Im Amazonas wimmelt es geradezu von Goldgräbern, denn die Region verfügt über immense Bodenschätze. Doch der wirtschaftliche Profit steht in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen für die Umwelt. Die im Goldabbau verwendeten Hilfsmittel wie Quecksilber vergiften nachweislich sowohl die im Amazonas lebenden Menschen als auch Flora und Fauna. Quecksilber – ein Nervengift – wird beim Goldabbau eingesetzt, da es das Edelmetall bindet und die Förderung dementsprechend erleichtert. Die Tatsache, dass Quecksilber, wenn es erst einmal in die Umwelt gelangt, ein Auslöser unheilbarer Krankheiten ist, scheint dabei zweitrangig zu sein.
Die Folgen einer Quecksilbervergiftung
Irene Munduruku gehört dem Stamm der Munduruku an, welcher an den Ufern des Rio Tapajós im Norden Brasiliens zuhause ist. Irene erlitt einen schrecklichen Schicksalschlag, als sie eines Tages schlagartig gelähmt war. Sie verlor ihren Sehsinn, die Fähigkeit zu sprechen und konnte weder Arme noch Beine bewegen. Sie ist 38 Jahre alt und leidet an den Folgen einer Quecksilbervergiftung.
In der Amazonasregion weisen Gewässer, Luft und mehr als alles andere auch die Fische – die wichtigste Proteinquelle der indigenen Bevölkerung – gefährlich hohe Quecksilberwerte auf.
Quecksilber ist ein unheilbares Nervengift, welches das Gehirn befällt und sich in den Organen anreichert, denn es hat die seltene und verhängnisvolle Gewohnheit, sich nicht mit der Zeit abzubauen. In der Amazonas-Region tragen ganze 1,5 Millionen Menschen Symptome einer Quecksilbervergiftung, welche sich in Form von Anomalien im Verhalten oder der Beeinträchtigung von Hör-, Seh- und Gleichgewichtssinn sowie dem Sprachvermögen äußert. Zu den Symptomen gehören auch Nieren- und Lungenerkrankungen, Lähmungen, Ödemen, Lernschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen. Eine Quecksilbervergiftung kann außerdem in Geburtsfehlern und Atemversagen resultieren.
Erschreckenderweise kann eine Quecksilbervergiftung außerdem den IQ erkrankter Personen erwiesenermaßen negativ beeinflussen. Als Kinder des Stammes der Munduruku auf Gedächtniskapazität, rationales Denken und Redegewandtheit getestet wurden, stachen diejenigen, deren Quecksilberbelastung am höchsten war, durch ihre unterdurchschnittlichen Testergebnissen hervor. Das bedeutet, dass ganze Generationen und damit die Zukunft der Stämme die Folgen der Quecksilberverseuchung zu spüren bekommen werden.
Die Projekte des WWF
In Zusammenarbeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen befasst sich der WWF damit, wie man die Menschen vor Ort vor Quecksilbervergiftungen schützen kann. Wasser aus tiefen Brunnen ist beispielsweise sicherer als das Wasser an der Oberfläche. Mit den Munduruku startete der WWF deshalb ein Projekt, das den Menschen den Zugang zu sauberem Wasser sichern soll, indem man neue Brunnen und Wasserverteilungssystemen anlegt. Auch die Aufklärung sämtlicher am Goldabbau beteiligter Menschen über die Folgen einer Quecksilbervergiftung ist ein entscheidender Faktor, da sich viele dem Ursprung der Erkrankungen und den Konsequenzen der Verwendung von Quecksilber nicht bewusst sind.
Da die medizinische Versorgung vor Ort nicht für die enormen Ausmaße, die das Problem momentan annimmt, ausgelegt ist, hat es sich der WWF zur Aufgabe gemacht, das medizinische Personal weiterzubilden.
Zusätzlich dazu überwacht der WWF die Situation im Amazonas anhand von Satellitenbildern und kann so illegale Goldgräber lokalisieren. Im nächsten Schritt sorgt die NGO durch die Schulung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung dafür, dass die Regelungen effektiver durchgesetzt werden können.
Ebenso zu der Agenda des WWF gehört politische Lobbyarbeit mit der Absicht, den Einsatz von Quecksilber beim Goldabbau zu unterbinden.
Die NGO verschafft den Indigenen Stämmen eine Stimme bei Konferenzen und setzt Verbraucher:innen darüber in Kenntnis, was sich hinter den Kulissen abspielt und erleichtert es ihnen damit, informierte Kaufentscheidungen zu treffen.
Schließlich tragen nicht nur Brasiliens Regierung, sondern auch die Abnehmer:innen des Goldes die Verantwortung, so Tobias Kind-Rieper, Referent beim WWF. Und letzten Endes liegt die Entscheidung, das Goldgeschäft zu unterstützen, immer noch bei den Kund:innen. Da es den Kontrollen entlang der Lieferketten, wenn überhaupt vorhanden, an Effizienz mangelt, ist der sicherste Weg im Endeffekt der Verzicht.
Die Rolle der Schweiz im Goldhandel
60-70 Prozent des Goldes passieren die Schweiz. Sie ist der ideale Knotenpunkt für den Handel mit Gold aus einer mehr als fragwürdigen Herkunft, da anders als in den USA und der EU in der Schweiz keinerlei rechtliche Vorschriften bestehen, was die Kontrollen beim Import von Mineralien aus Konfliktgebieten angeht. Es sind mehrere Fälle bekannt, in denen Terrorgruppen wie der Islamische Staat (ISIS) dies ausnutzen, um sich mit dem Profit, den sie mit dem Goldhandel erzielen, zu finanzieren. Da es dies dringlichst zu vermeiden gilt, gleichzeitig aber dasselbe Gold auch in Deutschland auf dem Markt landet, stellt sich wieder die Frage: Muss es unbedingt Gold sein?
Skandale im Kleinbergbau
Rund 20-25 Prozent des weltweit geförderten Goldes stammen aus dem Kleinbergbau. 90 Prozent der Minenarbeiter:innen - sprich 20 bis 30 Millionen Menschen - finden hier eine Anstellung. Der Sektor ist dementsprechend für das Einkommen vieler von immenser Bedeutung. Doch das Goldgeschäft bringt nicht selten menschenunwürdige und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen mit sich: Die Rechte indigener Völker werden keines Blickes gewürdigt, Kinder werden ausgebeutet und Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter werden missachtet. Zwar gilt dies nicht nur für den Kleinbergbau, doch sind Sklaverei, Prostitution und Menschenhandel besonders in dieser Branche keine Seltenheit sind.
Die Ausmaße des illegalen Goldgeschäfts
Den Berechnungen der Geo-Plattform zufolge, die mitunter vom WWF, der Oswaldo Cruz Foundation und der Amazonian Scientific Innovation erstellt wurde, gibt es im Amazonasgebiet aktuell mehr als 2.500 illegale Goldminen, wobei allein dadurch jährlich insgesamt 30 Tonnen Quecksilber in die Umwelt. Meistens gelangt das gesamte verwendete Quecksilber nämlich ungefiltert in die Atmosphäre. Die Grenzwerte, die als sicher eingeschätzt werden, werden damit um ein 34-faches überschritten. Der Goldabbau im Amazonas nimmt zweifellos desaströse Ausmaße an und hinterlässt unglaubliche Verwüstung. Immer wieder findet man Mondlandschaften inmitten des artenreichen Urwalds.
Rund eine Tonne Erde und Gestein muss für ein Gramm Gold weichen – und mit der Erde auch die Bäume. Wenngleich Bergbau auf indigenen Boden und in Schutzgebieten illegal ist, wurden Goldbauanträge für eine Fläche von insgesamt 6,2 Millionen Hektar eingereicht.
Einzelnachweise und Weblinks
- https://www.wwf.de/2021/august/giftige-goldgier
- https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/mining/gold-mining
- https://www.wwf.de/2021/november/legal-oder-illegal-im-goldhandel-egal
- https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/amazonien/indigene-territorien-schuetzen/das-giftige-gold-des-amazonas