12. Juni 2023: Nachdem es lange Zeit im Gespräch war, wurde das EU-Renaturierungsgesetz endlich verabschiedet.
Was bedeutet das für uns?
Das "Nature Restoration Law” ist das einzige seiner Art; ein länderübergreifendes Gesetz für die ganze EU gab es bislang nicht. Als ausschlaggebendes Element der EU Biodiversity Strategy (Gesetz von Mai 2020) zielt das soeben verabschiedete Gesetz darauf ab – wie der Name bereits verrät – in ihrer Funktion beeinträchtigte oder bereits zerstörter Natur neues Leben zu verleihen. Dies bezieht sich insbesondere auf solche Gebiete, die als Kohlenstoffsenken fungieren oder aber solche, die die Auswirkungen von Naturkatastrophen mildern. Ein schon lange überfälliges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass sich 81% von Europas Lebensräumen in besorgniserregenden Zustand befinden und mehr als 60% der Böden nicht mehr gesund sind. Man geht davon aus, dass nicht einmal die Dinosaurier mit vergleichbarer Geschwindigkeit ausgestorben sind.
Die Dringlichkeit der in dem Gesetz festgehaltenen Vorhaben ist auch darin begründet, dass zerstörte Natur erheblich zur Klimakrise und damit der Erderwärmung beiträgt, was wiederum zur Folge hat, dass Extremwetterereignisse zunehmen – immer weniger der ohnehin ausgebeuteten Ökosysteme würden diesem Druck standhalten können.
Mit dem Gesetz werden die EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, sich der Wiederbelebung der Natur schrittweise anzunehmen. Bis 2030 sollen 20% der Natur innerhalb der gesamten EU, sowohl an Land als auch im Meer, wiederhergestellt werden. Bis 2050 will man sich schließlich allen Gebieten, die sich nicht mehr selbst regenerieren können, widmen.
Innerhalb einer Zeitspanne von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes wird von den Nationen gefordert, landesinterne Strategien anzufertigen, die darlegen, wie der jeweilige Staat plant, den Anforderungen des Renaturierungsgesetzes gerecht zu werden. Die Ausführung dieser Pläne soll dann von der Europäischen Umweltagentur in regelmäßigen Abständen ausgewertet werden.
Die Pro-Kontra-Argumentation
Gegner dieser Entwicklung argumentieren, dass die Absichten des Gesetzes den Landwirten, die bereits harte Schicksalschläge aufgrund der Corona Pandemie und der Energiekrise wegstecken mussten, ihren Grund und Fischern ihre Lebensgrundlage rauben würden. Obendrein könne auch die Versorgungssicherheit von Lebensmitteln gefährdet werden. 6.000 verschiedenen Wissenschaftlern zufolge aber mangle es diesen Aussagen nicht nur an wissenschaftlicher Grundlage, sie widersprechen den Erkenntnissen der Wissenschaft sogar. Im Gegenteil: Regenerierte Natur würde die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln sogar verbessern und auch die kommerzielle Fischerei würde von gesunden Ökosystemen profitieren. Dazu kommt auch, dass die Tourismusbranche höhere Gewinne erzielen würde, was für mehr Arbeitsplätze sorgt.
Aufgrund der vielen oppositionellen Meinungen sahen sich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments schließlich gezwungen, viele der ursprünglich angedachten Vorsätze aus dem Gesetz zu streichen. Unter anderem trennte man sich von dem Vorhaben, die ursprüngliche Form landwirtschaftlich genutzter Flächen wiederherzustellen. Auch die Wiedervernässung vieler Torfgebiete hat somit ihre Stellung im Gesetz verloren, obwohl eben dies ein Wendepunkt für den Klimaschutz hätte sein können, aufgrund der hohen Kapazität an Kohlenstoffbindung, die ein gesundes Torfgebiet mit sich bringt.
Moorgebiete speichern fünfmal mehr CO2 als gewöhnliche Wälder. Werden sie jedoch trockengelegt, mutieren sie zu CO2-Emittenten.
Die oppositionellen Parteien setzten auch durch, dass das Gesetz verzögert wird, bis es von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit durchgesehen wurde. Jetzt heißt es also vorerst wieder: Abwarten.
Zeitweilig sah es so aus, als würde sich die gegnerische Meinung vieler konservativer und rechter Fraktionen durchsetzen, doch die unbestreitbare Stellung der breiten Öffentlichkeit zu diesem Thema sorgte für einen unerwarteten Ausgang.
Rund 1,1 Millionen Leute unterstützen die Kampagne des WWF. Auch 6.000 Wissenschaftler:innen und einzelne Unternehmen äußerten sich zugunsten des Gesetzentwurfs, was letztendlich ausschlaggebend war: Mit gerade einmal 12 Stimmen entschieden die Befürworter des Renaturierungsgesetzes den Wahlkampf für sich und ebneten somit den Weg für das Nature Restoration Law.
- https://www.theguardian.com/world/2023/jul/12/eu-passes-nature-restoration-law-vote-meps
- https://environment.ec.europa.eu/topics/nature-and-biodiversity/nature-restoration-law_en#targets
- https://www.wwf.de/themen-projekte/biodiversitaet/nature-restoration-law
- https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2022/05/warum-moore-die-besseren-waelder-sind