TikTok Brain und Doomscrolling: Raus aus der Digitalfalle

26. Dezember 2024
Copyright: Foto von Borna Hržina auf Unsplash

Wenn wir ehrlich zu uns sind, sind Begriffe wie Doomscrolling und TikTok Brain für viele für uns schon ziemlich vetraut: Stundenlanges Scrollen durch endlose Feeds, Vorschläge, Memes, Reels und unzählige Videos und Nachrichten … bis wir uns gestresst, überfordert und vielleicht sogar unwohl und ausgelaugt fühlen.

Aber was steckt hinter diesen Phänomenen, und vor allem: Wie können wir uns daraus befreien? In diesem Artikel beleuchten wir, wie Social Media unser Gehirn verändert und welche Strategien du anwenden kannst, um dich bewusster in den digitalen Medien zu bewegen.

Was sind Doomscrolling und TikTok Brain?

Doomscrolling: Der Sog negativer Nachrichten

Doomscrolling beschreibt das zwanghafte Konsumieren (schlechter) Nachrichten, das uns oft in eine Spirale aus Angst und Stress zieht. Schlagen uns Algorithmen immer mehr solcher negativer Nachrichten vor, scrollen wir fortwährend durch negative Schlagzeilen und erschreckende Bilder – häufig ohne eine bewusste Entscheidung dazu getroffen zu haben zu treffen / häufig, ohne uns aktiv dafür entschieden zu haben. Studien zeigen, dass dies oft mit einem Gefühl der Hilflosigkeit einhergeht und unser Stressniveau erhöht, während wir gleichzeitig kaum Lösungen für die konsumierten Probleme finden.

Auch positive „Content Loops“ existieren – etwa wenn Inhalte lustig, interessant oder einfach nur neutral unterhaltsam sind. Hier geht es um die Jagd nach dem nächsten Highlight, das der Algorithmus präsentieren kann, wenn man doch nur weiterscrollt wie ein besonders witziges Video, das man genießen oder sofort mit Freunden teilen kann.

Dieses Verhalten lässt sich mit dem „Binge-Watching“ von Serien vergleichen, bei dem Episoden nahtlos aneinander anschließen und die komplette Sendung in einem Rutsch geschaut wird.
Doch im Gegensatz zu Serien hat Social-Media-Content kein Ende! Der Strom neuer Videos und Beiträge ist unerschöpflich – der Algorithmus liefert immer Nachschub.

Gerade Jugendliche verbringen dadurch oft stundenlang vor dem Handy, ohne zu bemerken, wie viel Zeit dabei vergeht. Der scheinbar endlose Kreislauf kann dazu führen, dass andere Aktivitäten vernachlässigt werden, da der nächste „Hit“ vermeintlich nur einen Swipe entfernt ist.

TikTok Brain: Ein Gehirn im Kurzmodus

„TikTok Brain“ beschreibt die Auswirkungen extrem kurzer, schnell konsumierbarer Inhalte auf unsere kognitive Leistungsfähigkeit. Plattformen wie TikTok oder YouTube Shorts präsentieren Videos meist in Clips von wenigen Sekunden bis maximal einer Minute. Dieser ständige Wechsel zwischen kurzen Reizen trainiert unser Gehirn darauf, vor allem auf schnelle, sofortige Impulse zu reagieren. Das hat zur Folge, dass es dem Gehirn zunehmend schwerfällt, sich auf längere oder komplexere Aufgaben zu konzentrieren.

Content Creator verstärken diesen Effekt durch ihre Produktionsweise: Viele Schnitte, schnelles Sprechtempo und kompakte Inhalte sind inzwischen Standard.
Dieser Stil soll die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen in einem zunehmend überfüllten digitalen Raum halten – doch sie führt auch dazu, dass unser Gehirn an diese Art von Informationsaufnahme gewöhnt wird und von längeren Inhalten, die möglicherweise hochwertiger aufbereitet oder besser recherchiert sind, abgeschreckt wird.

Wie Social Media unser Gehirn verändert

Die Dopamin-Falle: Warum Scrollen glücklich macht – zumindest kurzfristig

Social-Media-Plattformen sind darauf optimiert, unser Gehirn mit Dopamin zu belohnen – einem Neurotransmitter, der uns ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit vermittelt. Jedes Mal, wenn wir einen neuen Beitrag oder ein unterhaltsames Video entdecken, erleben wir diesen kurzen Dopamin-Kick.

Das macht es so schwer, mit dem Scrollen aufzuhören: Unser Gehirn ist ständig auf der Suche nach der nächsten „Belohnung“ – einem besonders spannenden oder unterhaltsamen Clip. Diese dauerhafte Stimulation aktiviert das Belohnungssystem ähnlich wie andere süchtig machende Verhaltensweisen wie beispielsweise Glücksspiel.
Langfristig kann diese Dynamik dazu führen, dass wir regelrecht abhängig werden, da der Drang nach dem nächsten kurzen Dopamin-Kick uns immer wieder zum Handy greifen lässt.

Konzentrations- und Gedächtnisprobleme

Die ständige Flut an neuen Informationen überfordert unser Gehirn also. Es bleibt wenig Zeit, all das Gesehene zu verarbeiten, was langfristig die Fähigkeit beeinträchtigen kann, Informationen abzuspeichern. Zudem fällt es uns zunehmend schwerer, uns auf längere Texte oder Aufgaben zu konzentrieren – unser Gehirn ist schlichtweg nicht mehr darauf trainiert und gerät außer Form. Auch in der Schule oder Arbeit kann es uns dadurch schwerer fallen, uns auf eine Aufgabe zu konkentrieren.

Emotionale Auswirkungen: Stress, Angst und Frustration

Neben den kognitiven Herausforderungen hinterlässt übermäßige Social-Media-Nutzung auch emotionale Spuren.
Algorithmen analysieren das Nutzerverhalten – etwa, wenn du ein Video mehrfach ansiehst – und passen deinen Feed entsprechend an. Themen, die deine Aufmerksamkeit besonders fesseln, erscheinen dann verstärkt. Besonders negative Nachrichten haben dabei einen hohen Newswert: Sie generieren durch Diskussionen in den Kommentaren und häufiges Teilen viel Traffic.

Der ständige Konsum negativer Inhalte und schneller, lauter Reize kann Gefühle von Angst und Stress erheblich verstärken. Besonders abends, wenn viele Handynutzer:innen vor dem Zubettgehen noch Doomscrollen, leidet die Schlafqualität zusätzlich. Das blaue Licht der Bildschirme hemmt nämlich die Produktion von Melatonin, während die endlosen Feeds mit ihrer Informationsflut die innere Ruhe stören und das Abschalten erschweren.

Algorithmen hinter Doomscrolling und TikTok Brain – Warum Du nicht aufhören kannst

Social-Media-Plattformen nutzen hochentwickelte Algorithmen, die darauf ausgelegt sind, dich so lange wie möglich in der App zu halten. Dafür analysieren sie kontinuierlich dein Nutzungsverhalten: Welche Inhalte kommentierst, likest oder teilst du? Welche Videos siehst du dir mehrfach an? Auf Basis dieser Daten wird dein Feed personalisiert, sodass dir Inhalte angezeigt werden, von denen der Algorithmus annimmt, dass sie deine Aufmerksamkeit fesseln und dich weiter zur Interaktion anregen.

Plattformen setzten psychologische Tricks wie Autoplay, endlose Feeds und „Gefällt mir“-Zähler gezielt ein, um diesen Effekt zu verstärken. Die Inhalte werden dabei immer und immer besser auf deine Vorlieben abgestimmt, was es noch schwieriger macht, mit dem Scrollen aufzuhören.

Aber keine Sorge, es gibt Tricks, mit denen du den Algorithmus austricksen und deinen Feed bewusster gestalten kannst – später mehr dazu!

Selbsttest: Hast du ein TikTok Brain?

Überprüfe mit dieser Checkliste, ob dein Umgang mit digitalen Medien problematisch ist:

  • Verlierst du regelmäßig den Überblick über die Zeit beim Scrollen?
  • Fällt es Dir schwer, Bücher oder längere Texte zu lesen? Oder ganze Filme anzusehen, ohne nach deinem Handy zu greifen oder anderweitig nach Ablenkung zu suchen?
  • Fühlst du dich nach der Nutzung von Social Media gestresst oder unwohl?
  • Greifst du automatisch zum Handy, wenn dir langweilig ist oder du eine Pause, zum Beispiel vom Lernen oder Arbeiten, brauchst?

Wenn du einige dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet hast, lohnt es sich, über eine bewusste Nutzung digitaler Medien nachzudenken.

Wir geben dir jetzt ein paar einfach umzusetzende Tipps, wie du deine TikTok Brain wieder fit bekommst!

Digital Detox: Wie Du bewusste Pausen einlegst

1. Bildschirmzeit begrenzen:

Nutze die Einstellungen deines Handys oder Apps wie „Digital Wellbeing“ (Android) oder „Screen Time“ (iOS), um deine Bildschirmzeit zu überwachen und Alarme für zu lange Sitzungen einzustellen. Diese Tools sind besonders hilfreich, um bewusster mit deiner Zeit umzugehen – und eignen sich auch für Eltern, die einen Überblick über die Smartphone-Nutzung ihrer Kinder behalten möchten.

Instagram bietet mittlerweile solche Funktionen direkt in der App an. Unter „Deine Aktivitäten“ kannst du in den Einstellungen ein tägliches Zeitlimit festlegen, nach dessen Erreichen dich die App mit einem Reminder auffordert, Instagram zu schließen. Zudem erhältst du hier einen Überblick über deine Nutzungsdauer der letzten sieben Tage. Eine ideale Möglichkeit also, deine Social-Media-Gewohnheiten zu reflektieren und mit konkreten Zahlen im Blick zu behalten.

2. Feste Pausen einplanen:

Schaffe feste Zeiten, in denen du dein Handy bewusst beiseite legst – beispielsweise eine Stunde vor dem Schlafengehen. So gibst du deinem Gehirn die Möglichkeit zur Ruhe zu kommen und den Tag ausklingen zu lassen.

Falls du dein Gerät abends trotzdem nutzen musst, aktiviere den Nachtmodus. Dieser ersetzt das aggressive blaue Licht durch wärmere Farbtöne, was deine Augen schont und weniger störend auf deinen Schlaf-Wach-Rhythmus wirkt. Eine gute Alternative für späte Bildschirmzeiten.

3. Benachrichtigungen ausschalten:

Reduziere Ablenkungen, indem du die Push-Benachrichtigungen für Social-Media-Apps deaktivierst.

Benachrichtigungen im Sperrbildschirm und rote Pop-Ups “rufen” uns regelrecht dazu auf, die App wieder zu öffnen.

Social-Media-Apps sollten dich nicht „rufen“ können – du solltest sie nur dann öffnen, wenn du dich bewusst dafür entscheidest. Das gibt dir die Kontrolle über deine Zeit zurück!

4. Feed bewusst gestalten:

Entfolge bewusst Accounts, die Stress, Negativität oder Vergleichsgefühle bei dir auslösen. Folge nur noch Accounts, die dich inspirieren oder glücklich machen und zeige dem Algorithmus dadurch, was du eigentlich gerne sehen möchtest!

Aufmerksamkeitsspanne zurückerobern

Nimm dir kleine Auszeiten, um wieder runter zu kommen.

Jetzt bleibt nur noch, dein Gehirn wieder aufnahmefähig zu machen – und das ist mit etwas Training leichter, als du denkst! Und so kannst du es angehen:

  • Lesen: Gewöhne dein Gehirn stückweise wieder an längere Konzentrationsphasen. Nimm Dir bewusst Zeit für Bücher oder ausführliche Artikel. Starte mit kleinen Abschnitten und steigere Dich allmählich. Auch das Anschauen von richtigen Filmen oder Dokumentationen entwöhnt dich wieder etwas von der kurzen Unterhaltung, die du sonst durch Reels oder Shorts erlangst.
  • Meditation: Achtsamkeitsübungen und Meditation können helfen, den Geist zu beruhigen und den Fokus zu schärfen. Schon wenige Minuten täglich können eine spürbare Verbesserung bringen.
    Probier es gleich mal aus, anfangs fällt es gar nicht mal so leicht, auch nur 3 Minuten lang absolut gar nichts zu machen und zu denken!
  • Offline-Hobbys: Beschäftigungen wie Sport, Malen, Musizieren oder Handwerk bieten einen idealen Ausgleich zur digitalen Welt. Und am allerbesten ist natürlich der Zeitvertreib gemeinsam mit Freunden – einfach mal Handys weg und stattdessen miteinander beschäftigen!

Mit diesen kleinen, aber wirkungsvollen Schritten kannst Du deinem Gehirn die Erholung gönnen, die es braucht. Denk daran: Nutze Social Media als dein Werkzeug, nicht als Hindernis – und behalte selbst die Kontrolle über deine Nutzungszeiten.

Einzelnachweise & Weblinks

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