Wir nehmen uns in diesem Artikel die Thematik des sogenannten “Ocean Plastiks” vor. Dabei widmen wir uns besonders der Frage, ob Kleidung, die aus ebendiesem Material hergestellt wird, so umweltfreundlich ist, wie es zuerst den Anschein macht oder doch stark dem Greenwashing verfällt.
Unser großes Plastikproblem
Unsere Welt versinkt im Plastik. Das ist soweit kein Geheimnis.
Stand 2022 werden jährlich ganze 200 Tonnen Kunststoffabfälle produziert – Tendenz steigend – doch was schlussendlich mit dem neu produzierten sowie dem bereits existierenden Müll geschieht, dafür gibt es bei weitem noch keine ausreichenden Lösungen.
Insbesondere die Ozeane trifft es schwer: Laut der NABU gelangen jedes Jahr mehr als zehn Millionen Tonnen Abfall ins Meer. Der Großteil unseres Mülls – ganze 90% – sinken auf den Meeresboden, und gleichzeitig schwimmen immer noch durchschnittlich 18.000 Plastikteile unterschiedlichster Größe auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche. Erschreckende Tatsachen, die jedes Jahr zum Tod von bis zu 135.000 Meeressäugern und etwa einer Millionen Meeresvögeln führen.
Der Schutz der Meere erfordert effektive und umweltfreundliche Lösungen. Doch Projekte, die oberflächlich als schnelle, lukrative Mittel gegen Umweltverschmutzung vermarktet werden, in Wahrheit jedoch wenig mit Umweltschutz zu tun haben.
Wenn ihr mehr darüber erfahren möchtet, weshalb genau der Schutz der Meere von so großer Bedeutung ist und was dagegen unternommen werden soll, könnt ihr das in unserem Artikel zum UN Nachhaltigkeitsziel nachlesen.
Wenn Mode zum Umweltproblem wird
So schön es auch sein mag, sich stets die neuesten Klamotten mit nur einem Klick im Internet bestellen zu können oder sie im neuesten Sortiment bei einem Bummel durch H&M zu entdecken – von unserer heutzutage herrschenden Wegwerfgesellschaft bleibt leider auch die Modewelt nicht verschont.
Möglichst billig, möglichst schnell produziert und möglichst leicht zu erwerben – dafür steht die sogenannte Fast-Fashion, die momentan den Markt dominiert.
Unglücklicherweise stellen aber sowohl die Herstellung, der Transport, die Vermarktung und nicht zuletzt auch die Entsorgung von Textilien ein riesiges Problem für unsere Umwelt dar. Nicht nur gelangen dabei regelmäßig Unmengen an schädlichen Chemikalien in die Umwelt, sondern auch Wasser- und Energieressourcen sowie weitere Rohstoffe werden in erschreckend großen Mengen verbraucht.
So werden für die Herstellung einer einzelnen gewöhnlichen Jeans zwischen 7.000 und 10.000 Liter Wasser benötigt. Davon fließt das meiste in den Baumwollanbau und die Verwertung der Baumwolle, da für den Anbau von nur einem Kilogramm Baumwolle ganze 11.000 Liter Wasser von Nöten sind. Aber auch die Färbung des Jeansstoffs erfordert eine Große Menge an Wasser.
Mehr zur aktuellen Wasserkrise erfahrt ihr hier.
Neben der Herstellung geht auch die Entsorgung der Kleidungsstücke nicht ohne Umweltverschmutzung einher:
Von den jährlich etwa 100 Milliarden neu hergestellten Kleidungsstücken werden nur 1% am Ende ihrer Lebensdauer zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet und von den zur Herstellung verwendeten Materialien landen ganze 87% auf Verbrennungsanlagen oder Mülldeponien. Eine viel zu hohe Menge! (Besonders wenn man bedenkt, dass jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr kauft und jedes fünfte davon aber so gut wie nie getragen wird).
Bei diesen Zahlen ist es also kein Wunder, dass die Forderungen an die Modeindustrie, ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten, immer lauter werden.
Doch nicht alles, was als nachhaltig vermarktet wird, trifft schlussendlich die Kriterien.
Das ist "Ocean Plastic
Nicht wenige Modemarken werben inzwischen mit angeblich nachhaltig produzierten Artikeln, die aus sogenanntem “Ocean Plastic” bestehen.
Die Idee hinter dem Geschäft mit Ocean Plastic ist sehr simpel: Es wird Kunststoffabfall aus dem Meer gefischt, um ihn anschließend von schlichtem Müll zu Produkten, die für uns Menschen wieder einen Nutzen erfüllen, umzuwandeln – meistens in Klamotten.
Die Kleidung, die daraus gefertigt wird, soll also aus nachhaltig recyceltem Material bestehen und so dazu beitragen, unsere Ozeane von den Unmengen an Müll darin zu befreien. So viel zur Theorie. Aber was ist an umweltfreundlicher Ocean Plastic Kleidung dran - hilft es unserer Umwelt tatsächlich? Oder ist es doch nur eine der vielen Greenwashingmethoden, mit denen Unternehmen Kund:innen mit dem Versprechen von Nachhaltigkeit für sich gewinnen, ohne diese sich an ihre Versprechen zu halten? Wir beschäftigen uns im Folgenden mit den Komplikationen in Sachen Ocean Plastic und erklären, weshalb es vielleicht nicht die Lösung ist, die es zu sein vorgibt.
Mehr Infos zum Thema Green Claims und Greenwashing findet ihr hier.
Weshalb Ocean Plastic nicht so nachhaltig ist, wie man denkt
1. Fehlende Transparenz:
Bis dato gibt es keine allgemein gültigen Vorgaben dazu, zu wie viel Prozent ein Kleidungsstück aus recyceltem Material aus dem Meer bestehen muss, um als Ocean-Plastic-Product betitelt werden zu dürfen. So veröffentlichen auch viele der Hersteller keine genauen Angaben zu ihren Produkten.
Diese unzureichende Transparenz hat zur Folge, dass wir uns als Kund:innen nicht sicher sein können, wie viel recyceltes Plastik tatsächlich in unserer Kleidung steckt.
2. Ökologische und finanzielle Probleme:
Sowohl finanziell als auch ökologisch betrachtet ist der Umwandlungsprozess von Plastik zu Kleidung leider alles andere als nachhaltig. Forschungsarbeiten der NABU und der Hochschule Magdeburg-Stendal zufolge ist die Verwertung des Mülls recht sinnfrei.
Zunächst muss der Müll schließlich aus den Meeren gefischt werden und im Anschluss in Fabriken befördert werden, wo der Müll auch tatsächlich verarbeitet werden kann. Diese Industriezentren befinden sich beispielsweise in Asien. Sowohl Beschaffung des Mülls als auch Transport fordern also einen riesigen Arbeitsaufwand sowie einiges an Geld.
Und auch die Verarbeitung des Abfalls fordert ihren Tribut: Sogar die Herstellung des Granulats, welches zur Herstellung einfachster Kunststoffprodukte notwendig ist, geht nicht ohne extremen Aufwand, wie NABU Experte David Pfender anmerkt. So würde die Verarbeitung einer einzigen Tonne Müll, aus der beispielsweise eine Plastikbank gefertigt werden kann, rund 20.000 Euro kosten. Dies ist weitsichtig betrachtet weder lohnenswert noch umsetzbar.
Dazu kommt außerdem, dass die aus dem Plastik entstehenden Endprodukte selbst ebenso nicht dazu gemacht sind, recycelt zu werden. Von der Eingliederung des Verfahrens in eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sind wir also noch weit entfernt.
3. Plastik, das gar nicht aus dem Meer stammt:
Nicht immer, wenn Kleidungsproduzenten ihre Produkte als “Made from Ocean Plastic" deklarieren, bedeutet dies auch, dass sie tatsächlich daraus gemacht sind. Anstelle des versprochenen Plastiks aus den Tiefen der Meere wird einfach Plastik – gerne von PET-Flaschen – aus Küstenregionen an Land gesammelt und verwertet. Nicht nur hat dementsprechend ein Großteil des “Ocean Plastic” nie das Meer gesehen, sondern auch die Verwertung von PET-Flaschen ist allgemein fragwürdig. Diese Flaschen stellen nämlich eines der wenigen Kunststoffprodukte dar, für die bereits ein ausgereiftes und effizientes Recyclingsystem besteht. Entfernt man allerdings einige Flaschen aus diesem System, um sie zur Herstellung von Ocean Plastic Kleidung zu nutzen, so hinterlassen sie eine Lücke im Kreislauf. Diese würde wiederum durch die Produktion vieler weiterer PET-Flaschen gefüllt werden und somit nur zur Nachproduktion des Plastiks beitragen.
4. Ein Übermaß an Kleidung
Auf der Welt wird schon mehr als genug Kleidung produziert, um all unsere Bedürfnisse abzudecken. Kleidung aus Ocean Plastik würde dem auch nicht entgegensteuern – ganz im Gegenteil: Statt die herkömmliche Kleidung zu ersetzen, würde Ocean Plastic Kleidung nämlich zu der bereits existierenden dazu produziert werden und somit die Menge an Kleidungsstücken nur steigern.
Fazit
Einerseits ist die Produktion von Ocean Plastik Kleidung, wie sie momentan stattfindet, keinesfalls von Vorteil für die Umwelt. Das von der Modeindustrie betriebene Greenwashing als Verkaufsstrategie trägt eher zur Verschlimmerung unserer Probleme bei und ist als sehr bedenklich einzustufen.
So kann es also nicht funktionieren.
Anstelle der nach außen hin propagierten angestrebten Kreislaufwirtschaft werden auf katastrophale angebliche “Lösungen” zurückgegriffen, wie angeblich nachhaltige Methoden, dem umweltschädlichen und energieaufwendigen Verbrennen der Kunsttoffabfälle oder gar verheerende Müllexporte, bei denen der Müll zwischen einzelnen Ländern und Nationen hin- und hergeschoben wird, da sich niemand dem Problem annehmen möchte oder kann.
Was wir brauchen, sind also ganzheitliche Ansätze sowohl in der Wirtschaft als auch im Alltagsleben – angefangen mit Änderungen in unserem jetzigen Konsumverhalten.
Tipps für den Kauf nachhaltiger Mode
Eines der größten Probleme ist also weiterhin, dass die Modeindustrie bisher nicht kreislauffähig ist und sich zu stark nach der Fast-Fashion richtet. Dennoch gibt es einige kleine Dinge, die jeder von uns im Alltag tun kann, um einen Teil zum Umweltschutz beizutragen:
1. Besonders bei Mode (oder Lebensmitteln) gibt es einige verifizierte Siegel, die auf nachhaltige Produktion hinweisen. Dazu gehören in der Modeindustrie: der “Blaue Engel”, der unter anderem eine umfassende Chemikalienregelung entlang des gesamten Produktionsprozesses durchsetzt. Ebenso dazu zählt das IVN Best Siegel, das Kleidung ohne Synthetikfasern auszeichnet und die Kleidung somit als kreislauffähig kennzeichnet.
2. Kleidung aus Second-Hand-Shops wird immer beliebter, und das aus gutem Grund: mit einem solchen Einkauf kann man auf umweltschonende Art stilvolle und schicke Kleidung erwerben, die obendrein nicht selten deutlich günstiger ist als im normalen Modegeschäft.
3. Kleidung von Modemarken kaufen, die von vornherein auf eine faire sowie umweltfreundliche Herstellung ihrer Waren setzen. Wir stellen euch hier einige dieser Modemarken vor.
Weiteres zum Schutz der Ozeane findet ihr hier:
- Ocean Cleanup mit Roboterfisch
- Neuer Kunststoff, der sich im Meer auflöst
- Drohen im Einsatz zum Schutz der Meere
- https://schrotundkorn.de/umwelt/ocean-plastic
- https://www.avocadostore.at/wissenswert/nachhaltig-leben/nachhaltige-mode/kleidung-aus-ozeanplastik
- https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/kleidung-recycling-meer-plastik-100.html
- https://utopia.de/ratgeber/kleidung-aus-ozean-plastik-recyclingfasern/
- https://suchdichgruen.de/nachhaltige-mode/tipps-wissen/a365/4-nachhaltige-modemarken-aus-deutschland/
- https://theroundup-org.translate.goog/textile-waste-statistics/?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=rq#:~:text=The%20world%20produces%2092%20million,are%20produced%20globally%20every%20year.
- https://www.zdf.de/dokumentation/planet-e/planet-e-textilmuell-100.html
- https://www.sueddeutsche.de/wissen/wasserverbrauch-8000-liter-wasser-fuer-eine-jeans-1.611559
- https://www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/wasserverbrauch/wasser-verschwendung#:~:text=Zum%20Beispiel%20Baumwolle%20und%20Erdbeeren&text=Beispielsweise%20sind%20bis%20zu%2011.000,oder%20versickert%20aus%20undichten%20Kanälen.
- https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/umwelt/durstige-baumwolle-8000-liter-wasser-fuer-jeans/
- https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/muellkippe-meer/muellkippemeer.html#:~:text=Wurden%20in%20den%201950er%20Jahren,bis%2012%2C7%20Millionen%20Tonnen.
- https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/kosten-von-plastik
- https://salzwasser.eu/blogs/wissen/wie-viel-liter-wasser-jeans
- https://utopia.de/ratgeber/mode-aus-recycling-kunststoff-ocean-plastik-wie-nachhaltig/