Wie unsere Räume wieder Natur werden: Living Walls

Juni 2022
Eine “Living Wall” an der Guildford Mall in Surrey.
Eine “Living Wall” an der Guildford Mall in Surrey. - Fotograf:in: waferboard

Pflanzenwände - eine alte Idee neu gedacht

Living Walls (auch Green Walls genannt), das ist eine der bekannteren Erfindungen der letzten Jahrzehnte um ein grünere Innenräume zu gestalten - dabei ist die Idee schon viel älter: Allein das Beispiel der hängenden Gärten von Babylon zeigt, dass Menschen schon seit sehr langer Zeit mit vertikalem Pflanzenanbau beschäftigen.

Grüne Wände im weiteren Sinne wurden daher auch schon oft (an)gebaut. Eine einfache Variante kennen wir heute noch: Der Bewuchs mit Efeu oder anderen Kletterpflanzen prägt auch viele moderne Bauten oder solche, die die Natur sich zurückerobert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts interessierte sich die Jugendstil-Bewegung in der Architektur besonders für das Zusammenspiel von Pflanzen und Mauern: Gemäß des Stils dieser Bewegung wurden kletternde Pflanzen eingesetzt um die Übergänge von Natur zu Gebäude fließender, natürlicher zu gestalten.

Dieses Jugendstilhaus hat zwar keine bewachsenen Wände, zeigt aber den Hang der Bewegung zur Verwendung von Pflanzen als Bindeglied zwischen Gebäude und Erde.

Erst 1988 meldete Patrick Blanc dann das Patent für die modernen Living Walls an, die inzwischen weltweit an Hauswänden, innen und außen, zu finden sind. Im selben Jahr baute er das erste Exemplar am Museum der Wissenschaften und der Industrie in Paris.

Seitdem erklimmen dank seiner Erfindung, die mehr als nur ein einfaches Klettergerüst für Pflanzen ist, nach und nach immer mehr Pflanzen die Wände vieler Gebäude auf der ganzen Welt.

Eine der von Patrick Blanc installierten Green Walls in Chaumont-sur-Loire's Gartenfestival.

Die Technik dahinter


Doch wie genau funktioniert nun eigentlich eine Living Wall? Es kann grob in zwei Typen unterschieden werden: Panels/modulare Systeme sowie Trog-Systeme.

Panels/Modulare Systeme

In dieser Variante entsteht die Living Wall durch das Anbringen/Aufhängen bepflanzter Panels, in denen anstatt Erde ein anderes Nährmaterial verwendet wird. Eine Möglichkeit, wie diese Panels gebaut werden könnten, wäre so:
Die Wand(seite) besteht zunächst aus stabilen Holzstützen. Daran wird eine Unterlagsplatte angebracht, die aus kompaktem Sperrholz oder PVC-Platten besteht. Darüber liegt eine sogenannte Drainagematte, also eine Schicht, die Wasser aufnimmt. Die ist dazu gedacht, Wasserschäden am Gebäude zu verhindern, sollten die Bewässerungsschläuche einmal undicht sein. Als nächstes kommt der eigentliche Nährboden: Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten – alle mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen. Sehr beliebt ist zum Beispiel das Dämmmaterial Steinwolle, das allerdings nicht einwandfrei im Hinblick auf Gesundheit und Recycling ist. Darin werden Vertiefungen geschaffen, in denen die Pflanzen wachsen können und stabilisiert werden.

Steinwolle im Einsatz, um Pflanzen auch ohne Erde am Leben zu erhalten.

Über Pumpen, die Wasser und Nährstoffe aus einem Reservoir transportieren, werden die Pflanzen dann am Leben gehalten. Natürlich spielen noch mehr Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel Anordnung oder Typ der Pflanzen sowie das Licht - aber das gilt schließlich für alle Orte, an denen Pflanzen wachsen.

Trog-Systeme

Diese Systeme unterscheiden sich von den Panels vor allem dadurch, dass sie mit Erde arbeiten. Diese wird zusammen mit den an einem anderen Ort gewachsenen Pflanzen in den “Trog” gefüllt, der im Gegensatz zu den üblichen Gartenkästen (siehe Bild unten) sozusagen um die Ecke geht: Die Erde wird nicht nur am Boden aufgefüllt, sondern (so gut es eben geht) auch an der Rückwand. Damit nichts herausfällt, sind diese Tröge an den Rändern mit überlappenden Elementen ausgestattet.

Im Gegensatz zu diesen klassischen umrahmten Hochbeeten haben die Living Wall Trogsysteme eine in die Höhe gehende Rückseite.

Bewässerung

Da solche Systeme vom Erdboden abgeschnitten sind und oft auch unter Dächern stehen, müssen alternative Bewässerungsmethoden her, schließlich fallen Regen und Bodenfeuchtigkeit weg oder sind ungenügend.

In Kombination mit Panels werden vor allem Pumpen verwendet, die an die Wasserleitungen eines Gebäudes angeschlossen werden. An der Oberseite der Panels ist dann eine sogenannte “drip line” angebracht, über die das hochgepumpte, mit Nährstoffen angereicherte Wasser in das Medium (etwa die Steinwolle) gelangen kann. Dort kann die Flüssigkeit dann durchsickern und alle Pflanzen erreichen. Das ist natürlich nur eine Möglichkeit, automatische Bewässerung umzusetzen: Es gibt auch noch viele andere und komplexere Techniken.

Für Trogsysteme und andere freistehende Living Walls, die nicht irgendwo angeschlossen werden können, ist manuelle Bewässerung nötig. Die Tröge funktionieren dabei als eine Art Tank, in dem für eine zeitlang Wasser gespeichert werden kann (ganz ähnlich zum klassischen Blumentopf). Daher wird diese Art der Bewässerung auch “tank system” genannt.

Weitere Konfiguration

Es gibt viele Parameter, die man einstellen kann. Dazu gehört vor allem das Licht: Ist genug Sonnenlicht vorhanden oder braucht es künstliche Beleuchtung? Hat man ästhetische Ansprüche (etwa im Rahmen eines größeren Raumkonzeptes), wenn ja, wie wichtig sind diese?

Stilvoller Einsatz einer Living Wall in einem Badezimmer.

Zudem kann - wie beim Anlegen eines Gartens - über Form, Pflanzentypen und Platzierung entschieden werden. Eine Bildersuche zeigt schnell, dass es viele verschiedene inspirierende kreative Muster und Anordnungen gibt, die man wiederum genauso auf den Rest des Raumes abstimmen kann.

Grün ist gesund!

Living Walls - das belebt nicht nur die Ästhetik, sondern auch die Gesundheit! So beschreibt der Bundesverband GebäudeGrün e.V. eine ganze Reihe von Vorteilen:

Aufenthaltsqualität. Nicht nur führen die Wände eine neue Palette kreativer Gestaltungsmöglichkeiten ein, Auswirkungen grüner Wände wie Temperaturausgleich, Luftbefeuchtung, Geräuschreduktion und Geruchsverbesserung tragen zudem ganz explizit zu weniger Stress und mehr Wohlbefinden bei.

Raumbildung. Durch den Einsatz eines solch speziellen und Aufmerksamkeit lenkenden Elementes wie einer Living Wall, verändert sich auch unsere Raumwahrnehmung: Eine grüne Wand kann Blickschutz und Abgeschirmtheit erzeugen, wenn sie freistehend zur Raumtrennung eingesetzt wird. Oder es können Akzente gesetzt werden, die einem Raum mehr Charakter geben und ihn damit aufwerten.

Verbesserung der Luftqualität. Da Pflanzen Sauerstoff produzieren und bestimmte Schadstoffe abbauen, tragen sie auch zur Reduktion von stickiger Luft bei. Man sollte nur aufpassen, wenn man Living Walls im Schlafzimmer anbringen möchte: Einige Menschen plagt der Geruch bestimmter Pflanzen und manche bekommen sogar Kopfschmerzen.

Vermeidung von Überhitzung. Pflanzen reagieren nicht nur auf ihre Umgebung, sondern beeinflussen sie auch, geben Stoffe an sie ab. Ein weiterer Effekt einer Living Wall ist die Abkühlung des Raumklimas durch Schatten und Verdunstung.

Motivation. Laut des GebäudeGrün-Vereins lassen sich eine Reihe psychologischer Faktoren identifizieren, die von Living Walls mitverursacht werden und die Motivation befördern sollen. Die grünen Mitbewohner wirken gegen Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Erkältungen, Allergien, das sogenannte Sick Building Syndrom und sind beruhigend anzusehen sowie stressmindernd.

Living Walls an den eigenen vier Wänden

So viele Vorteile - wer kann da nicht mit der Idee liebäugeln, eine Living Wall im eigenen Umfeld aufzubauen?

Das ist nicht nur möglich, sondern wurde auch schon vielfach gemacht und erprobt. Es gibt ausführliche Ratgeber und Webblogs, die über alle wichtigen Aspekte wie Grundprinzip, Voraussetzungen zum Pflanzenwachstum oder technische Details informieren.

Wer einfach beginnen möchte: Mit einer alten Palette oder einer kleinen zusammengezimmerten Box lässt sich schon viel anfangen. Fehlt nur noch ein Medium wie Steinwolle, dazu ein paar Pflanzen, und schon kann es losgehen! Zum Testen kann man schließlich auch erstmal manuell begießen.

Für Innenräume oder den Arbeitsplatz ist sicherlich die fachgerechte Installation durch eine Firma besser: Wegen der Bewässerung muss nämlich auch auf ausreichende Absicherung gegen Wasserschäden geachtet werden. Prinzipiell könnte der Vorschlag einer Living Wall am Arbeitsplatz aber vor allem bei einem größeren Arbeitnehmer Wurzeln schlagen: Nicht nur ist die Erfindung gerade voll im Trend, sie ist, wie oben auch gesehen, wunderbar geeignet zur Steigerung der Arbeitsmoral.

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