Der Einfluss des Klimas auf die Ökosysteme

Februar 2023
Fotograf:in: Morgan Newnham, Copyright: Unsplash

In dem Bericht „Frontiers 2022: Emerging Issues of Environmental Concern“ richtet die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) das Augenmerk auf drei bevorstehende, bislang unterschätzte Folgen des Klimawandels. Eine dieser Warnungen betrifft die “phänologischen” Veränderungen, die als Folge der fortschreitenden Erderwärmung vermehrt auftreten und drohen, unsere Ökosysteme aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Was ist Phänologie?

Das Wort "Phänologie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie Erscheinungslehre - es bezeichnet die “Lehre vom Einfluss der Witterung und des Klimas auf die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzen und Tiere” (Duden). Man beobachtete über die Jahre hinweg wiederkehrende Abfolgen anhand derer auch Prognosen für die Zukunft gemacht werden können.

Die Phänologie definiert den Jahresverlauf genauer, wie auch das Kalenderjahr oder Sonnenwenden und Tag-Nacht-Gleichen. Die phänologischen Jahreszeiten wurden anhand des für lange Zeit gleichbleibenden Wachstumsverhaltens verschiedener Pflanzen bestimmt.

Tiere und Pflanzen richten sich oft nach der Temperatur, die ihnen als Zeitgeber dient. Im Laufe der Evolution haben sich bestimmte Lebenszyklen aufeinander abgestimmt, so laufen beispielsweise die der Pflanzenblüten und der bestäubenden Insekten teils synchron ab, ebenso wie die von Zugvögeln und deren Nahrungsgrundlage. Die Erderwärmung bewirkt nun unter anderem, dass aufeinander eingespielte Zyklen aus dem Takt gebracht werden, z.B. pflanzen sich manche Arten früher fort - Jäger verpassen ihre Beute, bestäubende Insekten die Blütezeit - man nennt das “Mismatch”.

Beweisstück A

Der Bestand der Heringslarven, deren Leben in der deutschen Ostsee beginnt, ging in den letzten 15 Jahren um rund 90% zurück. Die Ursache ist auch hier der Klimawandel - aufgrund der globalen Temperaturentwicklung schlüpfen die Larven circa 3 Wochen früher als noch vor 30 Jahren. Das liegt daran, dass die Wassertemperatur im Frühling vorgibt, wann die Laichwanderung in die Ostsee beginnt.

Der atlantische Hering zählt zu den häufigsten Fischen der Welt, doch die Zahl der Heringe vor der Ostseeküste nimmt bereits seit Jahren massiv ab.

Je milder der Winter, desto früher im Jahr wird die Temperatur erreicht - und die Larven schlüpfen vorzeitig. Die Planktonblüte setzt jedoch erst später im Frühjahr ein. Der Nachwuchs des Phyto- und des Zooplankton, der die Nahrungsgrundlage der Heringe bildet, wird vom Licht - nicht der Temperatur - gesteuert und ist deshalb zu dem Zeitpunkt noch nicht ausreichend vorhanden. Folglich verhungert ein Großteil der Larven. Das wiederum resultiert in weniger fortpflanzungsfähigen Heringen und demzufolge gibt es abermals weniger Larven – also dauerhaft weniger Nachwuchs.

Wenngleich es Arten wie dem Hering möglich ist, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, dauert das in diesem Fall, so der Meeresbiologe Dr. Christopher Zimmermann, mindestens 25 Jahre - so viel Zeit bleibt ihnen nur vielleicht angesichts des aktuellen Temperaturanstiegs nicht mehr.

Die Heringe bilden zudem eine wichtige Nahrungsgrundlage für andere Meeresbewohner - verliert eine Nahrungskette ein Glied, kann das eine Reihe von Auswirkungen auf andere Tiere und sogar das ganze Ökosystem haben.

Schutzmaßnahmen, die sofort in Angriff genommen werden könnten, wären beispielsweise folgende:

  • die Rekonstruktion der Lebensräume
  • die Minimierung anderer Stressfaktoren wie, im Fall der Heringe, die Eutrophierung - das ist der Fachbegriff für den Prozess der sich abspielt, wenn der Nährstoffeintrag aus den Flüssen ins Meer zu schnell steigt: Aufgrund der Nährstoffbelastung wächst die Population des Phytoplankton (pflanzlicher Plankton) enorm. Dieses Wachstum birgt allerdings seinerseits große Gefahren, weil sich auch toxische Algen verbreiten können. Doch selbst wenn sie nicht giftig sind, die Plankton-Konzentration aber abrupt ansteigt, kann das für die übrigen Meeresbewohner lebensgefährlich werden: Phytoplankton wird von Bakterien unter Sauerstoffverbrauch abgebaut - dem Wasser wird also Sauerstoff entzogen und Fische können ersticken.

Unter solch verbesserten Bedingungen wird angenommen, dass sich der Heringsbestand innerhalb einiger Jahre wieder erholen kann. Solange der Klimawandel jedoch weiterhin so schnell voranschreitet und die Treibhausgas-Emissionen nicht wesentlich vermindert werden, wird das drohende Schicksal der Heringe und anderer betroffener Arten lediglich in die Länge gezogen.

Beweisstück B

Bei Meeresschildkröten entscheidet die Umgebungstemperatur über das Geschlecht der Jungtiere - beträgt sie weniger als 27,7 Grad Celsius, entwickeln sich Männchen, ab 31 Grad Celsius werden es Weibchen - liegt die Temperatur zwischen den beiden Werten, können sich potenziell beide Geschlechter entwickeln.

In Florida und im Great Barrier Reef in Australien schlüpfen fast ausschließlich weibliche Meeresschildkröten.

In Florida wird beobachtet, dass kaum noch Tiere des männlichen Geschlechts schlüpfen! Gleiches gilt für Australien bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten: 99% der Nachkommen der Grünen Meeresschildkröte im nördlichen Great Barrier Reef sind weiblich. Der Mangel an genetischer Vielfalt bedroht den Fortbestand der Meeresschildkröten. Allerdings sind die Temperaturen an Niststränden, die weiter im Süden gelegen sind, nach wie vor niedriger, weshalb es dort nur zwischen 65 und 69% weibliche Exemplare gibt.

Diese verheerenden Veränderungen setzten nicht nur Meeresbewohnern zu, denn Heringe und Meeresschildkröten sind bei weitem nicht die einzigen betroffenen Arten. Es kann auch dazu führen, dass der Mensch selbst die Auswirkungen zu spüren bekommt, denn unsere Ökosysteme sind komplexe und fragile Gebilde. Dank der Phänologie lassen sich solche Trends frühzeitig erkennen, was uns die Chance bietet, dem zugrundeliegenden Problem, dem menschengemachten Klimawandel und der damit einhergehenden Erderwärmung, rechtzeitig so gut es geht entgegenzuwirken.

  • https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/folgen-des-klimawandels/klimafolgen-deutschland/klimafolgen-handlungsfeld-fischerei#auswirkungen-des-klimawandels-auf-meere-und-die-seefischerei , abgerufen am 30.01.2023
  • https://www.tagesschau.de/wissen/klima/natur-tiere-erwaermung-rhythmus-101.html , abgerufen am 30.01.2023
  • https://scienceblog.at/taxonomy/term/4369, abgerufen am 30.01.2023
  • https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2022/02/phaenologie-pflanzen-jahreszeiten-klimawandel-fruehlingsanfang, abgerufen am 03.02.2023
  • https://worldoceanreview.com/de/wor-1/verschmutzung/ueberdungung/, abgerufen am 03.02.2023
  • https://www.scinexx.de/dossierartikel/toedliche-blueten/#:~:text=Doch%20um%20w%C3%A4hrend%20der%20Bl%C3%BCtezeit,Fische%20und%20andere%20Meeresbewohner%20ersticken., abgerufen am 03.02.2023
  • https://www.bund.net/themen/tiere-pflanzen/tiere/fische/hering/, abgerufen am 03.02.2023
  • https://www.wetter.de/cms/wetterlexikon-phaenologische-jahreszeiten-2400045.html, abgerufen am 05.02.2023
  • https://www.watson.ch/wissen/forschung/484451134-klimaerwaermung-bedroht-meeresschildkroeten-es-gibt-zu-wenige-maennchen, abgerufen am 05.02.2023
  • https://www.n-tv.de/wissen/Schildkroeten-leiden-unter-Weibchenueberschuss-article20223086.html#:~:text=Im%20 Norden%20 des%20 australischen%20 Great,der%20 Fachzeitschrift%20%22 Current%20 Biology%22., abgerufen am 05.02.2023
  • https://www.geo.de/geolino/tierlexikon/182-rtkl-tierlexikon-atlantischer-hering#:~:text=Atlantische%20 Heringe%20, abgerufen am 05.02.2023
  • https://www.duden.de/rechtschreibung/Phaenologie, abgerufen am 06.02.2023
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