Textilindustrie ganze 40% aus.

Darüber hinaus ermittelte das Forschungsteam, inwiefern die Signatur mit möglichen Verschmutzungsquellen rund um und in den Seen und den einzelnen Wassereinzugsgebieten in Verbindung steht.

Mikroplastikbelastung und Art des Sees im Zusammenhang

Besonders stark von der Verschmutzung durch Mikroplastik betroffen waren zwei Typen von Seen: Jene, welche sich inmitten dicht besiedelter und urbanisierter Gebiete befinden und jene, die flächenmäßig als sehr groß angesehen werden. Bei letzteren geht man davon aus, dass die hohe Belastung durch das Plastik auf das große Einzugsgebiet und der langen Wasserverweildauer zurückzuführen ist.
Man schätzt, dass es im Falle des Lake Tahoe in den USA rund 650 Jahre dauert, bis das gesamte Wasser des Sees einmal durch Zu- und Abfluss ersetzt wurde. In dieser Zeit sammelt sich dementsprechend so Einiges an Plastik an.
Der am wenigsten belastete See ist im Übrigen der Lunzer See – der einzige untersuchte See in Österreich, der weniger als einen Plastikpartikel pro Kubikmeter aufweist.

Die gesamte Studie könnt ihr hier nachlesen.

  • https://www.umweltdialog.de/de/umwelt/plastik-muell/2023/Plastikmuell-Belastung-in-Seen-teilweise-hoeher-als-im-Ozean.php
  • https://www.nature.com/articles/s41586-023-06168-4
  • https://www.analyticon.eu/de/raman.html
  • https://www.bruker.com/de/products-and-solutions/infrared-and-raman/raman-microscopes/what-is-raman-microscopy.html
  • https://www.globalnature.org/de/mikroplastik-in-seen
  • https://www.igb-berlin.de/news/mikroplastik-einige-seen-staerker-belastet-als-die-ozeane
  • https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/biogeochemische-kreislaeufe/1012
  • https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/see/14664#
  • https://www.lfu.bayern.de/veranstaltungen/doc/ausstellung_fluesse_und_seen.pdf
  • https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/reifen/reifenkauf/reifenabrieb-mikroplastik/
  • https://greenpeace.at/assets/uploads/publications/presse/GP%20Report%20Fashion%20RZ%20singles.pdf
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