Tierschutz ist eines der zentralen Themen in Fragen der Nachhaltigkeit. Hierzu zählt auch die artgerechte Haltung von Nutztieren.
In diesem Artikel geben wir euch am Beispiel von Kühen einen kurzen Überblick darüber, was man unter der artgerechten Weidehaltung versteht und weshalb die Weidehaltung der Stallhaltung vorzuziehen ist.
Weidehaltung
Zunächst einmal muss zwischen tatsächlicher Weidehaltung und Weidegang unterschieden werden. Weidegang bedeutet, dass den Tieren regelmäßig Zugang zu Weideflächen gewährt wird. Was man unter dem Begriff “regelmäßig” versteht, ändert sich je nach Anforderungen an die Haltungsform und daraus entstehenden Produkten. So kennzeichnet das Label “Pro Weideland” beispielsweise Produkte, zu deren Herstellung die Tiere an mindestens 120 Tagen des Jahres für 6 Stunden pro Tag auf einer Weide stehen dürfen. Die deutschen Bio-Anbauverbände schreiben 150 bis 180 Tage im Jahr vor.
Bei der Weidehaltung stehen die Tiere hingegen nicht nur einige Stunden an bestimmten Tagen des Jahres im Freien, sondern werden mehrere Monate am Stück durchgehend auf der Weide gehalten.
Deutschland ist zwar einer der größten Milchproduzenten der EU und doch haben inzwischen trotzdem nur etwa 30% aller Tiere Zugang zu einer Weide – mit fallender Tendenz, da es 2010 noch knappe 40% waren.
Und das, obwohl Weidehaltung nicht nur viele Vorteile für die Tiere, sondern auch für das Klima hätte.
Hier erfahrt ihr mehr über die Haltungsformen von Tieren, wie sie durch das "Haltungsformen-Label" auf Verpackungen im Supermarkt ausgezeichnet sind.
Vorteile für die Kühe
Egal wie groß und geräumig ein Stall für die Tiere wäre; Weidehaltung bietet den Tieren bei weitem mehr Auslauf und Bewegungsfreiheit. So ist Weidehaltung insofern artgerechter als Stallhaltung, als dass es dem natürlichen Bewegungsmuster der Tiere entspricht und sowohl Gelenken als auch ihrer Muskulatur guttut.
Auch reinigt frisches Gras die Klauen der Tiere, was das Risiko von Infektionskrankheiten reduziert.
Tiere in Weidehaltung sind außerdem für gewöhnlich um einiges sauberer, was die Gesundheit und Krankheitsabwehr der Tiere unterstützt.
In der Weidehaltung ist sogar ein Rückgang an Lähmungserscheinungen zu verzeichnen, an denen manche Tiere in Stallhaltung leiden.
Nicht nur, dass frisches Weidegras die Tiere ideal mit den benötigten Nährstoffen und Vitaminen versorgt, auch die Risiken durch aufgrund schlechter Lagerung verdorbenen Futters verringern sich durch die Weidehaltung enorm.
Etwa 80% der Milchkühe in Europa tragen keine Hörner mehr, da diese ihnen aufgrund der Unfallgefahr – besonders in Ställen – abgenommen werden. So werden jährlich rund 1,4 Millionen Kälber in Deutschland enthornt – eine Prozedur, unter der viele der Tiere stark leiden. Denn zum einen sind die Hörner eigentlich ein wichtiger Bestandteil des Sozialverhaltens und auch der Kommunikation der Tiere, der ihnen durch die Enthornung genommen wird. Zum anderen können auch physische Schmerzen durch die Enthornung entstehen. So dürfen die Kälber beispielsweise bis zum Alter von 6 Wochen ohne Betäubung enthornt werden. Nur Beruhigungs- und Schmerzmittel sollen zum Einsatz kommen. Doch nicht nur die Enthornung selbst ist fragwürdig. Der Studie eines Forscherteams in Bern zufolge litten 38% der Versuchstiere auch drei Monate nach der Prozedur noch unter Schmerzreaktionen bei nur leichten Berührungen des Kopfes.
Auch in diesem Fall ist die Weidehaltung der Stallhaltung vorzuziehen, da die Rinder im Falle der Weidehaltung ihre Hörner meist behalten dürfen.
Vorteile für das Klima, die Artenvielfalt und die Natur
Weidehaltung erweist sich aus mehreren Gründen als umweltfreundlicher als Stallhaltung.
So ist sie z.B. ressourcenschonender, da sowohl die Energiekosten als auch der Arbeitsaufwand zur Fütterung und Versorgung der Tiere geringer ausfallen. Als Futter werden bei der Weidehaltung nämlich natürlich nachwachsende Ressourcen verwendet und sogar die Ausscheidungen der Tiere helfen dem Ökosystem sowie der Biodiversität als natürlicher Dünger und Lebensraum für Insekten und kleinere Organismen.
Nachhaltiges Weidemanagement vergrößert außerdem die Wurzelmasse der Weidepflanzen, was die Wasseraufnahme der Pflanzen verbessert, was langfristig gesehen sogar gegen Dürreperioden helfen kann.
Auch ist der allgemeine Ausstoß von CO2-Emissionen bei Weidehaltung gegenüber Stallhaltung um einiges geringer. Zum einen speichert Grünland – besonders nach angeregtem Wurzelwachstum der Pflanzen – einiges mehr als Acker- oder sogar Waldland.
Während die Futterproduktion in konventionellen Milchbetrieben für etwa 20 bis 35% des gesamten CO2-Ausstoßes in der Milchproduktion verantwortlich ist, verringern sich in Betrieben, die auf Weidehaltung setzen, die Angaben auf 6 bis 20%.
Einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes vom Öko-Institut zusammen mit INFRAS und KTBL zufolge erzielt die Weidehaltung gegenüber der Stallhaltung in folgenden Kategorien bessere Werte: Wasserverbrauch, Belastungen des Wassers und Bodens durch Nitrate oder Phosphor sowie die Belastung von Menschen und Umwelt aufgrund von Chemikalien.
Im Übrigen weisen einige Studien Weidemilch eine für Menschen bessere Fettsäurezusammensetzung zu als Milch, die von Tieren in Offenstallhaltung stammt.
Nachteile von Weidehaltung
Zu den vielen Vorteilen der Weidehaltung gesellen sich jedoch auch ein paar Nachteile. Zum Beispiel können Tiere in Weidehaltung weniger regelmäßig beobachtet und auf Krankheiten untersucht werden.
Um die Weidehaltung jedem Tier in Deutschland zu ermöglichen, ohne das Weideland zu übernutzen, müssten beim jetzigen Stand der Landwirtschaft in Deutschland außerdem die Bestandszahlen der Tiere verringert werden und die maximale Größe der Betriebe müsste reduziert werden.
Fazit
Trotz mancher Defizite in der Weidehaltung ist diese dennoch eine deutlich umwelt- und tierfreundlichere Variante der Tierhaltung und damit der Stallhaltung vorzuziehen.
- https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/weidehaltung-gut-fuer-kuehe-klima-und-artenvielfalt/
- https://green-lifestyle-magazin.de/warum-weidehaltung-die-bessere-wahl-ist-alle-vorteile-fuer-tiere-und-umwelt/
- https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/umweltbilanz-von-milch-weidehaltung-schlaegt
- https://progressive-agrarwende.org/nachhaltige-weidehaltung-innovationsschub-als-schluessel/
- https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/weidehaltung-und-gruenlandbasierte-produktion-heimischer-futtermittel/
- https://www.oekolandbau.de/bio-im-alltag/einkaufen-und-kochen/produktinfos/lebensmittel/milchprodukte/bio-milch-und-weidemilch-was-ist-der-unterschied/
- https://www.swr.de/swr2/wissen/warum-kuehe-hoerner-brauchen-swr2-wissen-2020-08-11-102.html