Thwaites Gletscher - wie lange kann der Gigant noch standhalten?

Januar 2023
Fotograf:in: Matt Palmer, Copyright: Unsplash

Der Meeresspiegelanstieg stellt eine der größten Herausforderungen der Zukunft dar. Die künftige Entwicklung ist mitunter besonders an die Antarktis gebunden und ein bestimmter westantarktischer Gletscher weist eine alarmierende Vergangenheit auf: der Thwaites Gletscher, dessen Größe vergleichbar mit der Großbritanniens ist. Laut den neuesten Studien gibt es Grund zur Sorge: “Der Thwaites Gletscher hält sich inzwischen wirklich nur noch mit den Fingernägeln fest” berichtet Robert Larter, ein Meeresgeophysiker der British Antarctic Survey. Er scheint schneller zu schrumpfen als gedacht und das obwohl er bereits jetzt circa 4% zum globalen Meeresspiegelanstieg beiträgt.

Warum ist der Thwaites Gletscher so risikobehaftet?

Der Thwaites Gletscher nimmt eine zentrale Lage im westantarktischen Eisschild ein. Anders als die ost-antarktischen Gletscher, die oberhalb des Meeresspiegels auf dem Festland ruhen, ist der Thwaites Gletscher besonders disponiert zu kollabieren, weil er mit dem Meeresboden verbunden ist. Das führt dazu, dass die aufgrund der Klimaerwärmung nun wärmeren Strömungen den Gletscher von unten zum Schmelzen bringen.

Das Schelfeis, eine schwimmende Eismasse, die vom Gletscher gespeist wird, schützt den Gletscher üblicherweise weitestgehend vor Verlusten.
Das ist folgendermaßen zu erklären: Schelfeis stößt beispielsweise an zahlreiche Inseln und wirkt daher stabilisierend. So blockiert bzw. verlangsamt es die Strömung des Gletschers in das offene Meer.

In den letzten Jahren wurden jedoch kilometerlange Risse im Schelfeis nachgewiesen - verschwindet es, wird sich die Fließgeschwindigkeit des Gletschers mit ziemlicher Sicherheit erhöhen, denn in Abwesenheit des stützenden Schelfeises wird die Eiskappe kaum davon abgehalten, nach und nach in den Ozean zu fließen.

Bereits seit Jahren bringt das Schwinden des antarktischen Eisschildes Pinguinkolonien in Gefahr.

Die Grenze, an welcher der Gletscher am Meeresgrund fixiert ist, zieht sich immer weiter ins Landesinnere zurück - innerhalb der letzten 30 Jahre waren es 14 km. Er verliert seinen Halt und damit Stabilität. Das bedeutet auch, dass der Gletscher dem zu warmen Meerwasser in immer größerem Umfang ausgesetzt sein wird.

Den alarmierenden Ergebnissen eines internationalen Forscherteams zufolge, welches das Verhalten des Giganten mithilfe eines autonomen Wasserfahrzeugs über die letzten Jahrhunderte kartiert hat, hat Thwaites innerhalb der letzten 200 Jahre bereits einmal seinen Halt verloren und sich von da an in einem Zeitraum von 5,5 Monaten mit einer Geschwindigkeit von 2,1 km pro Jahr zurückgezogen - doppelt so schnell wie er sich im letzten Jahrzehnt bewegte. Das gibt Grund zur Annahme, dass der Thwaites Gletscher enorme Verluste erleiden könnte, wenn er erst einmal so weit zurückgewichen ist, dass er den Halt, den ihm Meeresrücken bis dahin gaben, verliert. Im Moment wird Thwaites jedoch noch an zahlreichen Stellen von Meeresrücken stabilisiert.

Es kann nicht mit Gewissheit sagen werden, welche Rolle der anthropogene Treibhauseffekt bei diesen Entwicklungen spielt, sicher aber leistet er seinen Beitrag. Das erlaubt uns, Zuversicht zu bewahren, denn noch liegt es auch in unseren Händen, das Eintreffen der Prognose zu verhindern.

Der Meeresspiegelanstieg und das Schicksal der Küstenstädte

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Aller Voraussicht nach wird der Meeresspiegel um bis zu 65 Zentimeter steigen, sollte Thwaites vollständig schmelzen, was andere Gletscher des Südpols auch aufgrund seiner zentralen Lage weiter destabilisieren würde und deshalb mit sich reißen könnte. Sollte der westantarktische Eisschild dem Trend folgen und kollabieren, so würde der Meeresspiegel insgesamt um bis zu 3 Meter ansteigen. Das hätte besonders drastische Folgen für Küstenstädte wie beispielsweise New York, London, Sydney und/oder Hamburg und auch ganze Länder wie die Niederlande könnten überschwemmt werden. Wegen dieser globalen Rolle wird Thwaites auch “doomsday-glacier”, also “Weltuntergangs Gletscher” genannt - wenngleich hier von einer ziemlich großen Zeitspanne die Rede ist.

Im Allgemeinen erfahren auch die Thermohaline Zirkulation & der Strahlungshaushalt der Erde Veränderungen, wenn die Eiskappen an den Polen zu tauen beginnen.

Thermohaline Zirkulation

Die Thermohaline Zirkulation beschreibt Meeresströmungen, die sich durch alle Ozeane ziehen. Sie entstehen aufgrund lokaler Salzgehalt- und Temperaturunterschiede. Diese ergeben sich unter anderem im Wärme- und Süßwasser Austausch mit der Atmosphäre sowie der Bildung bzw. dem Schmelzen von Meereis, aufgrund der Segregation des im Meerwassers enthaltenen Salzes beim Gefrieren. Meereis enthält also kein Salz mehr, somit bedeutet das Schmelzen von Gletschern wie dem Thwaites Gletscher eine Zuführung von Süßwasser in die Thermohaline Zirkulation. Der Zirkulation wird Energie geraubt, was die Strömungen schwächt. Temperatur und Salinität sind ausschlaggebend für die Dichte des Wassers, Differenzen in der Dichte führen mitunter zum Absinken von Wassermassen in den Subpolargebieten. Dieses Phänomen ruft wiederum Ausgleichsströmungen hervor.

Strahlungshaushalt

Die Sonne aus der Perspektive von NASA.

Die Sonne sendet Energie in Form von Strahlen ins Weltall. Trifft diese Strahlung auf die Erde, wird sie reflektiert, absorbiert oder umgewandelt, abhängig von der Oberfläche, auf die sie trifft. Die Strahlungsbilanz, das Verhältnis der Strahlungsflüsse, ist dann dafür verantwortlich, dass sich die Atmosphäre erwärmt oder abkühlt. Herrscht eine positive Strahlungsbilanz - welche vorliegt, sobald weniger Energie reflektiert wird, als in der Atmosphäre zurückgehalten wird - führt diese zur Klimaerwärmung.

In diesem Zusammenhang spielt der Albedo-Effekt eine große Rolle. Er ist das Maß für die Helligkeit und damit für das Reflektionsvermögen einer Oberfläche. Somit ist die Albedo gleichbedeutend mit dem Anteil der eintreffenden Sonnenstrahlen, der zurück ins All gesendet wird. Je heller die Oberfläche, desto höher das Reflektionsvermögen und damit der Albedo-Effekt. Dieser ist aufgrund der weitreichenden eisbedeckten Flächen an den Polen mitunter am höchsten, die Meeresoberfläche hingegen weist einen viel geringeren Wert auf.

Hier kommt die Eis-Albedo-Rückkopplung zum Tragen. Sie bezeichnet das Zusammenspiel von Kryosphäre und globalem Klima. Es ist ein sich selbst verstärkender Prozess, der mit der Erwärmung der Atmosphäre beginnt, was eine Reduktion der Kryosphäre zur Folge hat. So wird das Reflektionsvermögen gesenkt und die mittlere Albedo nimmt ab. Das wiederum führt zur weiteren Erwärmung der Atmosphäre und somit zu einer abermaligen Abnahme der Kryosphäre. Weil die Kryosphäre Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Erde hat, wirkt sich ihre Veränderung also auch auf das globale Klima aus.

Das Schmelzen der polaren Eiskappen kann unsere Zukunft dauerhaft dirigieren, weswegen es jetzt an uns liegt, unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.

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