Foodwatch

September 2022
Copyright: Foodwatch DE

Wer steckt hinter foodwatch?

Der foodwatch e.V. ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich auf das Aufdecken „verbraucherfeindlicher Praktiken“ durch Konzerne der Lebensmittelindustrie spezialisiert hat. Im Fokus stehen Transparenz, Qualität und faire Bepreisung bei Nahrungsmitteln. Die internationale Organisation setzt sich für die Einhaltung der Standards und Verbraucher:innen-Rechte auf Europaebene ein. Gegründet wurde der Verein 2002 vom ehemaligen Geschäftsführer von Greenpeace, Dr. Thilo Bode. Standorte des e.V. sind in Berlin, Brüssel, Amsterdam, Paris und Wien.

Schwerpunkt ist die investigative Überprüfung von Verpackungs- und Werbeversprechen sowie das Aufdecken möglicher Täuschungsversuche seitens der Industrie.

Foodwatch ist immer wieder bei Demos zu nachhaltigen Themen anzutreffen und klärt vor Ort oder auch online über Inhalte auf.

Der Verein verzeichnet mittlerweile rund 44.000 freiwillige Unterstützer:innen aus der Bevölkerung. Foodwatch ist und bleibt dabei eigenen Angaben nach parteipolitisch und finanziell unabhängig.

Aufdecken verbraucherfeindlicher Praktiken

Foodwatch ist dafür bekannt, beim Thema Gesundheit und Nachhaltigkeit von Lebensmitteln kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Dabei werden Hersteller schriftlich oder auch persönlich konfrontiert, wenn sie nicht auf die Aufrufe von foodwatch reagieren.

Ein Thema, dem sich foodwatch widmet, ist beispielsweise der Kampf gegen Mineralöl in unseren Lebensmitteln. Schon im Jahr 2015 hatte der Verein Nachforschungen angestellt und wohl bei einigen Produkten von Kaufland, Rewe und Real mineralbelastete Produkte festgestellt. Aktivist:innen haben daraufhin symbolisch all diese Artikel in einem Rewe und Kaufland-Markt aufgekauft, um zu verhindern, dass Menschen die potenziell schädlichen Artikel kaufen.

Bei einer Protestaktion gegen Mineralöl in Lebensmitteln kauft foodwatch alle Produkte von Kellogg’s Cornflakes auf.

Außerdem behilft sich foodwatch damit, Plakate in und an Supermärkten zu befestigen, um auf schädliche Lebensmittel aufmerksam zu machen. Nicht selten kommt es in Folge dessen zu einer Rückrufaktion.

Foodwatch erteilt einen öffentlichen Produktrückruf für durch Mineralöl belastete Lebensmittel.

Die Lebensmittelketten reagierten unterschiedlich -- während von einigen keinerlei Reaktion kommt, nehmen andere Unternehmen die Hinweise und Anschuldigungen ernst und entfernten entsprechende Produkte eigenständig aus dem Sortiment.

Der Goldene Windbeutel

Jedes Jahr verleiht foodwatch den “Goldenen Windbeutel”. Dieser Preis zeichnet das Produkt mit der dreistesten Werbelüge des Jahres aus.

Foodwatch nominiert dazu unterschiedliche Produkt-Kandidaten und legt die jeweiligen Lügen im Werbeversprechen offen. Verbraucher:innen können online abstimmen und gemeinsam das Produkt mit dem dreistesten Werbeversprechen mit dem Goldenen Windbeutel küren.

Foto von der Verleihung des Goldenen Windbeutels an Rewe.

Im Jahr 2021 ging der Preis an das abgepackte, angeblich klimaneutrale Hähnchenbrust-Filet von REWE. Insgesamt haben über 63.000 Menschen an der Abstimmung teilgenommen und das Hähnchenfleisch mit knapp 30% der Stimmen zum Produkt mit der dreistesten Werbelüge gewählt.

Weitere Kandidaten für den Goldenen Windbeutel 2021 waren:

  • Danone: Volvic Mineralwasser
    “Tut so als sei importiertes Wasser in Einweg-Plastik gut fürs Klima.”
  • J.J. Darboven: Mövenpick Kaffeekapseln Green Cap
  • “Umweltlüge: angeblich kompostierbar - in Wahrheit Plastikmüll.”
  • Katjes: Wunderland + Vitamine
    “Gesundheitsmärchen: Verführt mit Vitaminen, ist aber 60% purer Zucker.”
  • Naturally Pam by Pamela Reif: Clean Protein Bar
    “Von wegen ‘plastikfrei’ und ‘abbaubar’: Die Verpackung ist für die Tonne.”
  • Rewe: Hähnchen Brustfilet
    “Klimalüge: Rechnet Fleisch klimaneutral - mit gefälschten Zahlen.”

Die zur Wahl stehenden Produkte und der Stimmenanteil in Prozent (von links nach rechts).

In den meisten Jahren wurden die Mitglieder von foodwatch trotz vorheriger Ankündigung ihres Besuchs zur "Preisverleihung" entweder von Mitarbeiter:innen abgewiesen oder gleich vor verschlossenen Türen stehen gelassen. Damit schneiden sich Hersteller:innen ins eigene Fleisch, denn schon bei der Online-Abstimmung kann eine Menge Aufmerksamkeit für das Problem im Zusammenhang mit der Marke bei den Verbraucher:innen erzeugt werden.

2019 wurde der Goldene Windbeutel zum allerersten Mal auch tatsächlich angenommen - vom Vertreter des Herstellers Zwergenwiese. Der hat sich persönlich mit den Abgesandten von foodwatch unterhalten und den Wunsch einer kooperativen Zusammenarbeit in der Zukunft geäußert.

Das Unternehmen kündigte an, Kinderlebensmittel im Sortiment zu überprüfen und eine Rezepturänderung der zuckrigen Kinder-Tomatensoße vorzunehmen.

Die Verleihung des Preises ist eine offene Kritik von Kosument:innen-Seite und somit die Chance für Firmen, Fehler einzugestehen und Verbesserungsvorschläge anzunehmen. Die Verleihung des Negativpreises wird außerdem medial aufbereitet und mit Followern auf YouTube, Instagram und Co. geteilt, um Reichweite für das Thema zu schaffen.

Durchsetzen von Verbraucherrechten

Bei Foodwatch gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Kaufversprechen werden deshalb regelmäßig mittels eigener Studien überprüft. Dabei wird zum Beispiel ermittelt, ob die angegebenen Inhaltsstoffe eines Nahrungsmittels der Wahrheit entsprechen, ob versprochene Haltungs- und Herstellungsverfahren sowie Lieferketten eingehalten wurden, oder ob Verpackungsmaterial dem Werbeversprechen gerecht wird und zum Beispiel tatsächlich recyclebar ist.

Auch politische Entscheidungen, wie Agrarpolitik, der Import & Export von Gütern, Lebensmittelspekulation, Lebensmittelverschwendung und der Artenschutz werden beobachtet und zugunsten des Umwelt- und Klimaschutzes bewertet.

Foodwatch weist auf Missstände hin und bereitet die jeweilige Thematik (auch medial) auf, um so die größtmögliche Aufmerksamkeit für ein Problem zu generieren. Dabei denkt der Verein langfristig und organisiert Kampagnen und Petitionen, an denen sich die Verbraucher:innen beteiligen können, um bestimmte Anliegen zu unterstützen.

Weitere Themen von foodwatch-Petitionen sind:

  • Sponsoring von EU-Ratspräsidentschaften durch Unternehmen und Konzerne
  • Staatliche Förderung von Agrokraftstoffen auf der Basis von Nahrungs- und Futtermitteln sowie die Nutzung solcher Anbauflächen für Nahrungsmittel und den Ausbau erneuerbarer Energien.
  • Krebserregendes Ethylenoxid in Johannisbrotkernmehl (E410), das als Verdickungsmittel und Stabilisator unterschiedlicher Lebensmittel-Produkte verwendet wird.
  • Eindämmung der Plastikmüll-Flut durch den Verkauf von Obst und Gemüse ohne Plastikverpackung.
  • Artgerechte Haltung von Nutztieren in Deutschland.
  • Kinder und Jugendliche als Zielgruppe von Unternehmen bei der Vermarktung ungesunder Produkte durch Influencer:innen auf Social Media.
Foodwatch-Aktion in Brüssel: Aufruf an EU-Kommission und Jean-Claude Juncker, Verbraucher:innen besser vor Lebensmittelskandalen zu schützen.

Foodwatch for Future?

Momentan setzt sich foodwatch zum Beispiel mit dem CETA-Handelsabkommen auseinander. Schon 2016 hatte der Verein zusammen mit den Organisationen “Campact” und “Mehr Demokratie” sowie der Hilfe von über 100.000 Bürger:innen eine Verfassungsbeschwerde gegen das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada auf den Weg gebracht. Im Fokus stehen dabei der Schutz von Gesetzen zum Wohle der Umwelt, der Verbraucher:innen sowie der Demokratie. CETA sieht beispielsweise vor, dass die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen nicht mehr rückgängig gemacht werden darf. Außerdem könnte dann auch die deutsche Politik in vielen Bereichen umgangen und beispielsweise durchgesetzt werden, dass auch in Deutschland das umstrittene Fracking wieder praktiziert werden darf.

Foodwatch bei der 'Stop TTIP CETA' Demo am 10.10.2015 in Berlin.

Im Dezember 2021 hat foodwatch eine Aktion gestartet, um schädliche und potenziell krebserregende Mineralöle ein für alle mal aus unseren Lebensmittel zu verbannen. Die Petition richtet sich an Regierungsmitglieder aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Belgien. Empfänger:innen sind beispielsweise Cem Özdemir (Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft) und Stella Kyriakides (EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit).

Das Schreiben weist darauf hin, dass bereits seit 2015 Labortests durchgeführt werden, in denen wiederholt nachgewiesen wurde, dass Lebensmittel bestimmter Hersteller mit aromatischen Kohlenwasserstoffen aus Mineralölen („Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons“/ MOAH) verunreinigt wären und diese “sowohl mutagen als auch karzinogen sei[e]n”. Aus diesem Grund wird nun eine “verbindliche EU-Verordnung zur Nulltoleranz von MOHA in allen Lebensmittelkategorien” von foodwatch gefordert.

Nachdem 2019 festgestellt wurde, dass 50% aller getesteten Säuglingsmilch-Nahrungsmittel mit MOAH verunreinigt sind, hatten die Vertreter:innen der EU-Kommission sowie Mitgliedsstaaten im Sommer 2020 beschlossen, schlichtweg einen neuen Schwellenwert für MOAH in Säuglingsmilchpulver festzulegen.

Foodwatch und Unterstützer:innen der Petition fordern deshalb:

  1. “Produkte, die mit einer positiven MOAH-Kontamination getestet wurden, müssen sofort zurückgerufen werden.”

  2. “Verabschiedung einer Nulltoleranz gegenüber MOAH für ALLE Lebensmittelkategorien in der gesamten EU, indem jeglicher nachweisbarer Gehalt von MOAH mit den sensitivsten Analyseverfahren verboten wird."

Die Grundlage für die Forderungen stellt ein von foodwatch veröffentlichter Bericht zu Mineralölen und deren Auswirkung auf unsere Gesundheit dar.

Durch Importe und Inflation steigen die Lebensmittelpreise - eine Belastung für uns und unsere Umwelt.

Aktuell wird außerdem für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse plädiert. Die Forderung: Bei steigenden Lebensmittelpreisen muss die Bundesregierung sofort reagieren und ihren Bürgerinnen und Bürgern eine gesunde sowie bezahlbare Ernährung ermöglichen. Hier geht's zur Petition.

Foodwatch is watching you, Lebensmittelindustrie

Die NGO geht nicht zimperlich mit Lebensmittel- und Klimasündern um, sie prangert die psychologischen Kauftricks und falschen Versprechen direkt an.

Dabei geht foodwatch auch mal konfrontativ vor und informiert auf Demos oder demonstriert selbst direkt beim Hersteller vor der Haustür.

Kritikerstimmen bemängeln, dass es Foodwatch mehr ums einmischen und die mediale Aufmerksamkeit ginge, als um einen offenen Dialog und die tatsächliche Auseinandersetzung mit Inhalten. Außerdem hätten sie bei einigen Themen auch schon daneben gelegen oder ein Produkt vorschnell in Kritik genommen. Die Bevölkerung bringe unabhängigen Organisationen ein hohes Maß an Vertrauen entgegen, dass staatliche Prüfstellen und vor allem die Industrie selbst nicht genießen würden.

Das rührt unter anderem daher, dass sich foodwatch für Themen einsetzt, die alle Verbraucher:innen betreffen. Die Gesundheit ist ein sehr emotionales Thema und so schätzen wir Menschen es sehr, wenn sich jemand unabhängiges für sie einsetzt und, so das Versprechen von foodwatch e.V., die Lügen der Industrie aufdeckt.

Die Verantwortung sieht die NGO nicht bei Verbraucher:innen und Eltern, sondern der Regulierung durch den Staat und Transparenz beim Hersteller.

Foodwatch tritt als Retter der Verbraucher:innen auf. Da es um Lebensmittel geht, die wir täglich zu uns nehmen, sind wir Menschen schnell involviert. Dabei ist es wichtig, sich auch selbst mit Inhalten zu befassen und zu einer Schlagzeile auch mal den ein oder anderen zugehörigen Bericht zu lesen. Letzten Endes bleiben doch auch wir Verbraucher:innen in der Verantwortung, uns selbstständig mit unseren Lebensmitteln und ihrer Herstellung auseinander setzen zu wollen - Immerhin geht es um unseren Körper.

"Solange ich gehen kann, werde ich mich auch mit der Kuh vorn' Reichstag stellen."

Nach fast 20 Jahren setzt sich der Gründer und Leiter von foodwatch Deutschland und spätere Geschäftsführer von foodwatch International zur Ruhe. Der Job ist vorbei, aber die Passion bleibt: Für den gebürtigen Bayern Thilo Bode bedeutet das, den persönlichen Kampf für Verbraucherschutz nun als Privatperson weiterzuführen.

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