Conservation Gardening – die Zukunft des Artenerhalts?

Januar 2024
Copyright: Foto von Annie Spratt auf Unsplash

Der Verlust pflanzlicher Diversität stellt ein enormes Problem dar: Viele einheimische Pflanzenarten kämpfen um ihr Überleben. Doch es besteht Hoffnung – in Gärten und auf öffentlichen Grünflächen könnten sie womöglich einen sicheren Rückzugsort finden.

Gartenarbeit ist Trend

Die Begeisterung für das Gärtnern im eigenen Garten oder auf dem Balkon nimmt stetig zu. Im Jahr 2018 investierten die Deutschen beeindruckende 8,7 Milliarden Euro in Pflanzen.

Während der Corona-Pandemie stiegen die Ausgaben für grüne und blühende Gewächse sogar um neun Prozent. Darüber hinaus hat sich das Bewusstsein vieler Menschen für den Rückgang der Artenvielfalt in der Landschaft und die zugrundeliegenden Ursachen deutlich erhöht. Gleichzeitig wachsen auch der Wille und die Bereitschaft bei immer mehr Menschen, einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten zu wollen –- Dringend notwendig, wenn man bedenkt, dass in etwa 70 Prozent der Flora einen rückläufigen Trend zeigt und 30 Prozent aller Pflanzenarten gefährdet sind.

Conservation Gardening

Diese Entwicklung inspirierte Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Universität Leipzig sowie weiterer Institutionen zu einer innovativen Idee: In einer Zeit, geprägt von Flächenversiegelung und intensiver Landwirtschaft, haben Naturinteressierte die Möglichkeit, durch das gezielte Pflanzen bedrohter heimischer Arten einen wertvollen Beitrag zum Naturschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt zu leisten.

Denn die zahlreichen Gärten in Deutschland bergen ein enormes Potenzial, die Bevölkerung aktiv in den Artenschutz einzubinden. Eine Möglichkeit dazu besteht darin, neben den üblichen Zierpflanzen auch rückläufige heimische Arten zu pflanzen. Bisher war jedoch unklar, inwiefern solche rückläufigen Arten tatsächlich für den Einsatz in Gärten geeignet sind und in welchem Maße sie derzeit kommerziell verfügbar sind.

Nun kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass auf den öffentlichen und privaten Grünflächen Deutschlands in etwa 40% der gefährdeten und rückläufigen heimischen Pflanzenarten gepflanzt werden könnten und somit für das sogenannte „Conservaton Gardening“ geeignet sind. Zu dieser Erkenntnis gelangten die Forschenden, indem sie die aktuellsten Daten zu den bedrohten Arten aller 16 deutschen Bundesländer gemäß der Roten Liste gesammelt haben und im Anschluss die NaturaDB-Datenbasis nutzen, um gefährdete Arten auszusortieren, die in den Gärten der Regionen wachsen könnten.

Die gesammelten Informationen dienen als Grundlage für eine von den Forschenden entwickelte Web-App. Diese App stellt Landschafts- und Privat-Gärtnern sowie Behörden frei zugänglich Listen mit Pflanzen zur Verfügung, die sich für Conservation Gardening anbieten, spezifisch für jedes Bundesland, egal ob für den Einsatz in Gärten, Grünanlagen, Balkonen oder bei der Dachbegrünung.

Um geeignete Spezies zu finden, geben Nutzer:innen neben dem Verwendungszweck auch Standortmerkmale wie Lichtverhältnisse, Bodenbeschaffenheiten und weitere Parameter in die Suchleiste ein. Informationen darüber, wo man Samen für die vorgeschlagenen Arten erhalten kann, lassen sich durch eine Suche bei den danach aufgelisteten Anbietern herausfinden.

Die Anzahl der gefährdeten Arten variiert je nach Bundesland zwischen 515 und etwa 1.120 Arten. In Hamburg beispielsweise ist rund die Hälfte der bedrohten Arten, nämlich 352, für das Gärtnern geeignet, während es in Bayern rund ein Drittel sind, also 321 Arten. Interessanterweise sind bereits mehr als die Hälfte der gefährdeten Arten derzeit im Handel erhältlich.
Knapp die Hälfte dieser Pflanzenarten bevorzugt trockene Böden im Vergleich zu herkömmlichen Gartenpflanzen, bei denen es nur etwa ein Drittel sind. Dieses Ergebnis ist im Kontext des Klimawandels von besonderer Bedeutung. Weiterhin versorgen die heimischen Pflanzenarten nicht nur Honigbienen, sondern auch spezialisierte Insekten.
Alles in allem kommen im Durchschnitt 41% der Arten von der Roten Liste, die 988 Spezies umfasst, für heimische Gärten in Frage, wobei davon wiederum ganze 650 ganz einfach im Handel erhältlich sind.

Forscherinnen und Forscher schlagen vor, die Vermarktung solcher Saaten gezielt durch Mehrwertsteuersenkungen zu fördern und die Vergabekriterien für öffentliche Aufträge an Gartenbauunternehmen entsprechend zu adaptieren.
Universitäten, Botanische Gärten, Nachbarschaftsgemeinschaften, Naturschutzverbände und die öffentliche Verwaltung könnten zusätzlich Wissen sowie Tipps zur Pflege für heimische Arten bereitstellen.

Mit diesen Ansätzen könnten wir das enorme Potenzial der Millionen von Gärten und Grünanlagen in Deutschland besser ausschöpfen und alle Berufs- und Hobbygärtner aktiv in den Artenschutz mit einbeziehen. Nach Meinungsumfragen zeigt sich auch ein wachsendes gesellschaftliches Interesse an derartigen Möglichkeiten. Es erfordert innovative Ansätze, die Mensch und Biodiversität nicht mehr als voneinander getrennte Aspekte betrachten.

Conservation Gardening kann das gesellschaftliche Bewusstsein für die Krise der Biodiversität schärfen, während gleichzeitig partizipative Maßnahmen ergriffen werden, um dem Rückgang heimischer Pflanzenarten entgegenzutreten.

Warum überhaupt Artenvielfalt?

Dass Artenvielfalt wichtig und als schützenswert erachtet wird, ist den meisten klar. Doch warum überhaupt?

Die Biodiversität spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Leistung von Ökosystemen und der Anpassung ganzer Landschaften an Umweltveränderungen. Darüber hinaus trägt sie dazu bei, ausgewogene und stabile Ökosysteme zu erhalten, die für sauberes Wasser, reine Luft sowie den Schutz vor Bodenerosion und Hochwasser von großer Bedeutung sind. Die Vielfalt an Arten bildet zudem eine wesentliche Grundlage für die Ernährung von Mensch und Tier. Es ist erwiesen, dass drei Viertel alle unserer Nahrungspflanzen auf die Bestäubung durch unterschiedliche Insektenarten angewiesen sind.

  • https://www.bioforschung.at/wp-content/uploads/2020/05/Vielfaeltige-Gruenflaechen-Fuer-ein-zukunftsfaehiges-und-artenreiches-Gruen.pdf
  • https://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an46101zehm_et_al_2024_garten.pdf
  • https://www.bpww.at/sites/default/files/download_files/DasBlatt_Heft_2_2018_FINAL_webVersion.pdf
  • https://www.biosphaere.ch/fileadmin/user_upload/UNESCO_Biosphaere_Entlebuch/PDF/UNESCO_Biosphaere_A-Z/Forschung/Forschungsresultate/Bachelorarbeiten/Kaufmann_Steinegger_2020_Siedlungsbiodiv_Schuepfheim.pdf
  • https://www.geo.de/natur/oekologie/conservation-gardening--gaerten-als-zufluchtsort-31892854.html
  • https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/conservation-gardening-gruenflaechen-in-deutschland-koennten-deutlich-groesseren-beitrag-zum-erhalt-der-artenvielfalt-leisten-2023-09-04
  • https://utopia.de/ratgeber/conservation-gardening-so-kannst-du-bedrohte-pflanzen-schuetzen/
  • https://stadtundgruen.de/artikel/wie-kann-biodiversitaet-im-urbanen-raum-gefoerdert-werden-7153
  • https://www.biologie-seite.de/News/Gr%C3%BCnfl%C3%A4chen_in_Deutschland_k%C3%B6nnten_deutlich_gr%C3%B6%C3%9Feren_Beitrag_zum_Erhalt_der_Artenvielfalt_leisten.html?utm_content=cmp-true
  • https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/viel-potenzial-fuer-das-conservation-gardening/
  • https://www.mdr.de/wissen/conservation-gardening-bedrohte-pflanzen-koennen-in-gaerten-ueberleben-104.html
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