Sind E-Scooter umweltschädlich?

August 2024
Copyright: Bild von icsilviu auf Pixabay

Seit 2019 sind E-Scooter – elektrisch betriebene Roller – auf Deutschlands Straßen unterwegs. Und schon seit 2019 wird sowohl die Nützlichkeit der flotten Fortbewegungsmittel als auch ihre Ökobilanz und Umweltfreundlichkeit heftig diskutiert.
Während die einen den Scooter als perfekte Ergänzung für den öffentlichen Nahverkehr sehen, kritisieren andere die kurze Lebensdauer und die Mengen an Elektroschrott, die durch ausrangierte Roller entstehen. Praktisches und klimaneutrales Fortbewegungsmittel oder doch nur umweltschädigender Trend? Was ist dran an den Behauptungen und wie umweltfreundlich sind E-Scooter tatsächlich?

Ambivalenz bei E-Scootern

Grundsätzlich lässt sich schon durch eine schnelle Internetrecherche feststellen, dass es auf die Frage der Nachhaltigkeit bei E-Scootern scheinbar keine einheitliche Antwort gibt. Je nach Quelle und Fokuspunkten einzelner Artikel – sei es zur Herstellung der Scooter oder deren CO2-Bilanz – stößt man auf die unterschiedlichsten Hypothesen und Schlussfolgerungen. Im Folgenden werden die am häufigsten diskutierten Fragenrund um E-Scooter und deren Umweltverträglichkeit begutachtet.

Hier gibt es übrigens allgemeine Fakten zu E-Scootern für euch zusammengefasst.

CO2-Bilanz von E-Scootern

Viele E-Scooter-Verleihstellen werben mit der Emissionsfreiheit ihrer Fahrzeuge. Dass diese nicht ganz so grün ist wie man glauben möchte, zeigt jedoch eine Studie der University of North Carolina, welche die Emissionsbilanz von Leih-E-Scootern in Amerika untersucht hat und unter anderem von Quarks auf ihrer Webseite vorgestellt wird. Laut der Studie müsse für jeden Passagier pro Fahrt mit etwa 88-126 Gramm CO2 pro Passagier je Kilometer gerechnet werden. Zwar sind die tatsächlichen Fahrten, die mit den Scootern getätigt werden, emissionsfrei, da der direkte Ausstoß von CO2 während der Fahrten vermieden wird, doch die Materialgewinnung und Herstellung der Scooter ist es nicht.

  • Alleine durch diese zwei Faktoren entstehen etwa 50% der Emissionen von E-Scootern. Insbesondere die Herstellung der Aluminiumrahmen und der Lithium-Ionen-Akkus trägt zur Belastung der Umwelt bei. Unter anderem deshalb, weil die dafür benötigte Energie hauptsächlich aus Kohlekraftwerken in China stammt, wo die meisten Scooter herkommen.
  • Weitere 43% der Emissionen werden durch Transporter verursacht, die die E-Scooter am Ende des Tages einsammeln, um sie zu ihren Ladestationen zu bringen. (Der Strom selbst spielt, was die Umweltfreundlichkeit anbelangt, im Übrigen nur eine geringe Rolle, da auch bei Verwendung von rein emissionsfreien Strom, “nur” etwa 6% CO2 eingespart werden können).

Dem Umweltbundesamt liegen für Deutschland aktuell noch keine konkreten Daten zur Herstellung der Akkus vor. Würde man sich jedoch an den Angaben zu Pedelec-Akkus orientieren, die zum Antrieb von E-Bikes verwendet werden, so werden bei deren Herstellung etwa 27,5 bis 37,5 CO2-Emissionen pro Akku verbraucht. Die CO2-Emissionen, die bei der Nutzung eines Pedelec-Akkus entstehen, wären also nach ungefähr 100-150 Kilometern Fahrt beglichen, wenn man statt des Pkws zum Fahrrad greift.
Auch das Umweltbundesamt greift die Studie der North Carolina State University auf und berichtet, dass demnach zufolge durch den Lebenszyklus eines stationslosen Leih-E-Scooters mehr CO2-Emissionen pro Person und Kilometer in die Luft gelangen, als durch die Verwendung eines vollbesetzten Dieselbusses, eines E-Bikes oder eines elektrisches Mopeds.
Wie genau diese Studie aber auf Deutschland angewendet werden kann, könnte man aufgrund der unterschiedlichen Infrastrukturen der beiden Länder schlecht sagen.

Eine Studie der ETH-Zürich, welche in einem National Geographic Artikel herangezogen wird, bewertet das sogenannte Sharing-Modell, wie es mit den E-Scootern betrieben wird, als eher weniger förderlich für die CO2-Bilanz.
Auch der NDR berichtet, dass E-Scooter-Anbieter wie Tier zwar mit Klimaneutralität werben, diese nach eigenen Angaben jedoch nur durch bestimmte Ausgleichszertifikate von Klimaschutzprojekten erreicht werden können.

E-Scooter des Anbieters Voi stoßen laut dem NDR nach eigenen Angaben 29 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilometer aus, was deutlich unter dem Wert liegen würde, den das Umweltbundesamt bzw. die North Carolina State University E-Scootern zuschreibt.
Die Zahlen für Fernbusse pro Kilometer und pro Person liegen dem NDR nach zufolge (der diese Zahlen nach eigenen Angaben vom Bundesumweltamt bezieht) bei 37 Gramm und bei einem Auto bei 162 Gramm CO2.
Angaben für den Liniennahverkehr eines Busses beschreibt der NDR aber nicht. Diese liegen laut Umweltbundesamt im Jahr 2022 bei allgemeinen 92 CO2-Äquivalenten – wobei 72 CO2-Äquivalente bei Elektrobussen anfallen und 96 bei Dieselbussen.

Je nach E-Scooter Anbieter unterscheidet sich im Übrigen auch die Angaben zur CO2-Bilanz. Bei Scootern des Anbieters TIER liegt diese nach eigener Aussage beispielsweise bei 39,5 Gramm pro Passagier und Kilometer. Und auch zwischen der Nutzung privater E-Scooter und Leih-Rollern sollte unterschieden werden, da die ersteren weniger CO2 ausstoßen als die zweiteren.


E-Scooter besser als andere Verkehrsmittel?

Wie bereits erwähnt, spricht Quarks in Bezug auf die Studie der North Carolina State University von etwa 88-126 Gramm CO2 pro Passagier und pro Kilometer. Damit wäre die CO2-Bilanz der Scooter besser zwar als die eines normalen PKWsAutos, doch ein vollbesetzter, mit Diesel betriebener Bus würde trotzdem noch besser abschneiden, solange er voll besetzt ist.


Wie viel fahren die Deutschen?

Dem Bundesumweltamt zufolge gibt es bisher keine repräsentativen Studien dazu, welche Wege grundsätzlich in Deutschland mit den Scootern zurückgelegt werden.
Betrachtet man aber die Daten erster Nutzungsweiten in Berlin, so lässt sich feststellen, dass E-Scooter in der Regel für eine Strecke von durchschnittlich zwei Kilometern verwendet werden – für relativ geringe Distanzen also. Meist werden die Scooter abends oder am Wochenende verwendet.

Echte Alternative oder reines Fahrvergnügen?

Lassen wir für den E-Roller tatsächlich öfter das Auto stehen oder werden wir einfach nur bequemer und nehmen für den Gang zum Bäcker jetzt den Roller, statt zu Fuß zu gehen?

Eine Untersuchung der Unfallforschung der Versicherer (UDV:7/2021) für Dresden und Berlin ergab, dass bei nur 5,5% der Fahrer:innen der E-Scooter die Fahrt mit dem eigenen Auto oder einem Fahrdienst ersetzt. Ganz 53% hätten sich anstelle der Scooter ansonsten nämlich dazu entschlossen, die Strecke zu Fuß zurückzulegen und 27% hätten sich für den ÖPNV entschieden, 30% wären an Ort und Stelle geblieben und 3% hätten sich für die Verwendung eines (Leih-)Fahrrads entschieden.

2022 fielen die Statistiken des Deutschen Instituts für Urbanistik ähnlich aus: 73% der 1022 befragten Personen hätten ihren Weg anstelle von Leih-E-Scootern entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurückgelegt. 7% der Befragten hätten sich ohne Scooter nicht fortbewegt und eine Autofahrt wurde nur in 11% der Fälle durch die Verwendung eines Scooters verhindert.
Auch Privatnutzer:innen von E-Scootern hätten sich zu 47% für den ÖPNV, das Fahhrad oder den Fußweg entschieden. 34% hätten sich tatsächlich gegen die Fahrt mit einem Auto und für den Scooter entschieden.

Eine Umfrage, an der über 4000 Nutzer:innen von Verleih-E-Scootern in Paris teilgenommen haben, ergab, dass ganze 47% der Befragten – also so gut wie die Hälfte – ohne die Verfügbarkeit der Roller zu Fuß gegangen wären und weitere 29% hätten ansonsten den ÖPNV gewählt. 9% hätten sich ohne Roller für das Fahrrad entschieden und 3% dazu, den Weg gar nicht erst zu beschreiten.
Insgesamt ersetzen also nur 8% der E-Scooter-Fahrten eine Fahrt mit einem Auto oder Taxi.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt auch National Geographic, die sich auf Untersuchungen des Forschungsteams um Daniel Reck und Kay Axhausen vom Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) der ETH, stützen.
Das Forschungsteam sammelte drei Monate lang die Positionsdaten, Buchungen und Umfragedaten von 540 Studienteilnehmer:innen aus Zürich, wobei sie in ihren Untersuchungen rund 65.000 Fahrten mit acht verschiedenen Verkehrsmitteln rekonstruierten und sogar die Wetterverhältnisse miteinbezogen. Auch hierbei stellte sich heraus, dass E-Scooter den öffentlichen Nahverkehr, das zu Fuß gehen oder das Fahrrad ersetzen.

Die magische 2 km Grenze

Man erkennt also an all diesen Zahlen, die vom Bundesumweltamt zusammengetragen worden sind, dass E-Scooter in der Regel scheinbar wenig dazu beitragen, umweltschädliche Verkehrsmittel zu ersetzen und stattdessen eher dazu anregen, andere umweltfreundliche Alternativen aufzugeben. Zumindest scheint dies in deutschen Städten wie Dresden und Berlin oder auch in der französischen Hauptstadt der Fall zu sein. Schließlich sind die 2 Kilometer durchschnittliche Fahrzeit mit dem E-Scooter in der Regel auch leicht durch andere Verkehrsmittel oder im Idealfall zu Fuß zu bewältigen.
E-Scooter Verleihe geben selbst übrigens längere Durchschnittsentfernungen an.

Interessant ist auch ein Blick in die USA, da eine Umfrage aus 2019 der Verkehrsbehörde San Francisco positive Verlagerungseffekte bei der Verwendung bestimmter Verkehrsmittel gemessen hat. Hier ersetzen E-Scooter knappe 42% der Fahrten, die sonst mit dem eigenen Auto (5%) oder Fahrdienstanbietern (36%) getätigt worden wären. Dass sich diese Zahlen so sehr von jenen aus Deutschland oder Frankreich unterscheiden, könnte dem Umweltbundesamt zufolge unter anderem an der unterschiedlichen Infrastruktur der Länder liegen.

Der NDR bezieht sich auf die Aussagen von Semih Severengiz, einem Professor an der Universität Bochum, dessen Beschäftigungsbereich in der Nachhaltigkeit in der Technik liegt. Die sogenannte Ökobilanz eines Fahrzeuges betrachtet seinen gesamten Lebensweg und berechnet daraus, wie umweltfreundlich-, oder schädlich ein Fahrzeug ist.

Severengiz zufolge ist die Ökobilanz von E-Scootern besser als die von Autos oder dem Öffentlichen Nahverkehr. Ihm zufolge sei es also umweltfreundlicher, den E-Scooter zu verwenden, als Bus zu fahren. Doch auch der NDR vertritt die Meinung, dass E-Scooter nur dann eine positive Umweltbilanz aufweisen, wenn sie keine Fußwege oder Fahrradfahren ersetzen.

Bisher gibt es also je nach Quelle, je nach E-Scooter-Anbieter, je nachdem mit welchem Verkehrsmittel und je nachdem, wo man sich auf der Welt befindet, unterschiedliche Zahlen und Schlussfolgerungen zur Nachhaltigkeit von E-Scootern. Für Deutschland lässt sich allerdings festhalten, dass der Elektroroller scheinbar hauptsächlich Fahrradfahren oder Fußgänge – also umweltfreundlichere Methoden der Fortbewegung – zu ersetzen scheinen.


Eine grünere Alternative?

Die meisten Quellen sind sich einig darüber, dass E-Scooter durchaus das Potential dazu hätten, umweltfreundlicher zu sein, als sie es bislang sind.
Beispielsweise könnte man E-Scooter an Haltestellen, Bahnhöfen oder ähnlichem positionieren, sodass sie nur noch als Transportmittel für die letzte Wegstrecke, von dort bis zum eigenen Haus verwendet werden. Setzt man die Scooter nämlich für die sogenannte “last mile” oder “letzte Meile” ein, so könnten sie allen bisher genannten Quellen zufolge immerhin mehr zum Umweltschutz beitragen als durch ihre bisherige Nutzung. So könnten die Roller als echte Alternative zum Taxi, Uber oder die Abholung durch Freunde und Familie werden.

In unserem nächsten Artikel werfen wir einen Blick auf die Produktion von E-Scootern und nehmen genauer unter die Lupe, woher die Rohstoffe stammen und ob die Roller ihr Nachhaltigkeitsversprechen halten können.

  • https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/wissenschaft-und-bildung/Wie-klimafreundlich-sind-E-Scooter,escooter412.html
  • https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2022/01/warum-e-scooter-dem-klima-mehr-schaden-als-nuetzen
  • https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/sind-e-scooter-umweltfreundlich
  • https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/nachhaltige-mobilitaet/e-scooter-momentan-kein-beitrag-zur-verkehrswende#aktuelles-fazit-des-uba
  • https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/e-scooter-darum-ist-ihre-klimabilanz-gar-nicht-mal-so-gut/
  • https://utopia.de/ratgeber/lithium-abbau-das-solltest-du-darueber-wissen_197356/
  • https://suchdichgruen.de/glossar/e-scooter/
  • https://repository.difu.de/items/91c64151-527a-440f-9dd2-6f60860f4d17
  • https://www.umweltbundesamt.de/bild/vergleich-der-durchschnittlichen-emissionen-0
  • https://www.tier.app/en/blog/using-lcas-to-scoot-down-our-emissions
  • https://www.now-gmbh.de/wp-content/uploads/2023/03/NOW_Factsheet-Elektromobilitaet-und-Rohstoffe.pdf
  • https://www.jh-profishop.de/profi-guide/lithium-ionen-akku-aufbau-und-funktion
  • https://www.velojournal.ch/aktuell/nachrichten/detail/kehrseite-lithiumionen-technologie
  • https://www.hopeforthefuture.at/de/kinder-kobalt-lithium-akkus-gibt-es-leidfreie-elektrogeraete/
  • https://www.hrw.org/de/news/2023/06/19/deutschlands-run-auf-kritische-rohstoffe-ist-ein-problem-fuer-menschenrechte
  • https://suchdichgruen.de/wissen-und-technologie/a462/elektroautos-eine-nachweislich-umweltfreundliche-alternative
  • https://www.stern.de/auto/e-scooter--hype-um-elektrotretroller-bringt-jede-menge-elektroschrott-8654792.html
  • https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/streit-ueber-nutzungsgebuehr-kommt-jetzt-das-ende-der-e-scooter-in-deutschland/28961448.html
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