“Flüssigbäume” - die neuen Bäume der Städte?!

Juni 2023
Copyright: LIQUID 3

Jahr für Jahr werden stets mehr Autos in den Straßenverkehr eingeführt. Vergangenes Jahr zählte man 579 Pkws je 1.000 Einwohner. Im Vergleich dazu lautete diese Zahl 2010 noch 511 Pkws je 1.000 Einwohner. Die Tendenz im Jahr 2023? Nach wie vor steigend.

Dass dies negative Folgen für die Luftqualität hat, liegt auf der Hand. Die durch die Luftverschmutzung aufkommenden Risiken werden unter anderem in einem Bericht der EU Umweltagentur (EAA) von November 2022 deutlich: Im Jahr 2020 starben in der EU etwa 238.000 Menschen an den Folgen von Feinstaubbelastungen; allein in Deutschland waren es rund 28.900. Stadtbewohner sind zwangsläufig besonders gefährdet: Ganze 96% derjenigen, die in Städten leben, sind Feinstaubwerten ausgesetzt, die über den Grenzwerten der WHO liegen.

Auch das Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) bestätigt diese Zahlen in ihrem Global Health Data Exchange Tool (GHDx): Jährlich sterben dreimal so viele Menschen durch Umweltverschmutzung wie durch HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria zusammen.

“Flüssigbäume” als Lösungsansatz

Am Institut für multidisziplinäre Forschung an einer Universität in Belgrad, Serbien starteten Danica Stojiljković und Dr. Ivan Spasojević das Pilotprojekt “LIQUID 3”. Konkret handelt es sich bei dieser Innovation um sogenannte “flüssige Bäume”. Dabei handelt es sich jedoch nicht um echte Bäume, sondern um urbane Photo-Bioreaktoren, genauer gesagt um mit Wasser befüllte, dreischichtige Glaskästen mit einem Fassungsvermögen von 600 Litern, die Mikroalgen enthalten, die im Tank blühen. Alle verwendeten Materialien sind nachhaltig und vollständig recycelbar.
Verwendung finden dabei ausschließlich einzellige Süßwasseralgen, die in Serbien bereits von Natur aus in Teichen und Seen vorzufinden sind. Sie können in regulärem Leitungswasser wachsen und weisen eine bemerkenswerte Resistenz sowohl gegenüber hohen als auch niedrigen Temperaturen auf.

Mittels Solarenergie wird die verunreinigte Stadtluft durch eine Pumpe in die Behälter befördert, wo die Algen durch Photosynthese aus dem aufgefangenen CO2 Sauerstoff machen. Die Funktionsweise der flüssigen Bäume ähnelt also der von echten Bäumen - wie der Name bereits vermuten lässt.

Die Algen können sogar weitaus mehr Kohlendioxid binden als Bäume: Sie sind zwischen 10 und 50 mal effizienter - abhängig von der Art des Baumes, mit dem man sie vergleicht und von den Umständen, unter denen jener gewachsen ist.

Die Tanks säubern nicht nur die Luft, sondern stellen auch eine tolle Sitzgelegenheit dar!

LIQUID 3-Tanks benötigen zudem keine besondere Wartung: lediglich alle eineinhalb Monate muss die Biomasse, welche durch die Zellteilung der Algen entsteht, entfernt werden. Die kann dann wiederum als Düngemittel dienen. Zusätzlich dazu benötigt LIQUID 3 stets neues Wasser und Mineralien, dann können die Algen unendlich und unbegrenzt weiterwachsen. Insgesamt dauert der Wartungsprozess nur 90 Minuten!

Ein weiterer Vorteil: Die Tanks können als Sitzbank, Nachtlicht oder Ladegerät für beispielsweise Handys oder Laptops genutzt werden.

Kein Baumersatz

Ziel des Projektes ist es nicht, herkömmliche Bäume zu ersetzen, sondern sie zu ergänzen!

Die LIQUID 3-Tanks sollen Bäume jedoch keinesfalls ersetzen, sondern diese lediglich bei der Luftreinigung unterstützen. Vor allem in Städten, in denen nur wenig Platz vorhanden ist - was aufgrund des akuten Wohnungsmangel in zahlreichen Metropolen mehr als nahe liegt - oder in solchen, in denen besonders viel Luftverschmutzung vorherrscht, können die flüssigen Bäume in Zukunft eine äußerst sinnvolle Ergänzung darstellen, denn sie brauchen pro Reaktor nur rund 3 qm Platz.
Weiterhin haben Bäume und Pflanzen besonders in Großstädten zu kämpfen: Wurzelverletzungen, verdichtete Böden beispielsweise durch Arbeiten an Leitungen, zunehmende Stürme, Trocken- und Hitzeperioden verlangen ihnen viel ab, wodurch sie wiederum anfälliger für Krankheiten werden.
Zusammenfassend betrachtet können die Flüssigbäume eine förderliche Ergänzung zu Bäumen und Bepflanzungen darstellen, der Hauptfokus umweltschützender Maßnahmen sollte jedoch weiterhin auf der Prävention von Emissions- und Schadstoffausstoß liegen!

Kostenpunkt

2021 wurde der erste Reaktor des Pilotprojekts in Belgrad aufgestellt, er kostete rund 25.000 Euro und wurde von der Stadt selbst finanziert. Einen Baum anzupflanzen mag zwar um einiges kostengünstiger sein, jedoch muss dieser erst einmal mehrere Jahre wachsen, bis er bis er halbwegs die Größe erreicht hat, in der die CO₂ Absorption ansatzweise vergleichbar mit der von LIQUID 3 ist - Zeit, die wir nicht mehr haben.

Der Blick in die Zukunft

In ganz Serbien setzte man sich zum Ziel, die auf den Mikroalgen basierende Technik weiter zu verbreiten. In Belgrad allein sollen in den kommenden Jahren 25 weitere "flüssige Bäume" installiert werden. Diese können nämlich neben der Luftreinigung auch in der Abwasserbehandlung oder als Kompost für Grünflächen eingesetzt werden. In der Zukunft könnte aus Algenresten (im Moment noch nur in der Theorie und in geringen Maßen im Labor) auch ein synthetischer Treibstoff hergestellt werden und sie könnten bei der Herstellung von Karbon-Bauteilen in der Industrie Verwendung finden.

Weiterhin soll daran gearbeitet werden, dass LIQUID 3 nicht nur CO2, sondern auch andere Schadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub binden kann.

Internationale Perspektiven

Ob die Flüssigbäume bald in der ganzen Welt zu sehen sind, bleibt abzuwarten!

Darius Wozniak und seine Frau Christa Wild, deutsche Unternehmer, die vor Jahren nach Mallorca ausgewandert sind, ließen sich vom LIQUID-3-Projekt inspirieren und möchten Mikroalgen züchten, die das Projekt der Uni Belgrad nachahmen. Sie stehen bereits in Kooperation mit der Universität Belgrad und haben es sich gemeinsam zum Ziel gemacht, die Vermarktung und Entwicklung der Reaktoren nach Mallorca auszuweiten.
Bei dieser Expansion gilt es zu beachten, dass sich je nach Standort, Temperatur und UV-Einstrahlung am jeweiligen Ort bestimmte Arten von Algen besser eignen als andere. Jetzt liegt es daran, die verschiedenen Arten zu heranzuzüchten. Die Universität Belgrad arbeiten daran bereits in Kollaboration mit den beiden Forschern - und wer weiß, vielleicht stehen ja schon bald die ersten flüssigen Bäume in den Großstädten Deutschlands!

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