Gefährliche Geisternetzte im (Mittel-) Meer

August 2023
Fotograf:in: Joshua J. Cotten, Copyright: Unsplash

Unter sogenannten Geisternetzen versteht man Netze, die einst beim Fischen verloren gegangen sind oder aber bewusst auf hoher See entsorgt wurden und seitdem immer weiter fangen und nicht mehr loslassen, was ihnen in die Quere kommt. Dies macht sie zu einer enormen Bedrohung für die Artenvielfalt in unseren Meeren.

Die Ausmaße des Problems

Zusätzlich dazu, dass sich Meerestiere in ihnen verfangen, lösen sich mit der Zeit mikroskopische Plastikfasern von den Netzen, weshalb sich der Mikroplastikgehalt der Ozeane drastisch erhöht. Bei rund zwei Drittel der Fischarten des Nordost-Atlantiks verzeichnet man bereits Mikroplastik im Magen und so kann die Problematik der verlorenen Netze selbst in unserer Ernährung auftauchen.

Jedes Jahr landen rund 500.000 Tonnen Plastikmüll im Mittelmeer. 10 Prozent davon setzten sich aus Fischereigeräten wie Netze, Leinen und Reusen zusammen. Man geht davon aus, dass allein in der Ostsee jährlich zwischen 5.000 und 10.000 Netzteile auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Weltweit lassen sich sogar 30 bis 50 Prozent des gesamten Plastikmülls in den Weltmeeren auf Geisternetze zurückführen. Das ist besonders verheerend, weil ebendieses Fischerei-Equipment weitaus mehr Todesopfer fordert als jeglicher anderer Plastikmüll.

Wie konnte es so weit kommen?

Leider gibt es mehr als nur einen Grund für die Existenz von Geisternetzen in unseren Weltmeeren. Zum einen reißen sich die Schleppnetze des Öfteren schlichtweg von den Fischkuttern los, zum anderen können sich auch Stellnetze, zum Beispiel während eines Sturmes, aus ihren Verankerungen am Meeresgrund lösen.

Und das ist bei Weitem noch nicht alles: Ein weiterer triftiger Grund ist, dass beschädigte Netze, statt wie vorgeschrieben im Hafen, oft einfach auf hoher See entsorgt werden.

In einigen Ländern Südamerikas, Afrikas und Asiens sorgt auch die illegale Fischerei für die Entsorgung beschädigter Netze im Meer. Stehen die Fischer kurz davor, auf frischer Tat ertappt zu werden, kappen sie die Netze, um zu entkommen. Man kann sich denken, dass es nicht auf deren Prioritätenliste steht, zurückzukehren, um die Netze wieder einzusammeln. Und dennoch entscheidet ihr Handeln über das Schicksal zahlloser Meerestiere. So sind die Netze beispielsweise Grund dafür, dass der mexikanische Schweinswal “Vaquita” akut vom Aussterben bedroht ist.

Lösungsansätze und Projekte

Die Aufklärung der verantwortlichen Personengruppen ist für dieses Vorhaben von essenzieller Bedeutung. Wenn die Menschen vor Ort verstehen, welche Risiken ihr Verhalten birgt und inwiefern sie sich damit sogar direkt selbst schaden, würden sie sich vielleicht offen für Lösungsansätze zeigen und könnten Eigeninitiative ergreifen.
Fischergemeinden auf der ganzen Welt stellen ihr Engagement bereits unter Beweis und nehmen an Projekten teil mit dem Ziel, Plastik zu fischen oder beschädigte Netze zu recyceln. Der WWF arbeitet im Augenblick auf globaler Ebene daran, diese Strategie zu optimieren und zu verbreiten.

Doch auch wenn die Plastikflut gestoppt wird, bleibt die Gefahr, die durch die bereits existierenden Geisternetze ausgeht, weiter bestehen. Der WWF will sich diesem Problem annehmen: Das Schiff “Blue Panda” dient dem WWF seit 2019 im Mittelmeerraum. Die Besatzung der Segelboots bereist das Mittelmeer und widmet sich in Kollaboration mit der lokalen Bevölkerung dessen Schutz.

Abgesehen davon, dass die Bergung und die Entsorgung verlorener Netze zeitaufwändig und kostenintensiv sind, ist es eine Aufgabe für sich, die Netze überhaupt erst unter Wasser zu lokalisieren.
Hier kommt wieder der WWF ins Spiel: Im Rahmen des Geisternetze-Projekts arbeitet er z.B. in Deutschland seit 2016 daran, die Ostsee von den Netzen zu befreien – Mit Erfolg – Seit Beginn des Projekts wurden bereits mehrere Tonnen Material von Geisternetzen geborgen.

Bisher konnten die Projekte allerdings nur in Gebieten wie der Ostsee stattfinden, da das Seitensichtsonar des WWF nur für Meerestiefen von bis zu 40 Meter gewappnet ist. Das Meer um Korsika z.B. ist dagegen sehr viel tiefer, weshalb man auf Hilfe aus den USA angewiesen ist. Ein Seitensichtsonar kartiert durch das Senden von Schallwellen den Meeresgrund und ist somit unverzichtbar bei der Ortung der verschollenen Netze.

Nach zweieinhalb Jahren Planung und mit der Unterstützung von Crayton Fenn von Fenn Enterprises konnte Ende letzten Jahres ein Testlauf für die Bergung der gefährlichen Netze am Cap Corse, Korsika, gestartet werden. Die Crew der “Blue Panda”, ausgerüstet mit einem Seitensichtsonar aus den Vereinigten Staaten, ging auf die Suche nach den verlorenen Geisternetzen.

Die Netze wurden gesichtet und die Ergebnisse verifiziert, was nun? Crayton Fenn will ein Unterwasserfahrzeug zur Verfügung stellen, um der Crew den richtigen Umgang beizubringen und, wenn alles nach Plan läuft, die Netze anschließend zu bergen.

Um in Zukunft nicht auf die Unterstützung der USA angewiesen zu sein, planen der WWF Frankreich und der WWF Deutschland zusammen ein entsprechendes Seitensichtsonar zu finanzieren, das es ermöglicht, weitere Regionen des Mittelmeers zu durchsuchen.

Jetzt heißt es also erstmal: Abwarten – oder dabei helfen, die Projekte des WWF zu finanzieren:

  • https://www.n-tv.de/mediathek/videos/wissen/Im-Mittelmeer-schweben-riesige-toedliche-Geisternetze-article24103301.html
  • https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/pelagos/geisternetze-im-mittelmeer
  • https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/geisternetze
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