Tödlicher Lärm: Wie Schallkanonen die Meereswelt zerstören

Juni 2024
Fotograf:in: Thomas LIpke, Copyright: CC0 Unsplash

Tests zur Öl- und Gaserkundung gefährden nicht nur das Klima, sondern auch die äußerst empfindlichen Ökosysteme der Ozeane. Schallkanonen, die dafür eingesetzt werden, erzeugen Lärm in einer Intensität, die für die Meeresbewohner unerträglich ist und oft sogar zum Tod führt. Diese fortlaufenden Explosionen verursachen massive Störungen in der maritimen Umwelt und bedrohen das Überleben von Walen, Delfinen und anderen Meeresbewohnern. Die Auswirkungen sind weitreichend und alarmierend – mehr dazu in diesem Artikel.

Schallkanonen bedrohen Meereswelt

Weltweit nutzen Erkundungsschiffe der Ölindustrien sogenannte "Airguns", also Schallkanonen, die fortlaufend Schallwellen erzeugen, wodurch ein Knall entsteht. Die Schallwellen durchdringen das Wasser und dringen bis zu 40 km tief in den Meeresboden ein. Spezielle Detektoren messen das zurückkehrende Echo, um die Struktur des Meeresbodens und potenzielle Öl- und Gasvorkommen zu identifizieren.
Der Lärm dieser Schallwellen, der über Wochen und Monate alle fünf bis zehn Sekunden abgegeben wird, stellt aufgrund seiner Intensität und Plötzlichkeit eine erhebliche Gefahr dar. Mit Lautstärken von etwa 230 Dezibel und mehr erreicht dieser Lärm ein Level, das mehr als 25 Millionen Mal lauter ist als ein Presslufthammer.

Die enormen Lautstärken, die die Schallkanonen erreichen, sind weit über der Schmerzgrenze jeglicher Lebewesen!

Um die Bedeutung von 230 Dezibel zu verstehen, muss man sich die logarithmische Natur der Dezibel-Skala vor Augen führen. Diese Skala bedeutet, dass 20 Dezibel zehnmal mehr Schallenergie als zehn Dezibel haben. Die Schmerzgrenze des menschlichen Gehörs liegt bei etwa 130 Dezibel, was vergleichbar mit dem Lärm eines Presslufthammers ist. Unter Wasser entspricht eine Lautstärke von 156 Dezibel der menschlichen Schmerzgrenze an Land. Somit ist der Lärmpegel von 230 Dezibel etwa 25 Millionen Mal lauter als der eines Presslufthammers.

Die Konsequenzen: Wale und Delfine

Für Meereslebewesen wie Wale und Delfine sind solche Lärmpegel unerträglich und verursachen erhebliches Leid. Die Konsequenzen sind weitreichend: Störung der Kommunikation, Hörschäden bis hin zur Taubheit, physische Verletzungen, Stress, Angst, weitreichende Vertreibung aus ihren Lebensräumen, Orientierungslosigkeit und letztlich der Tod durch beispielsweise Embolien (plötzlicher Blutgefäßverschluss), wenn Wale panisch zu schnell auftauchen. Weiterhin werden die Tiere in Fortpflanzung und Ernährung gestört.
Auch andere Meeresbewohner wie Haie, Robben und Pinguine sind betroffen.

Die Konsequenzen: Krill

Auch Fische und wirbellose Meerestiere leiden: Sie werden in ihrer Wachstumsfähigkeit, Fortpflanzung, ihrem Immunsystem und sogar ihrer DNA beeinträchtigt, mit physischen Schäden, die teilweise zum Tod führen.

Weiterhin führt der Einsatz von Schallkanonen zu einem drastischen Rückgang des Kabeljaufangs um bis zu 70 Prozent.

Bereits der kurze Einsatz einer Schallkanone verursacht erhebliche Schäden im Zooplankton: 100 Prozent der nicht geschlechtsreifen Krill sowie ein großer Anteil der Krillarten generell starben laut einer australischen Studie.

Es gibt kein Entkommen: Auch wirbellose Meerestiere und Fische bleiben von den Schallkanonen nicht unbeeinflusst.

Diese Ergebnisse werfen somit auch die kaum erforschte Frage auf, welche Auswirkungen der zunehmende Lärm im Meer auf die kommerziellen Fischbestände und somit auf die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen haben könnte.

Besonders problematisch ist diese Situation im Hinblick auf die maritime Nahrungskette: Krill stellt die Grundlage dieser dar. Ein starker Rückgang würde also verheerende Folgen unbekannten Ausmaßes nach sich ziehen.

Südafrika stoppt SHELL

Anfang 2022 gab es auch mal positive Neuigkeiten: Ein südafrikanisches Gericht hat die Nutzung von Schallkanonen zur Erkundung der Gewässer vor der südafrikanischen Küste untersagt. Daher muss SHELL bis auf weiteres die dortigen Aktivitäten aussetzen, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Umweltorganisationen riefen zuvor seit Monaten zum Boykott des Ölkonzerns auf.

Deutschland unterstützt Unterwasser-Schallkanonen in Australien

Die Küste Westaustraliens beherbergt Weltnaturerbe-Stätten und zahlreiche Meeresschutzgebiete, die einzigartige Ökosysteme schützen sollen. Genau dort plant der größte australische Öl- und Gaskonzern Woodside ein umfangreiches Gasprojekt. Dies umfasst den Einsatz von Unterwasser-Schallkanonen für seismische Tests, den Bau von Pipelines mit einer Gesamtlänge von über 1.300 km, Gasbohrungen in Tiefen von mehr als 900 Metern und eine schwimmende Offshore-Plattform – und das ist erst der Anfang (vom Ende).

Auch am anderen Ende des Planeten, in Australien, sollen die Schallkanonen in enormen Ausmaßen zum Einsatz kommen.

Finanziell gestützt wird dieses Projekt durch deutsche Steuergelder: Der Staatskonzern Uniper plant, das Gas zu kaufen. Zusammen mit RWE (Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk) ist Uniper und somit die Bundesregierung ein Hauptabnehmer dieses umweltschädlichen Gases.

Woodside stand kurz davor, seismische Tests zur Gasentdeckung zu beginnen, als der Energiekonzern vor Gericht gebracht wurde. Obwohl ein Bundesgericht in Perth die Genehmigung für die seismischen Tests zunächst widerrief, erteilte die zuständige Umweltbehörde schließlich doch noch die Erlaubnis. Somit begann Woodside mit den seismischen Tests und somit dem konstanten Abfeuern der Schallkanonen.

Kurz nach Beginn der Arbeiten zur Aushebung von Gräben für die Pipelines wurde bereits ein junges Walkalb von einem Arbeitsschiff angefahren.

Hintergrund

Uniper, ein ehemaliger großer Abnehmer russischen Gases, stand Ende 2022 kurz vor dem Bankrott. Zur Rettung verstaatlichte der Bund den Gasimporteur, sodass sich seitdem 99 Prozent des Unternehmens in Regierungsbesitz befinden. Ein Rechtsgutachten von Greenpeace Deutschland zeigte die juristischen Folgen auf: Die Bundesregierung ist aufgrund des Klimaschutzgesetzes verpflichtet, Uniper nachhaltig zu transformieren und Klimaschäden durch das Gasprojekt strikt zu unterlassen.

Ganze zwölf Meeresschutzgebiete sind durch das Projekt bedroht, wobei eine Pipeline sogar direkt durch ein Schutzgebiet verlaufen würde. Die Erdgasförderung in diesem Gebiet zerstört den Lebensraum und die Migrationspfade von Walen sowie diverse Korallenriffe und ist eines der klimaschädlichsten Projekte in ganz Australien.

Für die Erschließung des ersten Projektteils muss Woodside den Meeresboden ausbaggern. Dabei würden riesige Pfeiler in den Meeresboden gerammt und dabei Millionen Tonnen zerkleinerter Korallen und Felsen zerstört. Dieses Gebiet weist die größte Artenvielfalt im Meer vor Westaustralien auf. Ohne die deutschen Vertragspartner RWE und Uniper wäre das Projekt unrentabel und würde scheitern.


Fazit: Die Zukunft liegt in erneuerbaren Energien, doch dazu bedarf es einer mutigen Transformation des Energiesektors – und kein „einfach weiter so“, wie es RWE und Uniper weiterhin zu betreiben gedenken.

Hier geht's zur Petition von Greenpeace gegen den Einsatz von Schallkanonen!

Lust auf Meer?!

  • https://greenpeace.at/petitionen/wale-schallkanonen/
  • https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/gasausstieg/mega-gasprojekt-bedroht-wale-australien
  • https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220707_OTS0005/neuer-greenpeace-report-zeigt-gefahren-fuer-wale-durch-gasfoerderungen
  • https://www.quarks.de/umwelt/tierwelt/erdoelsuche-mit-schall-so-leiden-wale-und-delfine/
  • https://www.oekoreich.com/medium/oelkonzern-shell-scheitert-gericht-stoppt-einsatz-von-schallkanonen-im-meer
  • https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/oelsuche-an-der-us-kueste-schallkanonen-fuer-wale-toedlich
  • https://kontrast.at/laerm-im-meer/
  • https://www.ifaw.org/de/press-releases/shell-meer-schallkonen
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