Schiffsabwracken: Eine Billionen-Dollar-Industrie mit dunklen Schattenseiten

Mai 2024
Fotograf:in: william william, Copyright: CC0 Unsplash

Die weite Küstenlinie von Bangladesch ist bekannt für ihre natürliche Schönheit, doch sie beherbergt auch eine weniger idyllische Szene: riesige Containerschiffe, die hier ihren letzten Hafen anlaufen. Das Zerlegen dieser kolossalen See-Fahrzeuge in ihre Einzelteile hat sich dort zu einer bedeutenden Einkommensquelle entwickelt und bietet tausenden Menschen Arbeit. Doch dieser Wirtschaftszweig birgt ernste ökologische und humanitäre Risiken. Während das Recycling von Materialien ein zentraler Bestandteil nachhaltiger Wirtschaftspraktiken ist, wirft die Art und Weise, wie es in Bangladesch geschieht, viele Fragen auf.
Können die Vorteile des Recyclings die Kosten an Umweltverschmutzung und gesundheitlichen Risiken für die Arbeiter aufwiegen? Dieser Artikel beleuchtet die Realität des Schiffabwrackens und seine weitreichenden Konsequenzen für uns alle.

Der Ort des Grauens: Chittagong

Die Schönheit der Küste von Bangladesch hat auch ihre Schattenseiten: Seit Jahrzehnten werden hier beim Zerlegen von Schiffen Tag für Tag Menschenleben aufs Spiel gesetzt!

Nördlich der Stadt Chittagong erstreckt sich entlang der Küste des Golfs von Bengalen eine zwölf Kilometer lange Zone, in der über 80 Abwrackbetriebe angesiedelt sind. Jeder dieser Betriebe ist durch hohe Zäune mit Stacheldraht gesichert und wird von Sicherheitsdiensten bewacht. Vor einigen Jahren kamen bei einer Explosion mehrere Arbeiter ums Leben, was in heftiger Kritik endete. Den Eigentümern wurde vorgeworfen, Profit über Sicherheit zu stellen. Seitdem ist der Zutritt für Außenstehende stark eingeschränkt, wenngleich der Zugang vom Meer nicht kontrolliert werden kann. Auch fotografieren ist hier strengstens verboten – was nicht direkt für die Konzerne spricht.

Weltweit befahren rund 44.000 Hochseeschiffe die Ozeane, von denen jedes Jahr etwa 700 verschrottet werden. Diese umfassen Frachter, Kühlschiffe, Großfähren, Tanker, Passagierschiffe und Kriegsschiffe. Allein das Recycling jedes dieser Schiffe bringt zwischen 0,75 und 1,5 Millionen US-Dollar ein, was diesen Markt auf einen Umsatz von rund eine Milliarde US-Dollar jährlich bringt. Allerdings variieren diese Zahlen stark: Beispielsweise wurden die drei 1976 gebauten Tanker Boree, Once und Chaumont für 7,4, 6,25 und 6,01 Millionen US-Dollar an Abwracker in Bangladesch und China verkauft.

Schiffe wie die V Europe (Marshall-Inseln), Front Breaker (Komoren), oder Glory B (Panama) haben oft 25 bis 30 Jahre lang gedient. Mit der Zeit werden sie durch die hohen Kosten für Versicherung und Betrieb zunehmend unrentabel. Was von Wert bleibt, sind Stahl, Maschinen und Ausrüstung. Diese Schiffe, die für die extremen Bedingungen der offenen Meere gebaut wurden, enthalten oft gefährliche Materialien wie Asbest oder Blei. In den Industrienationen gibt es strenge Vorschriften für das Abwracken, was es dementsprechend zu teuer macht. Deshalb wird dieser Prozess hauptsächlich in Bangladesch, Indien und Pakistan durchgeführt, wo die Löhne niedrig und die Kontrollen minimal sind.

Obwohl Bemühungen unternommen werden, diese Industrie zu regulieren, bleibt die Situation weiterhin angespannt. Während in Indien inzwischen strengere Schutzmaßnahmen für Arbeiter und Umwelt gelten, ist die Situation in Bangladesch immer noch umweltschädlich und extrem gefährlich für Arbeiter:innen ist.

Fazit: Ein durchschnittliches Schiff kann innerhalb von drei bis vier Monaten einen Gewinn von einer Million Dollar einbringen, vorausgesetzt, mehr als 90 Prozent des Schiffes können wiederverwertet werden.

Der Prozess des Abwrackens

Die Riesen-Schiffe werden in alle Einzelteile zerlegt, bis nur noch das "Skellett" übrig ist, welches dann mühhsam per Hand zerstückelt wird.

Der Abwrack-Prozess beginnt damit, dass eine Firma einem internationalen Makler ein ausgedientes Schiff abkauft. Sobald das Schiff am Strand ankommt, werden alle Flüssigkeiten wie Dieseltreibstoff, Maschinenöl und Chemikalien abgepumpt und verkauft. Dann werden Antrieb und Ausrüstungsgegenstände demontiert und entsprechenden Händler überlassen. Dazu gehören große Maschinen, Generatoren, Batterien und Kilometer von Kupferleitungen sowie Mannschafts-Kojen, Bullaugen, Rettungsboote und elektronische Anzeigeinstrumente.

Wenn nur noch die stählerne Hülle des Schiffes übrig ist, folgt halsbrecherische Knochenarbeit: Arbeiter aus den ärmsten Regionen Bangladeschs zerlegen das Skelett nur mit Schneidbrennern in transportable Stücke. Diese werden zum Ufer getragen, eingeschmolzen und zu Betonstahl für Baustellen verarbeitet.

Auf den ersten Blick scheint dies ein profitables Geschäft zu sein, aber die Realität sieht ganz anders aus. Giftige Substanzen sickern in den Boden und junge Männer verlieren ihr Leben durch herabfallende Stahltrümmer oder ersticken im Inneren der Schiffe.
Die Branche wird von mächtigen Familien in Chittagong kontrolliert, die auch an den weiterverarbeitenden Betrieben bis hin zu den Schmelzöfen beteiligt sind.

Die Schadstoffe, die dabei entstehen

Es ist kein Geheimnis: Ein Hochseeschiff ist eine schwimmende Giftmülldeponie. Schiffe aus den 1970er Jahren bergen bis zu sechs Tonnen Asbest, ebenso wie PCBs (Polychlorierte Biphenyle: langlebige chlorierte Kohlenwasserstoffe, können sich in der Nahrungskette anreichern und sind potenziell krebserregend) und eine Vielzahl giftiger Schwermetalle wie Cadmium, Arsen, Blei, Chrom, Kupfer und Zinkverbindungen. Die Außenwände unter der Wasserlinie dieser Schiffe sind mit toxischen Antifoulingfarben gestrichen, die Tributylzinn (TBT) enthalten.

Jedes Jahr werden etwa 500 dieser Schiffe von barfüßigen Arbeitern auseinandergenommen. Die toxischen Materialien, die in diesen Schiffen verbaut sind, stellen eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Arbeiter dar. Aufgrund mangelnder Vorschriften gelangen viele der Schadstoffe außerdem auf direktem Wege in die Natur.

Trotz ihres ökonomischen Nutzens, muss die Abwrackindustrie dringendst reformiert werden, inklusive fairen Löhnen, sicheren Arbeitsbedingungen uvm.!

Fazit: Die Abwrack-Industrie bietet zwar zahlreiche Arbeitsplätze, aber sie muss sauberer und sicherer werden. Die Arbeiter müssen besser behandelt werden. Auch die westlichen Länder tragen Verantwortung: Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen in ärmeren Ländern ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren müssen, um die ausrangierten Schiffe der Industrieländer zu entsorgen. Während die Strände im Westen geschützt sind, wird die Verschmutzung und Gefährdung der Arbeiter in Ländern wie Bangladesch stillschweigend hingenommen bzw. totgeschwiegen.

  • https://mortenundrochssare.de/chittagong-abwracken-bangladesch/
  • https://jungle.world/artikel/2019/18/schrott-am-strand
  • https://www.nationalgeographic.de/umwelt/schiffe-verschrotten-in-bangladesch
  • https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/luft/luftschadstoffe/pops/pcb
  • https://www.dieter-kloessing.com/bangladesh-chittagong.html
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