SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

Juli 2023
Copyright: un.org, Sustainable Development Goals, als gemeinfrei gekennzeichnet

Im Kampf für eine nachhaltige Gesellschaft hat die UN (Vereinte Nationen) in ihrer 2030-Agenda 17 Nachhaltigkeitsziele (im Englischen auch Sustainable Development Goals, kurz: SDGs genannt) festgelegt: Jedes dieser Ziele greift Schwerpunkte auf, die soziologischen, kulturellen, bildungsorientierten, ökonomischen sowie ökologischen Ursprungs und an Anforderungen gebunden sind, die bis zum Jahre 2030 erfüllt sein sollen.

Wirtschaft und ökologische Nachhaltigkeit wurden in der Geschichte bislang vorwiegend getrennt voneinander betrachtet - aufgrund der voranschreitenden Klimakrise wird eine Vereinbarung jedoch unabdingbar. SDG 8 will ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum voranbringen, das gleichzeitig einen Wohlstand innerhalb der Gesellschaft gewährleisten kann. Kostensparende, jedoch umweltbelastende Produktionswege sowie eine “Müllgesellschaft” sollen durch den bedachten Einsatz von nachhaltigen Ressourcen und ein Konsum-Umdenken ersetzt werden. Aber auch der soziale Aspekt soll nachhaltig gestaltet werden: Es müssen Bedingungen geschaffen werden, in denen eine faire Bezahlung und menschenwürdige Arbeitsverhältnisse herrschen. Es soll eine Verbindung von sowohl ökonomischem als auch weltweit gesellschaftlichem Wohlstand geschaffen werden.

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Die Wirtschaft profitiert, die Natur leidet

2022 markierte der 28. Juli den Erdüberlastungstag.

Die Weltwirtschaft boomt - noch nie zuvor wurde so viel produziert und konsumiert wie heute. Doch bei der Definierung von Wohlstand werden eher Indikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt fokussiert, während sowohl die Belastungsrate als auch die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen weitestgehend vernachlässigt werden. Allein der sogenannte Erdüberlastungstag (im Englischen auch Earth Overshoot Day) zeigt, dass die Natur mit der Wirtschaft nicht mehr mithalten kann: Damit ist ein Zeitpunkt im Jahr gemeint, an dem alle nachhaltig zur Verfügung stehenden Ressourcen der Erde vom Menschen bzw. von der Wirtschaft aufgebraucht worden sind. Folglich muss man nach diesem Zeitpunkt über den „Nullpunkt“ hinaus vorhandene Rohstoffe abbauen, um die Wirtschaft weiter in Gang zu halten. Doch auf Dauer belastet dies die Erde und ihren natürlichen Ressourcenvorrat enorm. Laut der Gesellschaft für Nachhaltigkeit wird “sich diese Kurzfristökonomie in Richtung einer Langfristökonomie wandeln müssen, die die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit und die Gerechtigkeitsprinzipien zu respektieren lernt”, um den negativen Konsequenzen der Erdüberlastung Einhalt gebieten zu können. 2022 markierte der 28. Juli den Erdüberlastungstag. Im Vergleich: Im Jahre 2000 ereignete sich dies noch im September.

Armut und menschenunwürdige Arbeit

Das Wirtschaftswachstum ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Armut. Tatsächlich ist die Zahl der Arbeitnehmer, die in extremer Armut leben, in den letzten 25 Jahren zurückgegangen. Doch ökonomisches Wachstum bedeutet nicht gleich Wohlstand oder menschenwürdige Arbeitsverhältnisse für jeden. Noch immer leben weltweit 700 Millionen Menschen mit weniger als US$ 3.20 pro Tag in Armut, trotz einer Beschäftigung. Arbeitsbedingungen unterhalb eines gerechten Standards sind oft mit Ungleichheit, Diskriminierung und Verarmung der Arbeitsnehmer:innen verbunden. In vielen Kontexten werden bestimmte Gruppen wie beispielsweise Arbeitnehmer:innen mit Behinderungen, weibliche Beschäftigte, Jugendliche sowie Migranten, mit zusätzlichen Hindernissen beim Zugang zu menschenwürdiger Arbeit konfrontiert. Ausübung von Sexismus, Rassismus, Altersdiskriminierung oder fehlende Barrierefreiheit verstärken also die Problematik zusätzlich.

Karte der Laogai in der Volksrepublik

Besonders schlimm ist es, wenn die Beschäftigung unter miserablen Bedingungen stattfindet oder sogar Formen der Zwangsarbeit, moderne Sklaverei oder gar Kinderarbeit annimmt. Laut Schätzungen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) unterliegen jährlich fast 21 Millionen Menschen der Ausbeutung durch Zwangsarbeit.

Zwangsarbeit beschreibt ein Tätigkeitsverhältnis gegen den Willen des beteiligten Menschen. Dabei stellen die Androhung von Strafen oder ausgeübte Unterdrückung ein Druckmittel der Arbeitgeber dar und zwingen so die Betroffenen wortwörtlich zur Verrichtung der Arbeit. Zwangsarbeit findet meist in Privatsektoren statt, wie beispielsweise die Arbeit als Hausangestellte:r, für den Bau oder die Landwirtschaft sowie als Zwangsprostituierte:r.

Schätzungen zufolge wird 16 % Prozent der Zwangsarbeit von Staaten auferlegt, bekanntestes Beispiel hierfür ist Nordkorea oder China. Millionen Gefangene leiden in chinesischen Arbeitslagern, wie beispielsweise in den sogenannten Laogais (übersetzt “Reform durch Arbeit”) unter Folter und Zwangsarbeit. Die Insassen werden dort oft ohne gerichtliches Urteil eingewiesen und selbst wenn eine Verurteilung nach chinesischem Recht besteht, ist dies immer noch internationalen Standards rechtswidrig. Die meisten Insassen sind Menschenrechtsaktivist:innen, Gewerkschafter:innen oder ein vom Staat nicht akzeptierte ethnische Minderheit. Mit der Gefangenschaft sollen “Andersdenkende” eingeschüchtert und eingeschränkt werden. Auch in Nordkorea ist Zwangsarbeit weit verbreitet, Berichten zufolge ist sogar jeder Zwanzigste ist davon betroffen.

Der Übergang von Zwangsarbeit und Sklaverei ist relativ schwammig. Sklaverei beinhaltet gleichzeitig Zwangsarbeit, der Unterschied ist jedoch, dass es sich hier um ein Besitzverhältnis zwischen Sklav:in und “Sklaveneigentümer:in” handelt. Sklav:innen werden somit als Objekt im eigenen Besitz angesehen. Doch genauso wie Zwangsarbeit sind Sklaverei und Menschenhandel mittlerweile international verboten, doch immer noch werden die Verbrechen im Verborgenen ausgeführt. Daher ist es schwierig, eine genaue Aussage darüber zu treffen, wie viele Sklaven genau heute noch in Gefangenschaft leben. Laut dem Global Slavery Index gibt es Schätzungen zufolge mehr als 45 Millionen Sklaven weltweit (Stand: 2016), mehr als ein Drittel davon in Indien, weitere Millionen in China, Pakistan und Bangladesch. Die Bereiche, in denen Sklaven arbeiten müssen sind meist identisch wie die der Zwangsarbeit. Vor allem Frauen und Mädchen machen mit 70 % den größeren Teil an Sklaven aus.

Das fordert SDG 8

Die oben genannten Aspekte sind große Baustellen, gegen die das 8. Nachhaltigkeitsziel vorgehen will. Doch es existieren noch weitere Forderungen, die bis 2030 erfüllt sein sollen. Hier noch einmal eine Auflistung der wichtigsten Unterziele nach Angaben des UNDP (United Nations Development Programme):

  • Jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von mindestens 7% in den am wenigsten entwickelten Ländern: so kann zunächst gemessen werden, ob ein Wirtschaftswachstum vorliegt. Natürlich müssen ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden.
  • Schrittweise Verbesserung der globalen Ressourceneffizienz in Verbrauch und Produktion: Das Wirtschaftswachstum soll abgekoppelt von der Umweltzerstörung agieren, indem Ressourcen schonend und effizient eingesetzt werden sollen. Dabei ist auch die Intergrierung und Ausweitung von alternativen, regenerativen Energien unabdingbar.
  • Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität: Durch technologische Modernisierung und Innovationen sollen nicht nur ressourcenschonende, sondern auch effizienzsteigendere Arbeitsprozesse forciert werden. Zudem sollen Sektoren mit einer hohen Wertschöpfung fokussiert werden.
  • Förderung einer entwicklungsorientierten Politik: So können auf politischer Ebene langfristig nachhaltige Konzepte für die Wirtschaft entwickelt werden, die auf globaler Ebene besser durchgreifen.
  • Etablierung von menschenwürdiger Arbeitsverhältnissen an jedem Arbeitsplatz: Zwangsarbeit, moderne Sklaverei sowie Kinderarbeit sollen in jeglicher Form abgeschafft werden, ebenso wie die Rekrutierung sowie der Einsatz von Kindersoldaten. Im Falle einer Beschäftigung sollen der Schutz der Arbeitnehmerrechte sowie ein sicheres Arbeitsumfeld gewährleistet werden.
  • Ausweitung der globalen Beschäftigung im Rahmen einer internationalen Vernetzung zur Schaffung von Arbeitsplätzen: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation waren 2015 mehr als 204 Millionen Menschen arbeitslos. Bis 2030 müssen 600 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um mit dem Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter Schritt zu halten. Der Anteil der Jugendlichen, die weder eine schulische oder berufliche Ausbildung haben, noch einer Beschäftigung nachgehen, soll erheblich reduziert werden. Zudem sollen Strategien entwickelt und umgesetzt werden, die den nachhaltigen Tourismus sowie die Kultur fördern und somit weitere Arbeitsplätze generieren.
  • Förderung von Unternehmertum sowie Unterstützung für kleine und mittelständische Unternehmen: Die unternehmerische Kultur soll weiter etabliert werden. Unternehmen sind Motoren für die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wirtschaftswachstum. Vor allem junge Unternehmer und nachhaltige Start-Up Ideen sollen unterstützt werden.
  • Stärkung und Erweiterung der inländischen Finanzinstitute für einen verbesserten Zugang zu Bank-, Versicherungs- sowie Finanzdienstleistungen: Der Zugang zu Finanzdienstleistungen muss verbessert werden, um die Einkommen zu verwalten, Vermögenswerte aufzubauen und produktive Investitionen zu tätigen.
  • Goal 8 | Department of Economic and Social Affairs (un.org), abgerufen am 01.05.22
  • Sustainable Development Goals | United Nations Development Programme (undp.org), abgerufen am 01.05.22
  • SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum | BMUV, abgerufen am 01.05.22
  • 17Ziele - Ziele für Nachhaltige Entwicklung - Agenda 2030 der UN, abgerufen am 03.05.22
  • SDG 8: Promote sustained, inclusive and sustainable economic growth, full and productive employment and decent work for all – SDG Compass, abgerufen am 03.05.22
  • SDG 8 - Vereinte Nationen - Regionales Informationszentrum für Westeuropa (unric.org), abgerufen am 03.05.22
  • Nachhaltige Ökonomie - NABU, abgerufen am 04.05.22
  • Nachhaltige Ökonomie – Gesellschaft-fr-Nachhaltigkeit-eV (gesellschaftfuernachhaltigkeit.de), abgerufen am 04.05.22
  • Moderne Sklaverei und Zwangsarbeit - Menschenrechte durchsetzen - Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (dgvn.de), abgerufen am 05.05.22
  • Zwangsarbeit – Wikipedia, abgerufen am 05.05.22
  • Zwangsarbeiter: Wo beginnt Sklaverei? | ZEIT ONLINE, abgerufen am 05.05.22
  • Laogai: Die Arbeitslager in China (igfm.de), abgerufen am 05.05.22
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