Mit der Corona-Pandemie hat auch der sogenannte „Vanlife-Trend“ einen ordentlichen Aufschwung erlebt und die Verkaufszahlen von Wohnmobilen sind stark angestiegen. Auch lange nach Corona hält dieser Trend vom Urlauben und Leben im Van weiterhin an.
In Zahlen wurden im Jahr 2020 rund 16.800 Wohnmobile in Deutschland weiterverkauft, im Folgejahr waren es bereits 19.700, was einem Anstieg von über 17% entspricht.
Neuzulassungen spiegeln diesen Trend ebenfalls wider: Im ersten Jahr der Pandemie machten in Europa etwa 160.000 neue Wohnmobile die Straßen unsicher, die Hälfte davon in Deutschland! Auch im Jahr darauf stiegen die Zahlen weiter an.
In Deutschland allein gibt es Statista zufolge mittlerweile insgesamt bereits rund 2.500.000 Wohnwägen und Wohnmobile.
Konsumrausch im Outdoor Bereich
Auswirkungen zeigte der Vanlife-Trend auch im steigenden Umsatz des Outdoor-Ausrüstung-Markts. Mit einem Volumen von 254,5 Millionen Euro, was einem Fünftel mehr als im vergangenen Jahrzehnt entspricht, wurden im Jahr 2022 neue Rekordzahlen erreicht. Prognosen in den Consumer Market Insights von Statista sehen auch in Zukunft kein Ende dieses Trends.
Auf lange Sicht betrachtet (2015-2021), betrug der Zuwachs des Bestands an Wohnmobilen laut des Kraftfahrt-Bundesamts übrigens ganze 73%.
Wohin reisen die „campwütigen“ Deutschen nur? Etwa 141,7 Millionen Übernachtungen im Jahr lassen sich zum Beispiel bei französischen Campingplätzen feststellen.
Doch ist diese Reisealternative zur herkömmlichen Flugreise wirklich so viel besser? Ist ohne Flugscham durch ganz Europa fahren und die großartige Freiheit genießen wirklich so nachhaltig, wie es unzählige Reiseblogger, Bücher und Magazine behaupten?
Kritik am Vanlife
Klimaschützer kritisieren den Trend als starke Belastung für die Umwelt.
Eine Reise für zwei Personen zur Algarveküste in Portugal in einem dieselbetriebenen Wohnmobil verursacht in etwa genauso viele C02-Emissionen wie ein Flug nach Gran Canaria.
Studien des Umweltbundesamtes zufolge ist der relative, endenergiebezogene Mehrverbrauch von Vans auf Autobahnen und außerorts um ganze 85% höher als der eines durchschnittlichen Personenwagens.
Belastungen für das Ökosystem
Weiterhin negative Konsequenzen hat das Vanlife für unser Ökosystem, vor allem durch Hinterlassenschaften von Wild-Campern.
Dazu gehören unter anderem Toilettenpapierreste, Müll jeglicher Art, illegale Lagerfeuer oder Fäkalien.
Als Reaktion darauf hat beispielsweise Portugal seit Januar 2021 das Übernachten und das freie Stehen zwischen 21 und 7 Uhr verboten.
Wir haben eine Liste an Gründen zusammengestellt, warum das Vanlife doch nicht so nachhaltig ist, wie es auf den ersten Blick den Anschein macht:
1. Ressourcenverbrauch eines Wohnmobils
Für die Herstellung eines normalen Durchschnittsautos (1,5 t schwer) werden in etwa 70 Tonnen Ressourcen und Materialien benötigt. Dass dieser Wert für ein mehr als 3t wiegendes Wohnmobil um einiges höher ausfällt, ist klar.
2. CO2-Emissionen
Zwischen 15,2 und 18,6 t CO2 fallen laut einer Studie des IFEU Insituts bei der Herstellung und Produktion eines Reisemobils an. Emissionen, die zu den jährlichen Emissionen der Kilometerlaufleistungen dazu addiert werden müssen.
Zum Vergleich: Die Wohnung eines Zweipersonenhaushalts verursacht pro Jahr etwa 0,7t CO2 pro Person. Umgerechnet bedeutet das, wenn dieser Wert nicht überschritten werden sollte, dass man zu zweit in einem Van nur 2000 km jährlich zurücklegen dürfte. Distanztechnisch entspricht dies einem Ausflug nach Slowenien und zurück.
Zudem müssen weiterhin Gas oder zusätzliches Diesel zum Heizen sowie umweltbelastende Verbrauchsmaterialien wie Motoröl dazugerechnet werden
3. Mikroplastik
Laut Schätzungen des Frauenhofer-Instituts ist der Reifenabrieb von Autos eine der Hauptemissionsquellen von Mikroplastik. Es ist naheliegend, dass durch größere Distanzen, die mit schweren Fahrzeugen zurückgelegt werden, auch deutlich mehr Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Einmal freigesetztes Mikroplastik ist kaum wieder aus der Umwelt entfernbar.
4. Abgase
Stickoxide: Wohnmobile auf Fiat-Basis stoßen im Schnitt das 20-fache an Stickoxiden aus, als es legal zulässig ist. Davon betroffen sind alleine in Deutschland bereits mehr als hunderttausend Wohnmobile, da die meisten davon aus der Produktion des Fahrzeugherstellers Fiat-Chrysler stammen.
Stickoxide stellen nicht nur ein Gesundheitsrisiko für Menschen dar, sondern schaden auch Böden, Gewässern und Pflanzen, die damit in Berührung kommen.
Feinstaub: durch das Zurücklegen weiter Strecken durch ein Wohnmobil, wird auch massenweise Feinstaub durch die Abgase und ebenfalls durch den Abrieb von Reifen, Straßen und Bremsen produziert.
5. Wildcamping
Mittlerweile gibt es unzählige Apps, Artikel oder Facebook-Gruppen, die es leicht machen, abseits von offiziellen Stell- oder Campingplätzen zu übernachten. Dies ist eigentlich verboten, dennoch gibt es „Grauzonen“, in denen es dennoch möglich ist, zu nächtigen. Die Probleme, die sich dabei ergeben, sind vielfältiger Natur:
- Ölverlust – vor allem ältere Autos sind hin und wieder undicht und es kann vorkommen, dass Öl in den Boden sickert, wenn über einen längeren Zeitraum in der Natur geparkt wird. Bereits minimale Mengen können dem Grundwasser, Gewässern, Böden und darin enthaltene Mikroorganismen schaden.
- Wildtiere – Je mehr Menschen in Natur und Wald campen und übernachten, desto mehr werden Wildtiere ihrer ohnehin schon beschränkten Rückzugsorte – dank der massiven Abholzung - beraubt.
- Fäkalien – Die Darmentleerung des Menschen im Wald ist nicht so natürlich, wie es vielleicht scheint. Der Hintergrund dazu ist, dass menschliche Ausscheidungen, Viren, Bakterien und Medikamentenrückstände nichts in der Natur verloren haben. Details zu dieser Thematik findet ihr hier.
Übrigens: Die allerseits bekannten und beliebten Feuchttücher, die sich massenhaft in Verwendung finden, bauen sich erst nach 5 bis 10 Jahren ab und die enthaltenen Chemikalien verunreinigen das Grundwasser stark. - Müll – zum Thema Müll ist nicht viel zu sagen, außer dass es ein enormes Problem darstellt
- Seife, Waschmittel & Co. – Beim Wäschewaschen oder Duschen in Seen und Flüssen landen – sofern keine Naturkosmetik oder biologisch abbaubares Spülmittel, Shampoo & Co. verwendet wird – umweltschädliche Substanzen im Wasser.
- Grillen und Lagerfeuer – durch Lagerfeuer am Strand oder im Wald (beides i.d.R. verboten), erhöht sich das Risiko von Waldbränden enorm. Oft werden auch Flaschen, Müll, Einweggrills und Essensreste zurückgelassen.
6. Boden- und Straßenschäden
Weder Brücken noch Straßen sind für die schweren Wohnmobile, geschweige denn Liefer- und Lastwägen, geeignet. Beim Ausparken werden vorhandene Löcher vergrößert, Natursteine durch die Reifenumdrehung aus dem Boden gehebelt, Waldböden werden durch Spurrillen etc. beschädigt. Weiterhin geht der Trend aufgrund des stetig steigendendes Luxus und Komfortbedarfs zu immer schwereren Wohnmobilen.