Bald mehr Kriebelmücken in Deutschland?

April 2024
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In jüngster Zeit mehren sich die Beobachtungen und Studien, die eine zunehmende Präsenz der Kriebelmücke in Deutschland verzeichnen. Diese winzigen Insekten, bekannt für ihre schmerzhaften Stiche, könnten aufgrund verschiedener ökologischer und umweltbedingter Veränderungen in immer mehr Regionen Deutschlands heimisch werden.

Kriebelmücke: Steckbrief

Weibliches Insekt aus der Familie der Kriebelmücken.

  • Wissenschaftlicher Name: Simuliidae
  • Größe: 2 bis 6 Millimeter
  • Farbe: Blaugrau bis schwarz, manchmal mit einem metallischen Glanz
  • Körperbau: Kleiner, buckliger Körper mit einem kurzen Saugrüssel; bei Weibchen zusätzlich mit scharfen Beißwerkzeugen ausgestattet
  • Flügel: Glasklar bis rauchig getrübt, breit und kurz, mit abgerundet ovaler Form
  • Lebensraum: Vorwiegend in der Nähe von stehenden oder langsam fließenden Gewässern wie Flüssen und Bächen
  • Ernährung: Weibchen benötigen Blut für die Eiproduktion, ernähren sich aber auch von Nektar; Männchen ernähren sich ausschließlich von Nektar
  • Fortpflanzung: Weibchen legen ihre Eier in oder nahe am Wasser ab, wo sich die Larven entwickeln

Woher kommt sie?

Die Kriebelmücke stammt ursprünglich aus bestimmten Regionen Europas und Asiens. Weltweit gibt es rund 2.000 Arten, in Deutschland mehr als 50. In Deutschland sind Kriebelmücken seit Langem in der hiesigen Fauna heimisch. Sie leben bevorzugt im ländlichen Bereich nahe Flüssen und Bächen und legen im Frühling ihre Eier ab. Kriebelmückenlarven gedeihen besonders gut bei hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit.

Ökologische Ansprüche werden durch Klimawandel und den Menschen erfüllt

Künstlich erzeugte Agrarflächen, die oft überflutet werden, bieten optimale Brutmöglichkeiten für Kriebelmücken.

Die Kriebelmücke hat spezifische ökologische Bedürfnisse, die normalerweise durch natürliche stehende oder langsam fließende Gewässer erfüllt werden. Vom Menschen künstlich veränderte Landschaften bieten zunehmend Orte mit solch günstigen Lebensbedingungen an:

  • Künstliche Wasserbecken:
    Dazu gehören Bewässerungskanäle, Teiche, Stauseen oder Wasserreservoirs in landwirtschaftlichen oder urbanen Gebieten.
  • Überflutete landwirtschaftliche Flächen:
    Insbesondere bewässerte Agrarflächen, die regelmäßig überflutet werden, schaffen ideale Brutplätze für die Kriebelmückenlarven.
  • Städtische Gebiete:
    Stadtlandschaften mit Parkanlagen, künstlichen Teichen, langsamen Fließgewässern oder Regenwassersammelbecken können ebenfalls attraktiv für Kriebelmücken sein.
  • Entwaldete oder gerodete Gebiete:
    Die Veränderung natürlicher Landschaften durch Abholzung und die anschließende Entstehung von Pfützen oder kleinen Teichen in diesen Bereichen kann zu neuen Brutstätten für Kriebelmücken führen.

Zunehmende Verbreitung durch Klima- und Landnutzungswandel

Fachleute an der Goethe-Universität und am Senckenberg Zentrum für Biodiversität und Klima in Frankfurt haben die Verbreitung von Kriebelmücken in verschiedenen Bundesländern wie Sachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz untersucht. Aktuell werden die Verhaltensmuster von zwölf gängigen Arten der insgesamt 57 in Deutschland identifizierten analysiert. Sie wurden in Kategorien eingeordnet, die von Flussbewohnern bis hin zu in den in Tiefländern lebenden Arten reichen. Letzteres meint jene Arten, die an Lebensräume in flachen, oft landwirtschaftlich genutzten oder feuchten Gebieten angepasst sind. Im Gegensatz dazu gibt es noch Arten, die vornehmlich in bergigen oder stark strömenden Flussgebieten leben.

Die Studie der Forschenden prognostiziert auf Basis des fortschreitenden Klima- und Landnutzungswandels verschiedene Trends in der Populationsentwicklung dieser Mücken. Während Mückenarten die an Flussufern leben durch steigende Temperaturen und Umweltbelastungen bedroht sind, scheinen sich die Arten der Tiefebenen widerstandsfähiger gegenüber diesen Veränderungen zu zeigen. Es wird erwartet, dass insbesondere die in den Tiefebenen beheimateten Arten zukünftig in der Anzahl zunehmen werden.

Diese Kategorie umfasst auch Arten, die aufgrund ihres aggressiven Verhaltens gegenüber Säugetieren und Menschen bekannt sind und oft in großer Anzahl vorkommen. Höhere Temperaturen könnten die Entwicklungszeiten verkürzen, was zu mehreren Generationen pro Jahr und somit zu einer Zunahme der Kriebelmückenpopulation führen könnte.

Welche Gefahren gehen von ihr aus?

Besonders bedenklich ist, dass unter den Tieflandarten auch solche sind, die gesundheitliche Risiken für den Menschen bergen. Die schwarz gefärbten Insekten, die auf den ersten Blick harmlose Stubenfliegen ähneln, werden wegen ihrer schmerzhaften Stiche gefürchtet. Weibchen dieser Arten schürfen die Haut auf, um an das Blut zu gelangen, wobei sie Substanzen einbringen, die Blutgerinnung und Schmerzempfinden hemmen. Laut Sven Klimpel von der Universität Frankfurt können diese in die Bisswunde eingebrachten "antikoagulierten und anästhesierenden Stoffe" für allergische Reaktionen verantwortlich sein. Kriebelmückenbisse verursachen außerdem Juckreiz und können Entzündungen, allergische Reaktionen oder sogar Blutvergiftung auslösen. Die Tiere besitzen zudem die Fähigkeit, als Vektoren zu fungieren, das bedeutet, sie können Erreger von Infektionskrankheiten übertragen. In Deutschland ist die Übertragung von Krankheiten durch Kriebelmücken jedoch eher selten.

Ein bekannter von Kriebelmücken verbreiteter Krankheitserreger ist der in Afrika beheimatete Fadenwurm (Onchocerca volvulus), Verursacher der sogenannten Flussblindheit. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat diese Krankheit weltweit zu mehr als 1,15 Millionen Fällen von Sehverlust geführt.

Kriebelmücke bereitet sich auf das Blutsaugen vor.

Kriebelmücken sind hauptsächlich in den Monaten Mai bis September aktiv und wählen ihre Opfer, darunter Pferde, Kühe und Menschen, basierend auf Geruchssignalen aus, wobei sie besonders von Schweiß angezogen werden. Sie setzen ihre scharfen Mundwerkzeuge ein, um zuzubeißen.

Sie brauchen etwa ein bis zwei Minuten für eine Mahlzeit, bevorzugen dabei dünne Hautstellen wie hinter den Ohren, an den Leisten oder Knöcheln. Interessanterweise benötigen nur die Weibchen Blut für die Eiproduktion und ernähren sich sonst von Nektar, genauso wie die Männchen.

Erkennen eines Kriebelmückenbisses

Nach einem Biss der Kriebelmücke zeigt sich typischerweise ein roter, juckender Punkt oder eine Schwellung an der betroffenen Stelle, die schnell schmerzhaft werden kann. Da die Bisswunde offen ist, besteht ein hohes Risiko für Verunreinigungen, was zu Entzündungen führen kann. Daraus resultieren oft Rötungen, Schwellungen und mit Eiter gefüllte Bläschen. In schweren Fällen kann dies zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Oft ist eine antibiotische Behandlung erforderlich. Bestenfalls sollte ein Biss vom Arzt beobachtet werden.

Wie du dich vor Kriebelmücken schützt

In eurem Zuhause seid ihr normalerweise vor Kriebelmücken sicher, denn diese Insekten bevorzugen vorwiegend natürliche Außenbereiche, besonders in der Nähe von Gewässern. Wenn ihr euch in Gewässernähe aufhaltet, solltet ihr lange Kleidung und geschlossene Schuhe tragen, um Bisse zu vermeiden. Spezielle Anti-Mücken-Socken können zusätzlichen Schutz bieten, diese erweisen sich als wirksam gegen Kriebelmücken. Um die Insekten fernzuhalten, können auch Duftkerzen oder getränkte Tücher mit ätherischen Ölen wie Lavendel, Citronella, Zitrus oder Eukalyptus hilfreich sein.

Eine wachsende Herausforderung

Die zunehmende Verbreitung der Kriebelmücke in Deutschland ist ein Phänomen, das unsere Aufmerksamkeit auf die Veränderungen in Ökosystemen lenken sollte, die wir Menschen mit unserer unbedachten Lebensweise hervorrufen. Die Veränderungen in Klima und Landnutzung bieten der Kriebelmücke neue Lebensräume und fordern von insbesondere im Gesundheits- und Umweltbereich eine angepasste Reaktion. Monitoring und Forschung sind entscheidend, um die Dynamik ihrer Ausbreitung zu verstehen und geeignete Maßnahmen zu entwickeln, die sowohl die öffentliche Gesundheit schützen als auch das ökologische Gleichgewicht bewahren.

Das Forschungsteam der Goethe-Universität und des Senckenberg Zentrums für Biodiversität und Klima plant, in zukünftigen Studien durch Laborexperimente zu untersuchen, inwieweit Kriebelmücken in der Lage sind, Krankheitserreger unter den in Europa vorherrschenden Bedingungen zu übertragen.

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