In einer Welt, die von immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen geplagt wird, steht die menschliche Gesundheit vor einer alarmierenden Herausforderung. Während die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend offensichtlich werden, bleiben bestimmte Bevölkerungsgruppen oft im Schatten der Diskussionen über Hitzeextreme und ihre Folgen. Während die meisten von uns Hitze als vorübergehendes Unbehagen empfinden, können für Menschen mit psychischen Erkrankungen die Auswirkungen verheerend sein.
In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die unsichtbaren Folgen des Klimawandels für Menschen mit mentalen Störungen und untersuchen, warum sie eine besonders gefährdete Gruppe sind.
Schizophrenie
Während einer Rekordhitze in British Columbia im Juni 2021 waren 8% der Menschen, die an einer extremen Hitze starben, mit Schizophrenie diagnostiziert worden. Das machte die Störung in diesem Kontext zu einem gefährlicheren Risikofaktor als Nierenerkrankungen und koronare Herzkrankheiten. Personen mit einer Vorgeschichte von Schizophrenie hatten während dieser Hitzewelle ein fast dreimal so hohes Sterberisiko als in einer typischen Woche.
Störungstypische Verhaltensweisen, die durch Schizophrenie verursacht werden, können ebenfalls zu einem höheren Risiko für hitzebedingte Krankheiten oder gar zum Tod, beitragen. Die Psychose, die Menschen mit Schizophrenie erleben können, kann dazu führen, dass sie die Realität und ihre eigene physische Verfassung nicht richtig interpretieren, selbst wenn die Situation lebensbedrohlich ist. Die kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie sich möglicherweise nicht einmal bewusst sind, dass sie überhitzt sind, oder sie könnten denken, dass die Ursache für ihre Überhitzung auf einen gänzlich anderen Grund zurückzuführen ist und nicht angemessen handeln, um sich aus der Hitze zu begeben oder sich zu vor der Wärme zu schützen .
Viele der hitzebedingten Todesfälle durch das Hitzeereignis in British Columbia 2021 fanden in Häusern ohne zuverlässige Klimaanlage statt.
Carol Lim, eine Psychiaterin des Massachusetts General Hospital Psychosis Clinical and Research Program, sagt, es sei nicht ungewöhnlich, Schizophrenie-Patienten an Tagen mit 32° Celsius in den Kliniken in dicken Parkas und mehreren Kleidungsschichten zu sehen.
Darüber hinaus sind Menschen mit psychischen Erkrankungen generell oft isoliert, stigmatisiert und wirtschaftlich marginalisiert, was das Risiko erhöht, nicht adequat auf die hohen Temperaturen zu reagieren. Sie können nicht für sich selbst einstehen, haben nicht immer Zugang zu Klimaanlagen und einige sind obdachlos. Es gibt oft keine Familie, die sich um sie kümmert.
Clozapin, ein leistungsstarkes Antipsychotikum zur Kontrolle von Schizophrenie, besitzt eine anticholinerge Wirkung, was unter anderem bedeutet, dass es das Schwitzen reduziert oder stoppt - die wichtigste Abwehr des Körpers gegen Überhitzung.
Es ist also äußerst wichtig, dass Personen mit Schizophrenie und ihr Umfeld sich dieser Risiken bewusst sind, damit sie präventive Maßnahmen ergreifen können.
Bipolare Störung
Die bipolare Störung (BD) ist eine psychische Störung, die die Stimmungsregulation beeinträchtigt und durch affektive Episoden (manisch, hypomanisch oder depressiv) gekennzeichnet ist. Die Prävalenz der BD wird weltweit auf über 1% geschätzt und hat einen großen Einfluss auf die Lebensqualität und Funktionsfähigkeit.
Lithium zur Behandlung von BD
Lithium wird zur Behandlung der bipolaren Störung eingesetzt, indem es Symptomatiken typischer Maniephasen reduziert, kann jedoch toxisch werden, wenn Patient:innen dehydriert sind, da dies mit einer verminderten Ausscheidung des Lithiums einhergeht
Von einer Vergiftung spricht man ab einer Lithiumkonzentration von über 1,5 mmol/l. Werte ab 3,5 mmol/l können tödlich sein. Besonders gefährlich ist dies, da Lithium nur in einer sehr geringen Menge im Körper als ungefährlich ist. Zu den Symptomen einer akuten Lithium-Vergiftung gehören unter anderem Schwindel, Übelkeit, Zittern oder Erbrechen, bis hin zum Koma - ein sofortiges Absetzen ist in jedem Fall nötig und medizinisches Fachpersonal sollte aufgesucht werden, da diese Vergiftung lebensgefährlich werden kann. In chronischen, unbehandelten Fällen kann es auch zu irreversiblen Nierenschäden kommen. Am gefährdetsten sind hierbei ältere Leute, da diese oft ohnehin zu wenig Flüssigkeit zu sich nehmen.
Einfluss des Wetters auf den Verlauf der bipolaren Störung
Systematische Übersicht einer Vielzahl von Studien zu diesem Thema:
Die in diesen Studien am meisten untersuchten meteorologischen Variablen waren Temperatur und Sonnenlicht, und die dazu am meisten untersuchten klinischen Ergebnisse waren Krankenhauseinweisungen. Signifikante Korrelationen wurden zwischen Temperatur und Sonnenlicht sowie klinischen Einweisungen gefunden. Höhere Temperaturen können Rückfälle der bipolaren Störung auslösen, die eine Krankenhauseinweisung erfordern, und höhere Sonnenlichtexpositionen können das Risiko manischer Episoden erhöhen. Generell scheinen höhere Temperaturen das Risiko für eine manische und auch depressive Episode sowie sogar suizidale Gedanken zu erhöhen.
Mögliche Neurobiologische Grundlagen
Verschiedene neurobiologische Mechanismen sind wahrscheinlich an der Beziehung zwischen Wetter und Stimmung beteiligt. Die Rolle von Melatonin und einigen Neurotransmittern (hauptsächlich Serotonin und Dopamin) verdient dabei besondere Beachtung, da Jahreszeiten und andere meteorologische Variablen einen Einfluss auf Dopamin- und Serotoninwerte haben können.
Sonnenlicht trägt dazu bei, die Serotoninwerte zu erhöhen, was mit höheren Manieraten in Verbindung gebracht werden kann.
Hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit können die Schlafqualität verschlechtern und die Schlafqualität hat wiederum einen signifikanten Einfluss auf die Stimmung. Andere Faktoren können zur Beziehung zwischen Wetter und Stimmung bei BD beitragen, wie z. B. Vitamin D, Cortisolsekretion, körperliche Aktivität und verschiedene psychosoziale Variablen, die mit dem Wetter in Verbindung stehen können, wie soziale Beziehungen, Beschäftigung, festliche Ereignisse oder psychosozialer Stress. Generell lässt sich feststellen, dass während Hitzewellen auch nächtliche Temperaturen erhöht sind, was zu schlechtem Schlaf führt, der zum mentalen Stress beiträgt, was besonders für Vorerkrankte ein großer Belastungsfaktor ist.
BD ist mit einem hohen Risiko für Suizidversuche (SAs) und Todesfällen verbunden. Es wird geschätzt, dass das Suizidrisiko bei BD-Patienten 20-30 Mal höher ist als in der allgemeinen Bevölkerung. Epidemiologische Studien berichten, dass etwa 23% -26% der BD-Patienten Suizidversuche unternehmen und dass BD bis zu 14% aller Suizidtodesfälle ausmacht.
Eine Sensibilität für Wetterveränderungen wird mit dem Vorhandensein und der Anzahl von lebenslangen SAs in Verbindung gebracht.
Dieses ist relevant, da eine Vorgeschichte eines SA eine prädiktive Rolle für einen vollendeten Suizid hat und wiederholte Versuche das Risiko eines Suizidtodes weiterhin erhöhen. (Es wird angenommen, dass saisonale Veränderungen des Suizidverhaltens, die wahrscheinlich mit klimatischen Schwankungen und Lichtexposition zusammenhängen, möglicherweise durch eine Interaktion mit serotonergen und noradrenergen Schaltkreisen vermittelt werden. Meteorologische Variablen wie Temperatur, Luftdruck und Sonnenlicht sind mit Veränderungen der Konzentration zerebraler Neurotransmitter und Veränderungen des Serotoninumsatzes im Gehirn verbunden. Eine Studie von Makris et al. fand eine Korrelation zwischen Sonnenschein und SAs bei Patienten, die mit serotonergen Medikamenten behandelt wurden (d. h. SSRIs). Daher könnten Umwelt- und wetterbedingte neurobiologische Veränderungen des serotonergen Systems das suizidale Verhalten bei prädisponierten Personen negativ beeinflussen.
Medikamente und Körpertemeperaturregulation
Einige Medikamente zur Behandlung psychischer Erkrankungen führen dazu, dass Individuen, die diese zu sich nehmen, vermehrt schwitzen.
Der neurobiologische Mechanismus dahinter beginnt in einem Teil des Gehirns, der als anteriorer Hypothalamus bezeichnet wird. Man könnte ihn als Thermostat des Körpers bezeichnen. Das ist also der Teil des Gehirns, der uns sagt, wenn es zu heiß oder zu kalt ist, wann man anfangen soll zu schwitzen etc. Es sagt dem Rest des Gehirns, dass Verhaltensmaßnahmen ergriffen werden müssen, wie zum Beispiel Wasser trinken oder eine Jacke anziehen, wenn es zu kalt ist.
Psychische Störungen, egal ob es sich um bipolare Störung oder Schizophrenie handelt - beeinträchtigen die Neurotransmission von Informationen an diesen Teil des Gehirns.
Die Fähigkeit, die Körpertemperatur zu regulieren, hängt auch mit Serotonin zusammen, welches in den Gehirnen von Menschen mit diesen Störungen niedriger ist.
Der Hypothalamus ist direkt darauf angewiesen, durch Serotonin stimuliert zu werden. Serotoninwerte im Gehirn werden von Außentemperaturen beeinflusst, und so ist es nicht verwunderlich, dass Medikamente, die die Serotoninwerte im Gehirn beeinflussen, die Fähigkeit zu schwitzen beeinträchtigen oder die Körperkerntemperatur erhöhen.
Antipsychotika - oft zur Behandlung von Schizophrenie, bipolaren Störungen, Paranoia und Wahnvorstellungen eingesetzt - haben dabei den größten Einfluss, sagte Feder. Dazu gehören unter anderem Aripiprazol, Olanzapin, Risperidon, Quetiapin und Lurasidon.
Einige Medikamente für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), wie Lisdexamfetamin und Amphetamin/Dextroamphetamin-Salze, und Angstlöser können ebenfalls dieses Problem verursachen.
Trizyklische Antidepressiva können übermäßiges Schwitzen verursachen, was zu gefährlichen Flüssigkeitsverlusten führt.
- https://flexikon.doccheck.com/de/Lithiumintoxikation
- https://www.drugs.com/cg/lithium-toxicity.html
- https://www.elsevier.es/en-revista-european-journal-psychiatry-431-articulo-the-influence-weather-on-course-S0213616321000173
- https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/EHP4898
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7066072/
- https://edition.cnn.com/2023/11/17/health/mental-health-climate-change-effects-wellness/index.html
- https://time.com/6278503/mental-health-patients-extreme-heat/
- http://www.bccdc.ca/about/news-stories/stories/2023/schizophrenia-risk-heat