Das Leiden der Fichtenwälder

November 2023
Fotograf:in: Florian Rebmann, Copyright: CC0 Unsplash

Hitzewellen, Dürreperioden und Extremwetterereignisse stellen nicht nur eine Belastung für Menschen und Tiere dar, sondern auch Bäume und Wälder stehen vor erheblichen Herausforderungen. Die Schutzmechanismen, die sie entwickelt haben, um sich durch heiße Phasen und Trockenperioden zu helfen, erweisen sich als unzureichend gegen die rapide Vermehrung von Schädlingen und Krankheiten. Diese können unter extremen Bedingungen von Hitze und Trockenheit besonders gefährlich für Wälder werden.

Besonders gefährdet sind dabei die industriell gezüchteten Fichten-Monokulturen: Vor allem der Borkenkäfer, der sich in diesen Monokulturen massenhaft vermehren kann, schafft enorme Probleme.

Die Verdunstungskraft der Fichten

An einem Sommertag kann eine Fichte auf einem Quadratmeter Nadeloberfläche bis zu drei Liter Wasser verdunsten lassen, bei Laubbäumen ist dieser Wert sogar noch höher. Die Baumkronen übernehmen dabei die Funktion eines Motors, der einen kontinuierlichen Fluss von Wasser und Nährstoffen von den Wurzeln bis zum höchsten Punkt der Baumkrone erzeugt. Über spaltförmige Öffnungen an der Unterseite der Nadeln oder Blätter, entweicht einerseits Wasserdampf nach außen, andererseits wird Kohlendioxid aus der Luft aufgenommen, das die Bäume zum Wachsen benötigen.

Die bei der Verdunstung erzeugte Zugkraft variiert je nach Baumart. Sie reicht von einem Meter pro Stunde (bei den meisten Nadelbäumen) sowie bis zu 44 Metern (!) bei Eichen. Klar, dass für diese Prozesse ein entsprechender Nachschub an Wasser vonnöten ist.

Gegen vorübergehende Trockenphasen sind die Bäume zwar gerüstet, indem sie die Verdunstung drastisch reduzieren, dadurch, dass sie ihre Spaltöffnungen schließen. Allerdings geht damit zwangsläufig auch ein Ausbleiben des Wachstums und der Produktion von Reservestoffen einher, also Prozesse, die normalerweise für die Aufnahme Kohlendioxid verantwortlich sind.

Wenn diese Schutzmaßnahme nicht ausreicht, können zumindest Laubbäume vorzeitig ihr Laub abwerfen, um ihren Wasserbedarf weiter zu verringern. Das Resultat ist das vorzeitig herbstliche Erscheinungsbild mancher Wälder.

Die Kehrseite der Medaille

Bei besserer Wasserversorgung können sich die Bäume spätestens in der nächsten Vegetationsperiode von den Auswirkungen der Trockenperiode erholen.

Das Problem besteht vielmehr darin, dass Hitze und Trockenheit ideale Bedingungen für Parasiten schaffen, die normalerweise bei weniger extremen Wetterbedingungen keine oder zumindest eine deutlich geringere Rolle spielen. Borkenkäfer beispielsweise werden aktiv
ab einer Temperatur von 16° Celsius.

Ein Beispiel ist der Buchdrucker (Ips typographus), die hierzulande bedeutendste Borkenkäferart. Nach dem Hitzesommer 2015 führte der Buchdrucker im Norden Österreichs zu einem weitreichenden Absterben von Fichten. Die etwa fünf Millimeter großen Käfer und ihre Larven ernähren sich vom Gewebe, das die Nährstoffe des Baumes transportiert, und tragen so zu seinem Tod bei. Abhängig von Witterungsbedingungen und Höhenlage können die Insekten in einer Saison ein bis drei Generationen hervorbringen.

Buchdrucker und Kupferstecher

Der Buchdrucker ist der Fichte genauso angetan wie sein kleiner Verwandter, der Kupferstecher. Beide Bezeichnungen leiten sich von den charakteristischen Fraßbildern der Larven ab, die sich von den Fichten ernähren.

Die Käfer legen ihre Brut- und Fraßgänge unter der Rinde der Bäume an und verursachen Schäden am sogenannten Bast. Dieser Bast ist eine lebenswichtige Leitungsbahn für in Wasser gelöste Nährstoffe innerhalb der Bäume. Wenn dieses Gewebe stark beschädigt wird, verlieren die Bäume ihre Lebensfähigkeit und sterben ab.

Während der Buchdrucker hauptsächlich den unteren Stammteil von Fichten befällt, zeigt der Kupferstecher eher Interesse am oberen Teil des Baumes oder an jungen Bäumen, wo er dünne Rinde für seine Brut findet. Dies macht beide Borkenkäfer zu unerwünschten Bewohnern für die Forstwirtschaft.

Übrigens: Beim Buchdrucker und Kupferstecher handelt es sich lediglich um zwei von mehr als 150 in Europa bekannten Borkenkäferarten. Viele von ihnen können Ländergrenzen überwinden. Daher ist es nicht überraschend, dass immer wieder neue Arten auf verschiedenen Wegen in die Wälder gelangen und dort eine große Gefahr darstellen.

In Deutschland ist die Lage dieselbe wie in Österreich: In den Jahren von 2018 bis 2020 erlebte das Land drei aufeinanderfolgende Dürrejahre. Der Borkenkäfer verursachte die Vernichtung von Zehntausenden Hektar deutscher Fichtenbestände. Waldbrände in Brandenburg führten zeitweise dazu, dass Rauchschwaden bis nach Berlin-Mitte getrieben wurden.
Diese Situation hat eine Debatte über die Zukunft des Waldes ausgelöst. Ein möglicher Lösungsansatz soll darin bestehen, für jeden abgestorbenen Baum neue Exemplare zu pflanzen, um den Verlust kompensieren zu können. Doch ob dies in der Praxis auch effektiv ist, steht offen.

Ein Grund für das Bestehen riesiger Fichtenmonokulturen sind die sogenannten “Reparationshiebe”, die nach dem Zweiten Weltkrieg deutschlandweit stattfanden, um den Wiederaufbau zerstörter Städte in Großbritannien, Frankreich und der UdSSR zu unterstützen.

In den 1950er-Jahren begannen Förster, die gerodeten Flächen durch das Pflanzen von Millionen von Bäumen, hauptsächlich Fichten, zu ersetzen. Dies markierte den Beginn einer florierenden Forstwirtschaft im Sinne eines wirtschaftlichen Interesses, da diese Monokulturen im Gegensatz zu Mischwäldern ertragreicher sind.
Auch heute sind die Holzindustrie und ihre Nebenzweige nach wie vor ein Milliardengeschäft, das mehr als 700.000 Deutsche beschäftigt. Fast ein Drittel des Landes ist von Wald bedeckt.

Doch die Zukunft der Forstwirtschaft ist in höchster Gefahr: Der enorme Schädlingsbefall sowie vermehrte Dürreperioden versetzen die Wälder in Extremsituationen und reduzieren langfristig den Baumbestand.

Die Bundesregierung hat die Situation als nationale Krise eingestuft und stellt gemeinsam mit den Ländern rund 1,5 Milliarden Euro an Subventionen für Waldbesitzer bereit, um vom Borkenkäfer geschädigtes Totholz zu entfernen und Aufforstungsmaßnahmen zu unterstützen.

Eine Alternative: Die naturnahe Forstwirtschaft

Naturnahe Forstwirtschaft umgeht als Alternative herkömmliche Neuanpflanzungen und setzt stattdessen auf einheimische Arten. Durch das Belassen von Totholz und die selektive Ernte nur der reifsten Bäume wird versucht, das Ökosystem wilder Wälder nachzuahmen, ganz nach dem Motto "nature knows best”. Befürworter der konventionellen Waldbewirtschaftungsform halten die Aufforstungsmaßnahmen der Regierung für einen Fehler.

Statt mehr Bäume zu pflanzen, setzt sich die naturnahe Forstwirtschaft dafür ein, Totholz langsam verrotten zu lassen. Auf diese Weise werden dem Boden Nährstoffe zugeführt, was sowohl die Gesundheit als auch die Vielfalt der lebenden Pflanzen fördert. Dabei entsteht eine Kombination aus nicht verwandten Baumarten, was zur Folge hat, dass Schädlinge und Krankheitserreger weniger Material zur Ausbreitung finden, als bei reinen Fichtenmonokulturen.
Weitere Vorteile von Mischwäldern sind eine größere Artenvielfalt, nicht nur unter den Bäumen, sondern auch unter den Tieren und Pflanzen, da diese besser mit Licht, Nährstoffen und Wasser versorgt werden und somit auch klimatischen Veränderungen und Extremwetterereignissen besser trotzen können.

Natürlich gibt es auch Bedenken gegenüber solchen Ansätzen. Naturnahe Wälder können zwar ökologisch profitabel sein, erfordern jedoch von der Holzindustrie und den Forstwirten eine andere und weniger rentable Art des Wirtschaftens. Sägewerke sind beispielsweise darauf ausgelegt, schmale, gerade Fichtenstämme zu verarbeiten, nicht jedoch dicke, alte Eichen.

Der Blick in die Zukunft

Die Waldumbauoffensive 2030 strebt an, bis zum Jahr 2030 insgesamt 200.000 Hektar im Privat- und Körperschaftswald zukunftsfähig zu entwickeln. Hierfür soll die jährliche Waldumbaufläche von durchschnittlich 6.000 auf 10.000 Hektar erhöht werden. Der Erfolg dieser Maßnahme wird jedoch auch maßgeblich von der Witterung und den Waldschäden in den kommenden Jahren abhängen.

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