Homosexualität sowie jede andere Sexualität des gesamten Spektrums und auch Genderdiversity sind keine von Menschen erfundene Phänomene – wir sind nur diejenigen, die daraus kategorisierbare Konstrukte gemacht haben.
Tatsächlich gibt es zahlreiche faszinierende, witzige, außergewöhnliche sowie süße Beispiele aus dem Reich der Tiere, die uns immer wieder aufs Neue zeigen, wie divers und einzigartig unsere Natur eigentlich ist.
In diesem Artikel sowie dem Folgeartikel tauchen wir also tiefer ein in die faszinierende Welt der Tiere und erkunden Diversität im Tierreich.
Gleichgeschlechtliche Bindungen im Tierreich
In der Tat gibt es bisher 1500 dokumentierte Tierarten, die nachweislich homosexuelle Vorlieben ausleben – darunter sowohl Säugetiere, Vögel als auch Insekten. 500 dieser Arten sind wissenschaftlich sehr gut dokumentiert. Zu ihnen gehören beispielsweise Giraffen, einige Fischarten oder auch Primaten. Besonders bei Herdentieren sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften weit verbreitet.
Neben Tieren, die feste gleichgeschlechtliche Beziehungen führen, gibt es außerdem einige Tiere, die wir möglicherweise als bisexuell beschreiben würden. Diese haben beispielsweise Nachkommen mit andersgeschlechtlichen Tieren, gehen aber dennoch gleichgeschlechtlichen Aktivitäten nach. Das Fehlen andersgeschlechtlicher Tiere kann dabei ein Faktor sein, aber ebenso spielen Spaß, soziale Bindungen, das Schlichten von Streit und vieles mehr eine Rolle.
Sexualverhalten nicht nur eine Frage der Fortpflanzung?
Lange Zeit wurden Sexualakte in der Tierwelt, die aus dem “natürlichen” Muster von Fortpflanzungstrieben fielen, ignoriert oder verschwiegen.
Ähnlich wie auch in der Menschenwelt dient Sexualverhalten aber auch bei Tieren nicht nur dem reinen Erhalt einer Art durch Fortpflanzung. Stattdessen haben viele Tierarten tatsächlich ein recht komplexes und vielschichtiges Sexualverhalten, das von Ritualen, die einen Sinn verfolgen, wie beispielsweise zur Versöhnung bis hin zu reinem Vergnügen, reicht.
Es lässt sich also festhalten, dass Sexualität im Tierreich und die Auslebung derselben grundsätzlich nichts Abnormales, sondern im Gegenteil etwas sehr Alltägliches und Natürliches ist – inklusive Verhaltensweisen, die wir heutzutage als homosexuell auslegen würden, sowie gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die oft ein Leben lang halten.
Ein kleiner Exkurs in die Wissenschaft
Ähnlich wie auch in der Menschenwelt wurden sowohl gleichgeschlechtliches Sexualverhalten als auch langwährende Partnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Tieren in der Wissenschaft lange Zeit als “unnatürliches Fehlverhalten” oder gar als “Perversion” betitelt. Als Gründe galten Hormonstörungen oder Fehlprägungen, reines Dominanzverhalten und vieles mehr. Seltenst wurden gleichgeschlechtliche Akte oder Partnerschaften unter Tieren also als etwas Natürliches angesehen. Wobei im Übrigen sogar schon Aristoteles, ein griechischer Philosoph und Universalgelehrter, der um ca. 400 bis 300 v.Chr. lebte, über das Sexualverhalten gleichgeschlechtlicher Hyänen berichtete.
Ob ein Tier nun aber strikt homosexuell, bisexuell, pansexuell, strikt heterosexuell oder anderweitig orientiert ist, ist schwer festzulegen. Zum einen handelt es sich bei all diesen Begriffen wie schon erwähnt um von Menschen benannte Konstrukte, die uns dabei helfen können, unsere Welt einzuteilen und besser zu verstehen. Gleichzeitig bekräftigen sie aber auch eine Art Schubladendenken, das insbesondere in der Tierwelt schwer anzuwenden ist. Immerhin können Tiere uns nicht erzählen, wie sie sich fühlen oder zu welchem:r Partner:in sie sich aus bestimmten Gründen hingezogen fühlen oder eben auch nicht. Tierisches Verhalten zu interpretieren und nach unseren festgelegten Werten zu interpretieren, kann also eine durchaus holprige Angelegenheit sein.
Dennoch steht fest, dass jede Art von Verbindung zwischen zwei oder mehreren Tieren auch in der Natur etwas Allgegenwärtiges und Vielfältiges ist. Es steckt also einiges mehr hinter dem Verhalten der Tiere als eine schlichte “Perversion” wie zahlreiche Beispiele aus dem Tierreich zeigen:
Lebenslange Partnerschaften
Viele Vogelarten gehen mit ihrem:r ausgewählten Partner:in lebenslängliche monogame Beziehungen ein. Ob diese Beziehungen nun zwischen zwei Tieren unterschiedlichen Geschlechts oder des gleichen Geschlechts sind, spielt dabei keine Rolle.
Zu diesen Tieren gehören beispielsweise Geier, Enten, Gänse und viele weitere Tiere, bei denen es nachweislich dokumentiert jahrelang haltende gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt.
Im Übrigen sind beispielsweise etwa 20% aller Schwanenpärchen gleichgeschlechtlich – Tiere, die dafür bekannt sind, sich ihre:n eine:n Partner:in fürs Leben zu suchen.
Zudem besteht jedes zehnte Paar einer Lachmöwenkolonie aus zwei weiblichen Tieren. Gleiches gilt auch für rund 30% der Laysanalbatrosse-Pärchen auf der Insel Hawaii.
Elternschaft gleichgeschlechtlicher Tierpaare
Immer wieder kommt es vor, dass Forscher:innen beobachten, wie gleichgeschlechtliche Paare in der Tierwelt auf recht kreative und faszinierende Ideen kommen, um sich “eigenen” Nachwuchs zu sichern. Insbesondere Vögel scheinen dabei recht einfallsreich zu sein.
So gibt es beispielsweise Berichte von schwulen Flamingos, die heterosexuellen Artgenossen die Eier klauen, um sie anschließend selbst ausbrüten zu können und die Küken als ihre eigenen aufzuziehen. Zwei schwule Pinguine im Amersfoort Dierenpark Zoo in den Niederlanden gingen sogar noch einen Schritt weiter und klauten sich die Eier eines lesbischen Pinguinpaares. Dafür war aber zwei weiblichen Pinguinen in Spanien eigener Nachwuchs vergönnt. Diese beiden brüteten nämlich gemeinsam ein Ei aus und kümmern sich seither um die Aufzucht des Kükens.
Doch nicht nur Flamingos und Pinguine werden kreativ; auch Störche oder Möwen lassen sich einiges einfallen: So wurden lesbische Störche beispielsweise dabei gesichtet, wie sie sich die Samenspende eines dritten Storchs zu Hilfe nahmen, um einen eigenen Nachwuchs zu haben, und Möwenmännchen nutzen ihr gemeinsam angelegtes Nest, um verlassene Jungtiere darin aufzuziehen.
Die Aufgabenverteilung wird zwischen den Zieheltern häufig sehr gerecht aufgeteilt und beide sind an der Aufzucht des Nachwuchses beteiligt.
Sex zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts
Bestimmte Tierarten greifen zur Stärkung sozialer Bidungen, der Lösung ihrer Konflikte oder sogar der Bestimmung von Führungspositionen innerhalb einer Hierarchie ihrer Herde, ihres Rudels oder Packs auf Sex zurück. Verhaltensweisen dieser Art werden bei den unterschiedlichsten Tierarten beobachtet: Bonobos, eine Primatenart, die den Menschenaffen angehört, ist beispielsweise dafür bekannt, dass sie ihre Konflikte über Versöhnugssex lösen und sich auch ansonsten recht munter miteinander vergnügen. Hier geht es also nicht nur um reine Fortpflanzung, sondern ein komplexes soziales Miteinander.Sexualverhalten zwischen sowohl andersgeschlechtlichen als auch gleichgeschlechtlichen Tieren liegt hier an der Tagesordnung. Wir würden viele Bonobos also als bisexuell labeln.
Auch bei anderen Tierarten steht das Sexualverhalten in starkem Zusammenhang mit sozialen Gefügen und Strukturen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass miteinander konkurrierende Löwenmännchen auf Geschlechtsverkehr zurückgreifen, um sich ihre gegenseitige Loyalität und Ergebenheit zu sichern und ein Rudel einvernehmlich führen zu können.
Liebe in der Unterwasserwelt und an Land
Auch bei Delfinpaaren wie z.B. dem Großen Tümmler oder auch Walen und Seekühen gibt es gleichgeschlechtliche Partnerschaften unter sowohl weiblichen wie auch männlichen Tieren.
Ein US-Forscher untersuchte zudem das Verhalten männlicher Hausschafe, indem er ihnen jeweils die Wahl zwischen einem männlichen und einem weiblichen Schaf als Geschlechtspartner:in gab. 6-12% der Böcke wählten einen anderen Bock.
Zudem sind von sämtlichen traditionell domestizierten Tierarten wie Schafen, Rindern, Pferden, Katzen oder auch Hunden homosexuelle Individuen bekannt.
Zudem sind von sämtlichen traditionell domestizierten Tierarten wie Schafen, Rindern, Pferden, Katzen oder auch Hunden homosexuelle Individuen bekannt.
Zum Weiterlesen
In unserem zweiten Artikel zu Diversität im Tierreich werden wir uns faszinierenden Tierarten zuwenden, die dafür bekannt sind, im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht zu wechseln oder sich anderweitig an ihre Umwelt anzupassen.
- https://www.geo.de/natur/tierwelt/13372-rtkl-homosexualitaet-im-tierreich#
- https://www.zoo.ch/de/zoonews/wenn-tiere-das-geschlecht-wechseln
- https://www.zoo.ch/de/medien/medienmitteilung/medien-apero-januar-wenn-tiere-das-geschlecht-wechseln
- https://www.geo.de/mitmachen/frage-des-tages/22538-quiz-frage-des-tages-322020-welches-tier-wechselt-mehrmals-im-leben
- https://www.welt.de/lifestyle/article5679413/Bonobos-sind-Meister-der-sexuellen-Versoehnung.html#
- https://mannschaft.com/a/schwule-pinguine-klauen-eier-bei-lesbenpaar
- https://www.dw.com/de/schwule-lesben-und-bisexuelle-im-tierreich-ganz-normal/a-39966868#
- https://naturdetektive.bfn.de/lexikon/zum-lesen/sonstiges/fuer-immer-treu.html#
- https://de.wikipedia.org/wiki/Hermaphroditismus
- https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexuelles_Verhalten_bei_Tieren