Luftverschmutzung - die Nummer eins der Umweltgefahren in Deutschland?!

Oktober 2023
Fotograf:in: Ella Ivanescu, Copyright: CC0 Unsplash

Laut aktuellem Stand der Wissenschaft stellt Luftverschmutzung derzeit die größte Umweltgefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland dar und ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Erkrankungen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen, Diabetes Mellitus Typ 2 und bestimmten Krebserkrankungen. Auch die Umwelt leidet an verschmutzter Luft in Form von Eutrophierung, Versauerung und der Schädigung von Ökosystemen, Nutzpflanzen und Wäldern.

Was versteht man überhaupt unter Luftverschmutzung?

Luftverschmutzung liegt gemäß der WHO vor, wenn sich ein oder mehrere luftverunreinigende Stoffe oder daraus bestehende Gemische in großen Mengen und über so einen langen Zeitraum in der Luft befinden, dass sie für Tiere, Menschen, Pflanzen und/oder Materialien schädlich sind, zu deren Schädigung beitragen oder die Besitzausübung oder das Wohlbefinden unangemessen beeinflussen können. Dabei können diese luftverunreinigenden Stoffe aus natürlichen Prozessen entstehen (beispielsweise durch Brände, Vulkanismus, Staubstürme, Fäulnisprozesse oder Pollenstäube) oder sie können anthropogenen Ursprungs, wie durch Verbrennungen aller Art sein.

Als primäre Quellen anthropogener Luftverschmutzung gelten Verkehr, Industrie, Haushalt und Kleingewerbe, die allesamt eine Vielzahl an luftverunreinigenden Stoffen – nämlich über 300 - emitieren.

Diese Emissionen werden von Luftströmungen transportiert und wirken dann in Form von Immissionen auf belebte und unbelebte Substrate und Organismen ein.

Bestimmte Wetterlagen wie Windstille und Inversion hingegen haben zur Folge, dass sich die Schadstoff nicht verbreiten, sondern sich vor allem im Bereich von Industriegebieten und Großstädten in gesundheitsgefährdenden Mengen akkumulieren.

Aktuelle Zahlen und Daten

Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren liegt die Belastung durch Schadstoffe in einigen europäischen Ländern nach wie vor deutlich über den akzeptablen Werten. In Deutschland waren die negativen Werte aufgrund eines stärkeren Bewusstseins für den Umweltschutz und daraus resultierenden Maßnahmen zwar insgesamt rückläufig, dennoch kam es an einzelnen Orten zu einer deutlichen Überschreitung der Grenzwerte. Bezüglich des Stickstoffdioxidgehalts waren in Deutschland im Jahr 2021 die Städte Ludwigsburg, Essen und Darmstadt am stärksten von der Luftverschmutzung betroffen. Im Jahr 2022 war München mit einem Durchschnitt von 49 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter in Deutschland die Stadt, die den empfohlenen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter am stärksten überstiegen hat.

Im Durchschnitt betrug die Feinstaubkonzentration (PM2,5-Konzentration) im Jahr 2022 in Deutschland das 2.2 fache des jährlichen WHO-Luftqualitätsrichtwertes, wobei Bad Hindelang die am wenigsten belastete Stadt und Meppen die am stärksten belastete Stadt war.

Europa

Auf europaweiter Ebene lebten im Jahr 2022 ganze 98% der Bevölkerung in Regionen, in denen die Feinstaubkonzentration über dem Grenzwert der WHO lag. Die einzigen Ausnahmen dabei waren Finnland, Norwegen, Schweden und Island. Dabei erreichten die am stärksten verschmutzten Gebiete jährlich eine Durschnitts-Feinstaubkonzentration von rund 25 μg /m3.

Zum Vergleich: das EU-Jahreslimit bzw. der jährliche WHO-Leitwert beträgt 5 μg /m3, wobei 1 μg genau einem Millionstel Gramm entspricht.

Globale AQI-Land-Rangliste

Der AQI (Air Quality Index) ist die simpelste Art und Weise, um die Luftverschmutzung auf einer Skala von 0 bis 500 zu bestimmen. Je höher der Wert, desto schlechter die Luftqualität. Mit einbezogen in den Index werden die Konzentrationen von PM2,5- und PM10-Schwebstaub sowie Gase wie Schwefeldioxid, Stickstoffmonoxid, Ozon, Kohlenmonoxid und Benzol. Dabei werden die Messungen ständig bzw. in regelmäßigen Zeitabständen getätigt.

Werte größer als 50 bedeuten, dass die WHO Richtlinien über das Zehnfache überstiegen wurden, während sich Werte von 0 bis 5 innerhalb der empfohlenen Richtlinien bewegen.

Auf globaler Ebene belegte Deutschland im Jahr 2022 den Rang 88 von 131 mit einem AQI von 45. Die ersten drei Plätze gingen an Tschad (169), Irak (164) und Pakistan (159). Ganz am Ende der Rangliste stehen Guam (1,3), Französisch-Polynesien (2,5) und die Amerikanischen Jungferninseln (2,9).

Folgen für den Menschen

Eine Studie kam mittels Daten aus dem Jahr 2015 zu dem Schluss, dass in Städten wie Mailand in etwa 10% der Todesfälle vermieden werden könnten, wenn die durchschnittliche Feinstaubkonzentration um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter verringert werden würde.

Jährlich sterben gemäß der Europäischen Umweltagentur (EAA) in Europa mehr als 1.200 Minderjährige durch die von sich in der Luft befindenden Schadstoffen ausgelösten Krankheiten.
Rund 90% der Stadtbevölkerung in der EU atmen schlechte Luft mit Werten an Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid ein, welche das Risiko für die spätere Entwicklung von Krankheiten wie Asthma, Allergien und herabgesetzte Lungenfunktion im weiteren Verlauf des Lebens generell erhöhen.

Generell könnten laut Forscher:innen 100.000 Todesfälle jährlich vermieden werden, wenn Europas Großstädte es schaffen würden, ihre Feinstaubbelastung in den Grenzwerten der WHO zu bewegen. Weltweit sterben jährlich rund 7 Millionen Menschen vorzeitig infolge von Luftverschmutzung.

Mögliche Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung - Beispiel Polen

Am wichtigsten ist es, die Luftverschmutzung direkt an der Quelle zu minimieren. Das bedeutet Probleme hinsichtlich der Industrie, im Verkehr und beim Heizen anzugehen – ein Punkt, in dem sich die EU-Behörden einig sind. Zum Wohle der Kinder und zukünftiger Generationen hat es besondere Priorität, die Luftqualität rund um Kindergärten und Schulen zu verbessern – beispielsweise durch mehr Grünflächen.

In Teilen Polens gehörten die Verschmutzungswerte in den letzten Jahren zu den höchsten in ganz Europa.
Seit dem Jahr 2018 jedoch fallen die Werte stetig. Strategien, die dazu beigetragen haben, sind unter anderem die Modernisierung der Heizungen in zahlreichen Wohngebäuden sowie ein Verbot des Heizens mit Kohle und Holz in Wohngebäuden.
Der größte Erfolgsfaktor ist vermutlicherweise jedoch die Veränderung der Wahrnehmung in der Bevölkerung. Ohne Verständnis können die Auswirkungen der Verschmutzung schließlich nicht erkannt und interpretiert werden.
Aber auch hier gibt es positive Veränderungen. Fast die Hälfte der Bevölkerung Europas ist der Meinung, dass sich die Luftqualität in den vergangenen 10 Jahren verschlechtert hat und viele sehen Atemwegserkrankungen, die durch die Luftverunreinigung verursacht werden, als ernst zu nehmendes Problem und sind für ein Verschärfen der Regeln zur Luftqualität.

Allerdings sind die aktuell geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub bereits vor mehr als 20 Jahren festgelegt worden und entsprechen folglich nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Risiken und Folgen von Luftverschmutzung.

Aus diesem Grund schlägt die EU-Kommission in ihrem neuen Entwurf für eine neue Luftqualitätsrichtlinie, der ab dem Jahr 2030 in Kraft treten soll
strengere Grenzwerte vor, die sich deutlich stärker an den im Jahr 2021 veröffentlichten Richtlinien der WHO orientieren. Diese Richtlinien basieren nämlich auf aktuellen Forschungen.
Dieser Entwurf orientiert sich somit auch an dem Null-Schadstoff-Ziel der EU bis 2050.

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