Ein Streifen Kunstschnee imitiert eine Skipiste, aber so weit das Auge reicht, ist die Landschaft grün – Ein böses Omen? So oder ähnlich spärlich sehen in dieser Saison jedenfalls bei Weitem zu viele Pisten aus und selbst Schneekanonen können an der Situation nichts mehr ändern. Anfangs machte es den Anschein, als würden die Wintermonate bitter enttäuschen – Reit Im Winkl gab bekannt, sie würden das Skigebiet ab Heiligabend schließen, am Großen Arber im bayerischen Wald wurde der Saisonstart “auf unbestimmte Zeit” verschoben. Inzwischen sind die meisten Skigebiete Deutschlands offen, auch wenn oftmals nur einige wenige Kilometer und bei weitem nicht alle Pisten in Betrieb genommen wurden.
2022 geht als wärmstes Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte ein. Aufgrund der beispiellosen Temperaturen von bis zu 20 Grad, die in diesem Winter herrschten, sind alle tiefer gelegenen Pisten auf künstliche Beschneiung angewiesen – es scheint, als haben viele beliebte Ziele für den Wintersport keine Zukunft mehr.
Schneekanonen - Retter in Not oder Klimasünder?
Angesichts der Energiekrise bleiben die Schneekanonen umstritten, aufgrund des Klimawandels sind sie aber unentbehrlich - ironischerweise. Ohne Schneekanonen wäre Wintersport in niedrigen Lagen schon länger nicht mehr realisierbar gewesen. Allerdings sind viele Umweltschützer der Meinung, die Energiekrise fordere einen umgehenden Verzicht auf den künstlichen Schnee.
Schneekanonen können einen beachtlichen Anteil des Stromverbrauches eines Skigebiets ausmachen. Das verursacht dieser Tage enorme Kosten: Das Skigebiet Sestriere in Italien spekuliert, zwei Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor für künstliche Beschneiung investieren zu müssen - und das, wo es sie im Vorjahr schon 2,7 Millionen gekostet hat. Die hohen Energiekosten spiegeln sich auch in den Preisen der Skipässe wider: Tickets sind in dieser Saison zwischen 10 und 20% teurer.
Ein gänzlicher Verzicht auf Schneekanonen würde für Wintersportler bedeuten, längere Anfahrten einzuplanen, was wiederum zu mehr Schadstoffemissionen führt – und das, wo der Verkehr bereits jetzt 75% der Emissionen des Alpentourismus verursacht und jeden Winter ohnehin 48 Millionen Touristen in die Alpen reisen.
Auch die Verstädterung und der Ausbau der Infrastruktur in Skigebieten machen einen beachtlichen Anteil an den Schadstoffemissionen aus.
Wasser- und Energiebedarf steigen, aber ist die technische Beschneiung wirklich eine “Umweltsünde”, wie sie von den Medien betitelt wird, oder liegt das eigentliche Problem vielleicht woanders? Anhand der folgenden Eindrücke könnt ihr euch ein eigenes Bild machen.
Der “technische Schnee” und die Wirtschaft
(Ski-)Tourismus bildet in den Alpen vielerorts den wichtigsten Wirtschaftszweig und ist für die Einwohner unabdingbar geworden. Damit machen sich die betroffenen Regionen aber auch abhängig von externen Faktoren, wie dem Wetter und auch dem Klimawandel. Nutzt man künstliche Beschneiung, ist man nicht länger darauf angewiesen, dass das Wetter mitspielt und die Wintersaison lässt sich sogar verlängern. Schneekanonen sichern so die Wirtschaft und das Einkommen vieler Beschäftigter und scheinen deshalb unentbehrlich.
Auch die Pflanzen- und Tierwelt ist schwer betroffen
Kunstschnee ist widerstandsfähiger, aber auch kompakter und weniger atmungsaktiv als Naturschnee. Er zerstört, ebenso wie die Planierung von Pisten mit Skiraupen, die Vegetation und bewirkt, dass der Boden kaum Wasser aufnehmen kann. Dieses Wasser fließt stattdessen den Berg herunter - das Risiko für Erosionen, Erdrutsche, Geröll- und Schlammlawinen sowie Überschwemmungen steigt.
Die Skipiste selbst richtet noch mehr Schaden an als der Kunstschnee, denn allein für deren Bau werden kilometerweise Wälder gerodet – und sogar bedrohte Tier- und Pflanzenarten werden ihrem Lebensraum beraubt.
Eine Voraussetzung für Kunstschnee und Skigebiete im Allgemeinen ist eine umfangreiche Infrastruktur, denn Schneekanonen selbst machen lediglich 5 - 20 % der Investitionen in Beschneiungsanlagen aus. Dazu kommen Wasser-, Luft- und Stromleitungen, Wasserspeicher, Pumpen, Stationsgebäude, Energieversorgungsanlagen, Steuerungen etc… Das sind enorme Eingriffe in die Umwelt und es kann Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern, bis sich Flora und Fauna regeneriert haben.
Wasserverbrauch von Schneekanonen
Wasser für Kunstschnee wird meist aus Fließgewässern, natürlichen oder künstlichen Seen bezogen, manchmal aber auch aus dem Trinkwasser, aus Quellen oder aus dem Grundwasser.
Je nach Modell und Lufttemperatur verbraucht eine Schneekanone für die Beschneiung eines Hektars mit standardmäßig 30 cm tiefem Schnee rund 1.000 Kubikmeter Wasser. Damit ist es aber nicht getan, denn Schneekanonen kommen über die Wintermonate hinweg immer wieder zum Einsatz. Laut einer Studie aus Frankreich (Wintersaison 2002/2003) waren für die künstliche Beschneiung eines Hektars über die Saison hinweg 4.000 Kubikmeter Wasser erforderlich. Ein Beispiel aus dem Jahr 2004: Bereits damals wurden im gesamten Alpenraum 23.800 Hektar Pistenfläche beschneit. Das bedeutet, dass der Wasserverbrauch aller Schneekanonen in einer Saison mit dem einer Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern pro Jahr verglichen werden kann.
Energieverbrauch von Schneekanonen
Dass Schneekanonen einiges an Energie verschlingen, kann nicht geleugnet werden, aber es ist wichtig, die Zahlen im Verhältnis zu sehen. Auf Basis einer in Frankreich durchgeführten Umfrage des ‘Service d’Études et d’Aménagement Touristique de la Montagne SEATM’ (2001/02) wurde errechnet, dass der Energieverbrauch pro Saison aller in den Alpen eingesetzten Schneekanonen 600 GWh beträgt, das ist vergleichbar mit dem jährlichen Stromverbrauch von 130.000 vierköpfigen Haushalten. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass es allein in Deutschland durchschnittlich 41 Millionen Zwei-Personen-Haushalte gibt.
Die guten Neuigkeiten sind, dass, obwohl der Verbrauch in den letzten zwei Jahrzehnten auf 2.100 GWh anstieg, der gesamte Betrieb von Anlagen deutscher Skigebiete (inklusive Schneekanonen) 2021/22 nur 0,0075% des Bruttostromverbrauches ausmachte - so der VDS, der Verband deutscher Seilbahnen. Dazu kommt, dass, laut dem VDS, deutsche Skigebiete 2021/22 75% des gesamten Stroms aus erneuerbaren Energien bezogen und 5,9% aus selbst produziertem Ökostrom.
Was sollten wir jetzt tun?
- Wie weiter oben erwähnt verursacht die Anreise wohl die meisten Schadstoffemissionen der gesamten Wintersaison – das ließe sich ändern, indem mehr Touristen mit Bahn oder Bus anstelle des Autos reisen und für mehrere Tage bleiben, nicht nur für einen Tag aufbrechen, das aber mehrmals im Jahr.
- Wähle ein Skigebiet, das Wert auf Nachhaltigkeit legt: Die 19 Mitglieder der Alpine Pearls beispielsweise sind über 5 Länder verteilt, versprechen einen nachhaltigen Urlaub und ermöglichen eine Reise ohne eigenes Auto!
- Seit nur noch auf den präparierten Pisten Schnee liegt, ist es enorm gefährlich, vom Weg abzukommen. Ein Polizeisprecher warnte, dass die Verletzungsgefahr jetzt höher sei, denn das Geröll abseits der präparierten Strecke kann enorm gefährlich werden. So endete ein Skiurlaub in Österreich für zwei 17-Jährige und 13 weitere tödlich: Das Unglück ereignete sich, als sie über die Grenze der markierten Piste fuhren – viele weitere trugen davon schwere Verletzungen.
Wintersport in der Zukunft
Angesichts des unerbittlich voranschreitenden Klimawandels ist davon auszugehen, dass zukünftig allein Skigebiete in höheren Lagen wirtschaftlich gewinnbringend und gleichzeitig nachhaltig für Mensch und Umwelt sein können. Expert:innen sind sogar der Meinung, dass es in naher Zukunft keinen Wintersport mehr in Regionen geben wird, die tiefer liegen als 1800 Meter. Die Temperaturen steigen dort inzwischen so stark an, dass selbst Kunstschnee das Schicksal deutscher Skigebiete nicht mehr abwenden kann.
Das Problem liegt darin, dass, während Umweltschützer:innen und Politiker:innen noch über den “vom Staat subventionierten Umwelt Vandalismus" (Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im bayerischen Landtag) debattieren, es für Schneekanonen sowieso schon zu warm ist. Die werden vielerorts gar nicht mehr eingesetzt. Kunstschnee verfügt zwar über eine höhere Dichte und bleibt daher länger liegen, doch auch er kann nur bei Minusgraden entstehen. Genau genommen erfordert die wirtschaftlich effiziente Bildung von Kunstschnee eine Lufttemperatur von mindestens -4 Grad Celsius, eine Wassertemperatur von 2 Grad abwärts und eine Luftfeuchtigkeit von weniger als 80%. Beschneiungsanlagen können zwar ausbleibenden Niederschlag ersetzen, aber dem Klimawandel sind auch sie ausgeliefert. Obwohl auch höher gelegene Regionen meist nicht mehr ohne Beschneiung auskommen, ist es dort wenigstens so kalt, dass Schneekanonen eingesetzt werden können. Zumindest kann man sich z.B. auf der Zugspitze (2600 Meter) weiterhin auf Naturschnee verlassen, denn es wird hoffentlich noch dauern, bis auch sie die Auswirkungen der Erderwärmung zu spüren bekommt - bis dahin geht es darum, das Ausmaß des Klimawandels in den Griff zu bekommen!
https://www.bmuv.de/jugend/wissen/details/welche-zukunft-hat-der-wintersport, abgerufen am 12.02.2023
https://www.morgenpost.de/vermischtes/article237298827/skifahren-winter-schnee-regionen-oesterreich-zugspitze-klimawandel.html, abgerufen am 05.02.2023
https://www.sueddeutsche.de/panorama/wetter-skisaison-im-gruenen-ohne-beschneiung-haetten-wir-schon-zu-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-221229-99-41811, abgerufen am 05.02.2023
https://www.t-online.de/region/muenchen/id_100109510/skitourismus-schneekanonen-in-bayern-wahres-problem-ist-nicht-der-strom.html, abgerufen am 05.02.2023
https://www.snowplaza.de/weblog/7133-kunstschnee-vs-naturschnee/#:~:text=Aufgrund%20des%20h%C3%B6heren%20Wasseranteils%20im,gerne%20mal%20die%20Bretter%20wegrutschen., abgerufen am 05.02.2023
https://www.br.de/nachrichten/wissen/skitourimus-wie-umweltschaedlich-ist-kunstschnee-wirklich,RBYdTCf, abgerufen am 05.02.2023
https://www.rnd.de/wissen/klimaschaedlicher-skiurlaub-so-ist-die-klima-bilanz-von-schneekanonen-seilbahnen-anreise-M3T6SZEDAJHZJGNNZ7ESFGYR5U.html, abgerufen am 05.02.2023
https://www.mdr.de/wissen/wetter-deutschland-zweitausendzweiundzwanzig-waermstes-jahr-aller-zeiten-100.html, abgerufen am 05.02.2023
https://www.skigebiete-test.de/skimagazin/obertauern-oesterreichs-schneereichster-wintersportort.htm, abgerufen am 06.02.2023
https://www.rnd.de/reise/skifahren-wird-teurer-preise-steigen-zur-ski-saison-20222023-um-etwa-zehn-prozent-TNPVOZGM4LIEQISHKMOJAWH7KU.html#:~:text=Skifahren%20wird%20teurer%3A%20Preise%20steigen,2023%20um%20etwa%20zehn%20Prozent, abgerufen am 06.02.2023
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/schnee-aus-der-schneekanone-so-hoch-ist-energieverbrauch-von-kunstschnee,TO6LgVq, abgerufen am 06.02.2023
https://www.seilbahnen.de/seilbahnen-und-energie/, abgerufen am 06.02.2023
https://www.klett.de/alias/1015012, abgerufen am 06.02.2023
https://www.lfu.bayern.de/natur/freizeitnutzung/beschneiungsanlagen/doc/cirpa_dossier_kunstschnee.pdf, abgerufen am 07.02.2023
https://www.alpine-pearls.com/, abgerufen am 07.02.2023
https://zugspitze.de/de/Unsere-Bergwelten/Winter/Skigebiet-Zugspitze#:~:text=Die%20 Pisten%20in%20der%20 Skiregion,am%20 Zugspitzplatt%20(2.600%20m)., abgerufen am 07.02.2023
https://www.ludwighartmann.de/zukunftsfaehige-und-nachhaltige-tourismuskonzepte-fuer-bayerns-berge-erlebbare-und-intakte-natur-erhalten/ , abgerufen am 08.02.2023