Mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, den sogenannten Sustainable Development Goals (kurz: SDGs), wollen die Vereinten Nationen (UN) die Gesellschaft mit ihrer 2030-Agenda nachhaltig gestalten und für den Weltfrieden sorgen. Dafür müssen aber Faktoren aus soziologischen, kulturellen, bildungsorientierten, ökonomischen sowie ökologischen Bereichen berücksichtigt werden.
Durch das SDG Nr. 4 soll eine grundlegende sowie qualitative Bildung für jeden ermöglicht werden. Bildung ist laut der UN wichtig, da sie die Basis für eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft darstellt.
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Kurzgefasst: Warum ist Bildung so wichtig?
Bildung trägt dazu bei, Ungleichheiten abzubauen und gleichzeitig Chancengleichheit aufzubauen: Dabei ist auch Geschlechtergleichheit ein wichtiger Faktor und entscheidend für die Stärkung von Toleranz sowie die Sicherung des Friedens innerhalb der Gesellschaft.
Zudem qualifiziert Bildung für das post-schulische Berufsleben und sichert damit ein stabiles Einkommen. Somit ermöglicht sie einen sozioökonomischen Aufstieg und ist der Schlüssel, um Entwicklungsländer zu fördern und den Menschen eine Basis zu bieten, sich nachhaltig aus der Armut zu befreien.
Der UN zufolge wurden zwar in den letzten zehn Jahren große Fortschritte bei der Verbesserung des Bildungszugangs sowie der Einschulungsrate, insbesondere bei Mädchen, erzielt, jedoch gingen 2018 immer noch fast ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in der Weltbevölkerung nicht zur Schule. Damit erhalten weltweit mehr als 100 Millionen Kinder keine angemessene Schulbildung.
Für manche ist Bildung unerreichbar
Ohne den entsprechenden Zugang ist Bildung überhaupt nicht möglich. Dabei beeinflussen mehrere Faktoren, wie stark der Zugang zu Bildung möglich ist und wie er sich gestaltet.
Zu Beginn stellt sich die Frage, ob Bildung überhaupt erreichbar ist. Dies kann zum einen soziale Rahmenbedingungen betreffen, sprich „In welcher sozialen Schicht und welchem sozialen Umfeld befinden sich Betroffene? Wie sehr fördern soziales Umfeld und eigene Ambitionen einen Bildungsweg?“ – zum anderen aber auch regionale, sprich, “Wo leben die Menschen?” und “Wie viele Bildungseinrichtungen pro Fläche existieren überhaupt, die besucht werden zu können?"
Betrachten wir zuerst die sozialen Aspekte: Denn insbesondere benachteiligte und extrem arme Gesellschaftsgruppen können Bildungsmöglichkeiten oft nur schwer erreichen, geschweige denn bezahlen. Menschen, die in extremer Armut leben, schaffen es am Tag gerade Mal sich eine einzige Mahlzeit zu kaufen. Wie sollen sie sich eine Schulbildung leisten können? Eine kostenlose Auslegung von Schulbildung ist daher unabdingbar und wird in dem 4. Nachhaltigkeitsziel der UN explizit betont. Und auch wenn in vielen Ländern, wie beispielsweise in Malawi 1994, die Schulgebühren bereits abgeschafft werden konnten, belasten die Familien der Schüler:innen zusätzliche Kosten für anfallendes Schulmaterial, Bücher oder Uniformen.
Damit wird eine Diskussion angefeuert, die bis heute Kernthema der Entwicklungs- und Nachhaltigkeitspolitik ist: Es bedarf nicht nur der Unterstützung von Bedürftigen, sondern einer umfassenden Stabilisierung eines Systems, dass es Menschen ermöglicht, langfristig aus der Armut heraus zu gelangen und dieses Leben durch eigene Bildung abzusichern.
Des Weiteren gehören zu den benachteiligten Gruppen, denen Bildung verwehrt bleibt, vorrangig auch Mädchen und Frauen, die aufgrund des noch in vielen Völkern bestehenden Familienbildes gar nicht erst zur Schule geschickt werden. Frauen und Mädchen müssen oft daheim bleiben und sich um den Haushalt sowie die Kinder kümmern. Ebenso führen viele Schwangerschaften bei jungen Frauen führen zu einem vorzeitigen Schulabbruch.
Daher will die UN bis 2030 mit dem Nachhaltigkeitsziel Nr. 4 sicherstellen, dass unabhängig von dem Geschlecht oder der Herkunft ein Zugang zu hochwertiger Grund-, Berufs- sowie Weiterbildung, einschließlich Hochschulbildung, gewährleistet wird. Auch Menschen mit Behinderung, indigene Völker, religiöse Minderheiten oder Bewohner aus Krisengebieten sollen von einer gerechten Bildung profitieren.
Während die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht bei der Erreichbarkeit von Bildung entscheidend ist, zählen auch die Entfernung sowie die Verfügbarkeit von Bildungseinrichtungen eine Rolle. Laut dem Weltbildungsbericht 2019 der UNESCO sei Bildung vor allem in ländlichen Regionen mangelhaft. Aber auch in städtischen Slums sei die Infrastruktur von Grundschulen nur marginal ausgeweitet. Daher müssen Kinder oft extrem lange Strecken zurücklegen, bis sie die nähste Schule erreichen. Aufgrund der Distanz sorgen sich viele Eltern; sie können ihre Kinder nicht begleiten, da sie arbeiten müssen und lassen ihre Kinder lieber ganz daheim. Aus diesem Grund kämpft die UN mit ihrem 4. Nachhaltigkeitsziel für den Bau von flächendeckenden Bildungseinrichtungen sowie der Modernisierung bestehender Institutionen.
Nicht zuletzt wurde durch die nach wie vor andauernde Corona-Pandemie seit 2020 die Mehrheit an Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten aller Länder vorübergehend geschlossen, was mehr als 90% der Schüler:innen betraf. Doch die alternative Lösung des “Homeschoolings” via Internet, wie es bei uns der Fall war, konnte nicht bei allen problemlos funktionieren. Viele Kinder aus ländlichen Regionen besitzen keine oder nur eine fragile Internetanbindung, die das Lernen online fast unmöglich macht - geschweige denn davon, dass die meisten Kinder und Jugendlichen aus extrem armen Verhältnissen sich nicht einmal einen Laptop dafür leisten können. Dies ist vor allem in Entwicklungsländern der Fall, sodass im April 2020 fast 1,6 Milliarden Kinder und Jugendliche nicht zur Schule gehen konnten. Dieser abrupte Einschnitt in den Bildungsverlauf führte laut Berichten vieler Lehrer:innen zu einem frühzeitigen Abbruch der Schulbildung. Noch nie zuvor haben so viele Kinder gleichzeitig die Schule verlassen.
Doch ein erschwerter Zugang zu Bildung ist nur eine von vielen Hürden, denen sich Menschen mit dem Wunsch nach Bildung stellen müssen. Die Ausstattung der Schulen, die Qualität des Unterrichts sowie fachlich ausgebildetes Personal sind ebenso entscheidende Faktoren.
Mangelnde Qualität des Unterrichts
Die Agenda fordert: Bis 2030 soll eine kostenlose und hochwertige Grundschulbildung für alle Mädchen und Jungen gewährleistet sowie diese auch abgeschlossen werden. Beispielsweise erlernen mehr als 85 % der Kinder in Afrika südlich der Sahara nicht das Mindestmaß an Bildung. Mehr als 600 Millionen junge Erwachsene weltweit besitzen nicht einmal fundamentalen Rechen-, Lese- und Schreibfertigkeiten. Mehr als 750 Millionen Erwachsene sind Analphabeten, fast 70% davon sind Frauen. 50% aller Analphabeten leben im südasiatischen Raum sowie 20 % im Süden Afrikas.
Dabei ist es enorm wichtig, notwendige Basisqualifikationen wie Lesen, Schreiben und Rechnen für eine weiterführende qualifizierte Berufsentwicklung zu erlernen und auch Fähigkeiten zu erwerben, die zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung benötigt werden. Laut dem Fact Sheet No.46 der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) herrsche sogar eine regelrechte “Lernkrise” bei der nicht nur der Fortschritt des Bildungsziels selbst, sondern auch das Vorankommen der anderen Nachhaltigkeitsziele, die von einer Bevölkerung mit Lese-, Schreib- und Rechenkenntnissen abhängen, gefährdet sei. Es sei lediglich die “halbe Miete”, wenn Kinder die Schule besuchen würden. Man müsse dafür sorgen, dass jedes Kind in der Schule von einer qualitativen Schulbildung profitiert und erforderliche Mindestkenntnisse erwirbt.
Die UN will bis 2030 sicherstellen, dass neben den Grundkenntnissen durch Bildung unter anderem auch Themen im Sinne der 17 SDGs, wie z.B. Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter, Kulturverstehen, Weltbürgertum, Toleranz, sowie Frieden und Gewaltlosigkeit aufgegriffen werden. Darüber hinaus müssen Lehrpläne mit konkreten Zielen gestaltet werden und sich der Lebenssituation der Schüler:innen anpassen, wie beispielsweise die Integration von kulturellen sowie religiösen Werten, das Vermeiden von Stereotypisierungen, Etablierung eines modernen Frauenbildes, Konfrontation mit Alltagsproblemen oder moderner Technik.
Pädagogische Aspekte wie soziale und kommunikative Kompetenzen, reflexives Denken oder Selbstentfaltung prägen den Menschen in seiner geistigen Entwicklung enorm und müssen daher essentieller Bestandteil von Bildung sein.
Ungenügsame Ausstattung und zu wenig Geld
Nicht nur ein großer Teil der Bevölkerung ist zu arm, um sich Schulbildung leisten zu können; auch das Budget der meisten Entwicklungsländer reicht schlichtweg nicht aus, um eine allgemeine Schulpflicht einzuführen sowie deren Anforderungen, Planung oder einer nötigen Ausstattung gerecht zu werden.
Viele Schulen verfügen nicht einmal über die nötigste Grundausstattung: In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist die Versorgung der Schulen mit grundlegenden Ressourcen die größte Herausforderung. Vor allem bei Grundschulen in Subsahara-Afrika verfügen weniger als die Hälfte kein Zugang zu Trinkwasser, Strom, Computern und Internet.
Gebäudefassaden sind oft sehr alt und heruntergekommen, genauso wie das Mobiliar. Es herrscht meist starker Mangel an genügend Schulmaterial.
Warum? Viele Entwicklungsländer müssen mit hohen Staatsschulden kämpfen, wobei Korruption nach wie vor ein Thema ist, wenn es darum geht, finanzielle Unterstützung “verschwinden” zu lassen, die eigentlich dem Aufbau eines geregelten Bildungssystems dienen hätte sollen.
Dies kann noch problematischer werden, wenn die laut der UNESCO erforderlichen Kosten zur Erreichung einer Schulbildung im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele steigen: Aufgrund der wachsenden Schülerzahl, angestrebten Integrierung von Minderheiten sowie der Aufwertung von Bildungsangebot und -qualität müssen laut der UNESCO mindestens “15 – 20% des nationalen Haushaltes in den Bildungssektor fließen”, um ein funktionierendes Bildungssystem aufbauen zu können.
Mangel an Lehrpersonal
Die UN will bis 2030 den Anteil an qualifizierten Lehrer:innen deutlich erhöhen. Dabei soll auch ein internationales Netzwerk an Personal errichtet werden, um gezielt die Ausbildung von Lehrer:innen, besonders in Entwicklungsländern, zu fördern. Ein Mangel herrscht dort, wo es am meisten gebraucht wird. Deswegen müssen viele Lehrkräfte stundenlange oder sogar mehrfache Schichten halten, um den Lehrerbedarf an Schulen decken zu können - und dies oft bei einem zu geringen Lohn, langen Anreisen, abgelegenen Standorten und befristeten Vertragsverhältnissen. Hier sind faire Bezahlung und Unterstützung gefragt, denn diese Bedingungen machen den Job insgesamt nicht sehr attraktiv. Daher wird oft auch unzureichend ausgebildetes Personal eingestellt, um wenigstens irgendeine Fachkraft in einer Schuleinrichtung zur Verfügung zu haben.
Laut den aktuellen Prognosen der UNESCO werden bis zum Jahr 2030 fast 69 Millionen Lehrkräfte benötigt, um den Bedarf einer qualitativen, grundlegenden und weiterführenden Schulbildung gerecht zu werden. Das größte Defizit herrscht in der afrikanischen Sub-Sahara sowie in Südasien.
Weiterführende Bildungsangebote können nicht wahrgenommen werden
Die UNESCO fügt in ihrem Jahresbericht von 2019 hinzu, dass eine stärkere Verarmung gleichzeitig die Möglichkeit verschlechter, einen professionellen Schulabschluss zu erhalten. Die Ursachen sind komplex, meist geht es Menschen in extremer Armut primär um das “Sichern des Überlebens”, also der Deckung von Grundbedürfnissen wie Wasser, Nahrung oder ein Dach über dem Kopf. Bildung wird hier wirklich als ein Privileg angesehen, für manche leider so extrem, dass sie sogar vollständig aus dem Leben gestrichen wird. Zudem arbeiten viele arme Menschen in Entwicklungsländern, wie beispielsweise Afrika, von der Landwirtschaft oder Subsistenzwirtschaft. In Afrika sind das mehr als 50% der Bevölkerung. Die benötigten Fertigkeiten hierfür werden meist durch Familientraditionen oder “Learning by doing” erworben und erfordern keine Schulbildung. Damit wird aber dem Großteil der Bevölkerung der Aufstieg in Berufen, in denen sie mehr als das Minimum verdienen können, verwehrt und hält regelrecht einen Teufelskreis zwischen Armut und Bildungsdefizit aufrecht.
Neben vielen anderen Gründen, die genannt wurden, ist laut UNICEF auch Kinderarbeit einer der Hauptfaktoren, warum junge Schüler:innen nur selten zur Schule gehen oder es gar bis zu ihrem Abschluss schaffen. Laut Schätzungen müssen “150 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren arbeiten, viele von ihnen unter ausbeuterischen Bedingungen”.
Dabei ist, wie gesagt, eine grundlegende Schulausbildung essentiell, um weiterführende Lehrangebote, wie beispielsweise Stipendien, ein Studium oder eine Berufsausbildung wahrnehmen zu können, um sich aus der Armut heraus zu hieven. Vor allem Berufe in den Bereichen Kommunikations-, Natur- und Informationswissenschaften werden in der Zukunft mehr gefragt sein denn je und können für junge Erwachsene ein Sprungbrett aus ihrer Armut sein.
Daher ist es der UN wichtig, dass ein sicherer Übergang zu weiterführenden Bildungsmöglichkeiten gewährleistet wird. Das Angebot an Stipendien soll vor allem in Entwicklungsländern und kleinen Inselstaaten weiter ausgebaut werden und die Aufnahme eines Studiums soll erleichtert werden. Nur so kann langfristig ein ökonomischer Wohlstand hergestellt werden.
Ein Teufelskreis?
Es ist erschreckend, wie breit gefächert und verstrickt die Ursachen für fehlende Bildung sind. Es scheint, als sei Armut der primäre Grund, durch den Menschen keine Bildung erfahren, gleichzeitig ist Bildung der Schlüssel, um es aus der Armut zu schaffen. Trotz dieses theoretisch aussichtslosen Problems ist Fakt, dass irgendetwas in Gang gesetzt werden muss, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Mit dem 4. Nachhaltigkeitsziel gab die UN den internationalen Startschuss. Erfolge, wie eine höhere Einschulungsrate und der Ausbau der Bildungsinfrastruktur, kennzeichnen das Engagement der 2030-Agenda. Dennoch ist noch viel zu tun – Zeit wird zeigen, was bis 2030 erreicht sein wird.
- SDG 4 - Vereinte Nationen - Regionales Informationszentrum für Westeuropa (unric.org), abgerufen am 13.03.2022
- Goal 4 | Department of Economic and Social Affairs (un.org), abgerufen am 13.03.2022
- Education - United Nations Sustainable Development, abgerufen am 13.03.2022
- SDG 4: Hochwertige Bildung | BMUV, abgerufen am 13.03.2022
- Die Bildungssituation in den Entwicklungsländern | BMZ, abgerufen am 13.03.2022
- 4_Why-It-Matters-2020.pdf (un.org), abgerufen am 13.03.2022
- Microsoft Word - FS46-more-than-half-children-not-learning-en-2017-v20.docx (unesco.org), abgerufen am 13.03.2022
- i0098-bildung-2010-pdf-data.pdf (unicef.de), abgerufen am 15.03.2022