42.100 Arten wurden Ende 2022 von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als “bedroht” eingestuft - das ist ein neuer Rekordwert. Wir befinden uns inmitten des größten Artensterbens seit der Perm-Trias-Grenze. Naturschutzorganisationen rund um die Welt zeigen aber, dass wir durchaus noch über die Zukunft unseres Planeten mitentscheiden können. Der WWF demonstriert, welche Rolle die Tourismusbranche in der Mission um den Schutz mariner Arten einnehmen kann und sollte.
Der Walhai
Der größte Fisch der Welt schwebt in Gefahr: Seit mehr als 60 Millionen Jahren kreuzt er die tropischen und subtropischen Gewässer unserer Erde, jetzt erscheint er auf der roten Liste der Weltnaturschutzunion unter der Kategorie “stark gefährdet” – Zählungen haben jüngst nur noch rund 200.000 Exemplare erfasst.
Walhaie werden wegen ihres Fleisches, ihrer Kiemen und ihrem Blut (mit dem Fischerboote bemalt werden) gejagt oder verenden versehentlich in Fischernetzen. Aus diesem Grund und auch wegen der Verschmutzung der Meere sind die Bestände der sanften Riesen in vielen Regionen extrem rückläufig: Innerhalb der letzten 75 Jahre halbierte sich die Anzahl der Walhaie. Nur rund 10% erreichen heute noch das fortpflanzungsfähige Alter.
Laut der International Union for Conservation of Nature (IUCN) kann sich der weltweite Bestand innerhalb von 10 Jahren theoretisch wieder stabilisieren. Praktisch müssten dafür der Beifang und die Jagd auf die Tiere stark reduziert werden.
IUCN zufolge ist es dann auch möglich, dass sich die Bestände weltweit wieder erholen, sollten die Anstrengungen seitens des Menschen ausreichend sein.
Schutz der Walhaie in Tansania
Der WWF setzt sich in Tansania seit Langem für den Schutz der gigantischen Fische ein und kann große Fortschritte aufweisen: Walhaie sind dort inzwischen rechtlich geschützt, der kommerzielle Fang ist verboten und der Bestand ist seit 10 Jahren stabil.
Die Meeresschildkröte
Meeresschildkröten nehmen eine entscheidende Rolle im Ökosystem unter Wasser ein: Manche Arten zehren an parasitären Schwämmen, die andernfalls riffbildende Korallen verdrängen würden – und ermöglichen so die Koexistenz der beiden. Korallenriffe wiederum sichern einen Lebensraum für zahllose weitere Arten.
Bis heute sind sie Ziel von Wilderern, die sie wegen ihres Fleisches und der Panzer jagen.
Meeresschildkröten mögen die Dinosaurier überlebt haben, aber gegen den Klimawandel und den Menschen haben sie kaum eine Chance.
Die Bestände der Meeresschildkröten schwanden im letzten Jahrhundert dramatisch. Jedes Jahr enden mehr als 250.000 Exemplare allein in den USA versehentlich in Fischernetzen. Davon sind bei weitem nicht nur die Meeresschildkröten betroffen – die kommerzielle Fischerei ist einer der Hauptgründe für den Verlust an Artenreichtum in den Meeren in den vergangenen 50 Jahren.
Nicht zu vergessen – der Plastikmüll: Zu oft verfangen sich die Tiere in Plastikmüll oder verwechseln ihn mit Nahrung. So kommt es, dass der Tod jeder fünften Meeresschildkröte auf die Plastikflut in unseren Meeren zurückzuführen ist.
Heute sind alle sieben Arten von Meeresschildkröten vom Aussterben bedroht und stehen deshalb vielerorts unter Artenschutz.
Schutz der Meeresschildkröte in Tansania
Nassoro Shahame ist ein Beamter der Gemeinde Juani, die an der Ostküste der tansanischen Insel Mafia liegt. Er leitet das Monitoring-Programm des WWF und der regionalen NGO Seasense vor Ort, denn in Juani befindet sich einer der bedeutendsten Niststrände für die Grüne Meeresschildkröte.
Innerhalb der Brutzeit besucht er den Strand jeden Tag, um die Aktivitäten der Schildkröten zu dokumentieren und Nester zu retten, wenn Raubtiere oder Hochwasser ihnen gefährlich nahe komme. Nassoro Shahame plant kollektive Beach Clean-Ups und wirbt die Bewohner der Gemeinde für die Arbeit zum Schutz der Meerestiere an. Dank seines Engagements hat die Population heute wieder eine Chance auf eine bessere Zukunft!
Der Tourismus spielte bei diesen Entwicklungen eine entscheidende Rolle.
Tourismus in Tansania
Die Umwelt leidet stark unter den momentanen Entwicklungen - Überfischung, Plastik- und Schadstoffbelastung und letztendlich auch die Erderwärmung setzen den Ökosystemen enorm zu. Von den früheren Niststränden der Schildkröten ist nichts mehr zu sehen – stattdessen reihen sich heute Hotelkomplexe und luxuriöse "Beach Resorts" aneinander, denn der Tourismus boomt. Auch die Einheimischen haben mit diesen Entwicklungen zu kämpfen, stellt doch das Meer für viele von ihnen die Existenzgrundlage dar.
Sage und schreibe ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts Tansanias stammt von Gütern und Dienstleistungen, die in direkter Verbindung mit dem Meer und den Küstenregionen stehen, z.B. die Fischerei.
Das Ziel des WWF ist es, in Tansania ein Meeresschutzgebiet zu errichten, um den Artenreichtum der Gegend zu bewahren. 150 verschiedene Arten von Korallen, 8.000 wirbellose Spezien, 1.000 verschiedene Fischarten, Walhaie, Dugongs und fünf der insgesamt sieben Meeresschildkrötenarten kreuzen die Gewässer vor der Küste Tansanias und sind auf Schutz vor Ausbeutung des Menschen angewiesen.
Hier kommt der Tourismus ins Spiel – klingt widersprüchlich, ist aber so. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieser sogar enorm hilfreich dabei sein, Naturschutzprogramme durchzusetzen. Die meisten Menschen zahlen beispielsweise gerne dafür, die Tier- und Pflanzenwelt in Nationalparks zu erkunden - auf eigene Faust oder mit Tourguide. Einnahmen und Steuern stellen sicher, dass sich dieses Modell refinanziert und für Staat, Naturschützer- und Besucher:innen lohnt.
Der WWF bezieht darum Reiseveranstalter:innen, tansanische Fischer:innen, Hotelbetreiber:innen und offizielle Stellen in ihre Vorhaben mit ein. Reisekonzepte, die den Nachhaltigkeitsaspekt einkalkulieren, stellen zudem Perspektiven für die lokale Bevölkerung dar.
Walhai-Tourismus – Schattenseite der Tourismusbranche
Walhaie nehmen in La Paz, Mexiko eine entscheidende Rolle im Tourismus ein, denn für viele Besucher:innen ist ein Tauchgang mit den Tieren das Highlight des Urlaubs – in dieses Geschäft fließen jährlich Millionen.
Doch der Tourismus kann die Situation der Walhaie zusätzlich verschlimmern, beispielsweise werden Tiere immer wieder bei Kollisionen mit Booten verletzt, weil die vorgeschriebene Distanz nicht gewahrt wird. Bevor Covid-19 alles stilllegte, trugen 80% der Walhaie vor der Küste von La Paz frische Verletzungen oder Narben von Kollisionen mit Schiffsschrauben. Während der Pandemie wurden noch 65% der Tiere mit neuen Verletzungen durch Schiffe registriert. Die Korrelation mit den Pandemie-bedingt ausbleibenden Touristenzahlen ist offensichtlich: Die Buchungen nahmen zu dieser Zeit um zwei Drittel ab.
Schutz durch nachhaltigen Tourismus
Der WWF setzt sich auch in La Paz für den Schutz der friedvollen Giganten ein: Tourguides und Schiffsführer werden geschult, Tempolimits und sichere Routen festgelegt und neue Infrastrukturen zur Überwachung der Tiere und des Schiffsverkehrs installiert. Die Boote der zertifizierten Reiseveranstalter werden mit GPS versehen, so können die Behörden Position und Geschwindigkeit stets überwachen.
Ein entscheidendes Ziel dieses Projektes ist es, die Reiseveranstalter für den Schutz der Walhaie zu sensibilisieren. So soll der Tourismus zukünftig weniger zum Schaden, sondern mehr zum Schutz von Mensch und Tier in der Region beitragen.
Zusätzlich dazu zeigte die Pandemie, wie sehr die Einwohner von La Paz auf den (Walhai-) Tourismus und damit den Erhalt des Walhais und in diesem Sinne dem Schutz des allgemeinen Artenreichtums angewiesen sind. Das Projekt des WWF konzentrierte sich nicht nur auf den Schutz der Walhaie durch Kontrollen und Ausweisung von Schutzgebieten, es gab den Menschen vor Ort auch die Chance, sich selbst für den Schutz der Umwelt zu engagieren. Denn nur indem sich die Entwicklungsstrategie in den bestehenden Lebensstil der lokalen Bevölkerung integrieren lässt, ist sie auch nachhaltig wirksam.
Indem die Bewohner in das Management der Schutzgebiete mit einbezogen werden, entstehen auch neue Einkommensquellen: 145 Leute, die zuvor in der Tourismusbranche tätig waren, reinigen heute Strände und Korallenriffe, montieren Bojen oder suchen nach sogenannten “Geisternetzten” – Fischernetze, die entweder auf See verloren gingen oder wissentlich im Meer entsorgt wurden und seit jeher in den Ozeanen umhertreiben.
Wirtschaftlich betrachtet kann die Gegend nachhaltig von dem Schutz der Umwelt profitieren, da die Natur im Augenblick die Operationsbasis für die Entwicklung der Region ist – denn ohne Walhaie gibt es auch keine Touristen, die dafür zahlen, mit ihnen zu tauchen.
Jetzt liegt es also daran, den ökologischen Schäden des Massentourismus entgegenzuwirken und ein nachhaltiges Konzept für die Tourismusbranche aufzuziehen.
- https://www.wwf.de/zusammenarbeit-mit-unternehmen/tourismus
- https://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/haie/der-walhai-vom-goldfisch-mit-der-grossen-klappe
- https://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/meeresschutzgebiete/meeresschutz-in-tansania/walhaie-und-meeresschildkroeten
- https://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/meeresschildkroeten
- https://www.nationalgeographic.de/tiere/walhaie-happen-fuer-die-haie
- https://www.scinexx.de/news/biowissen/walhai-rekordwanderung-im-pazifik/
- https://www.iucnredlist.org/species/19488/2365291#green-assessment-information
- https://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/meeresschutzgebiete/meeresschutz-in-tansania
- https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/meeresschildkroeten-tod-durch-plastik
- https://www.wwf.ch/de/tierarten/meeresschildkroeten-urtiere-in-unseren-ozeanen
- https://www.bmz.de/de/laender/tansania/wirtschaftliche-situation-21722
- https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Report-Whats-in-the-Net.pdf
- https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20828/technischer-fortschritt/