Kaum ein Produkt verspricht dieselben Profite wie Mineralwasser: In vielen Regionen ist abgefülltes Wasser mehr wert als Benzin, die Kosten der Förderung und Aufbereitung sind dabei nicht einmal erwähnenswert. Global Player wie Nestlé und Coca-Cola verwandelten Wasser in ein Lifestyle-Produkt und gingen dabei über mehr als nur ein paar Leichen.
Fallbeispiel: Nestlé
Rund um den Globus kauft Nestlé Wasserrechte von staatlichen Behörden, um Grundwasser zu befördern. Gereinigt und abgefüllt finden wir das Mineralwasser dann in den Regalen unserer Supermärkte unter Namen wie Pure Life oder San Pellegrino. Pure Life ist übrigens das am meisten konsumierte Flaschenwasser der Welt.
Die 95 Produktionsstandorte Nestlés in insgesamt 34 Ländern umfassen auch Regionen in Südafrika, Pakistan und Äthiopien – Länder, in denen der Wassermangel so fatal ist, dass, auch ohne die Anwesenheit Nestlés, die politische Situation bereits extrem angespannt ist.
Nestlé's Marke Pure Life verkörpert aufgrund der gezielt eingesetzten Werbung in Pakistan ein Statussymbol und in Nigeria zählt es zu den wenigen verlässlichen Trinkwasserquellen.
Wo öffentliche Wasserinfrastruktur nicht Teil der Lebensrealität ist, wie bei uns in Deutschland, wo wir uns jederzeit am Wasserhahn bedienen können, steht Nestlé zur Seite und bereichert sich an einer in Armut lebenden Gesellschaft – legal, aber moralisch fragwürdig.
Poland, Maine, USA: Das überholte Grundbesitzrecht erlaubt es Landbesitzern, auf dem eigenen Grundstück beliebig viel Wasser zu befördern. Das kommt gewinnorientierten Konzernen wie Nestlé gerade recht: Man erwirbt einige Grundstücke und installiert schrittweise neue Brunnen. Jeden Tag fördert Nestlé zehntausende Hektoliter des Grundwassers und die Bewohner Polands können nur hilflos zusehen, wie ihre Grundwasserquellen langsam versiegen.
Das große Geschäft mit Wasser ist grundsätzlich nicht darauf ausgelegt, den Zugang zu sauberem Wasser für jeden zu gewährleisten, denn die Absicht der Konzerne, die das Geschäft diktieren, ist eine ganz andere.
Ist es demnach möglich, das SDG 6 zu erfüllen und den Zugang zu sauberem Wasser in die Grundrechte aufzunehmen, während Wasser ein Wirtschaftsgut ist und von Global Playern wie Nestlé und Coca Cola kontrolliert wird?
Die Ziele der UN in einer Welt in der sie lebensfremd erscheinen
Mit der 2030-Agenda und insbesondere dem Nachhaltigkeitsziel Nr. 6 “Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen” will die UN die Grundlage für das Überleben des Menschen sicherstellen: Allen Menschen soll die Verfügbarkeit von reinem Wasser gewährleistet werden. Ebenfalls soll der Zugang zu gepflegten Sanitäranlagen gesichert und das Management der Wasserressourcen optimiert werden.
Doch die Realität scheint, laut der Zwischenbilanz des UN-Wasserberichts, hier einen Strich durch die Rechnung zu ziehen – Wir stehen vor enormen Herausforderungen:
- 3,6 Milliarden Menschen leben in Regionen, in denen mindestens ein Monat im Jahr Wassermangel herrscht.
- 26 % aller Menschen besitzen keinen Zugang zu sauberem Wasser.
- Während der letzten 40 Jahre verzeichnete man einen Anstieg des weltweiten Wasserverbrauches um ca. 1% jährlich, Prognosen vermuten einen anhaltenden Trend bis 2050. Die Gründe dafür sind das Bevölkerungswachstum, die sozioökonomische Entwicklung sowie das Konsumverhalten der Bevölkerung.
Diese Faktoren werden sich langfristig auch auf Regionen, in denen Wasserressourcen noch reichlich vorhanden sind, auswirken. Auch Deutschland könnte betroffen sein.
Die zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität verstärkt die globale Wasserkrise zusätzlich und viele Länder des globalen Südens besitzen immer noch keine ausreichenden Abwasseraufbereitungsanlagen.
Mehr zur diesjährigen UN-Wasserkonferenz und den gefallenen Entscheidungen findest du hier!
Im Kontrast dazu stehen die Top-Player der Lebensmittelbranche, die sich um solche Problematiken keine Gedanken machen müssen. Alles, was solche Konzerne sehen, ist ein neuer Markt, der nur darauf wartet, erschlossen zu werden.
Maude Barlow, die kanadische Aktivistin und Autorin, wirkt als Beraterin der UN und äußert sich im Film Bottled Life zu Nestlés Machenschaften: ”Nestlé ist ein Wasserjäger, ein Raubtier auf der Suche nach dem letzten sauberen Wasser dieser Erde.”
Gleichartige Vorgehensweisen werden auch bei Coca Cola und PepsiCo beobachtet – sie gehen bei der Markterschließung vergleichbar rigoros vor. Coca-Cola fand sogar einen Weg, aus dem Wassermangel in Chiapa, Mexiko, Profit herauszuschlagen.
Chiapas: Mexikanischer Bundesstaat oder Coca-Cola-Land?
Im bergigen Hochland Chiapas wurde Coca-Cola in die Kultur integriert und Typ-2 Diabetes als Todesursache Nummer eins gleich mit. Plakatwände mit Coca-Cola Werbung sind hier so zahlreich anzufinden, dass die in Armut lebende Bevölkerung sie sogar manchmal als Baumaterial gebraucht.
Hier ist Strom keine Selbstverständlichkeit und sauberes Trinkwasser schon gar nicht – eine Lücke, die Coca-Cola nur zu gerne schließt. Rund 2 Liter des Softdrinks konsumieren die Bewohner der Region täglich, das ist ein weltweit unbestrittener Rekord.
Jaime Page, ein Wissenschaftler, dessen Schwerpunkt in der Medizinanthropologie liegt, gab bekannt, die mexikanische Regierung habe versucht, die diabetesbedingte hohe Sterblichkeitsrate in Chiapas der Öffentlichkeit vorzuenthalten, um ihr Ansehen nicht zu schädigen.
Die Preise von Coca-Cola und Trinkwasser unterscheiden sich hier kaum mehr – kombiniert man das mit der Tatsache, dass der Großteil der Bevölkerung nicht glauben will, dass die Softdrinks ihrer Gesundheit schaden, schafft das die idealen Voraussetzungen für Global Player wie Coca-Cola. Einige Studien weisen darauf hin, dass die indigene Bevölkerung des Hochlandes die weltweit treuesten Verbraucher des Softdrinks sind.
Der Aussage regionaler Aktivisten zufolge ist Coca-Cola zudem verantwortlich für den Wassermangel der Stadt San Cristóbal de las Casas. Ironischerweise ist der Bundesstaat Chiapas enorm regenreich und bekannt für die zahllosen Quellen – besonders eine davon hat die Gegend für Coca-Cola erst attraktiv gemacht: Die Quelle San Cristóbals. Heute darf Coca-Cola hier täglich mehr als eine Millionen Liter Wasser fördern. Angeblich ist es Coca-Cola möglich, die Region derart auszubeuten, weil sie prominente Kontakte in der Regierung haben: Der mexikanische Präsident der Jahre 2000-2006, Vicente Fox, ist zugleich ehemaliger Firmenleiter der Coca-Cola Company.
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- UN-Weltwasserbericht 2022: Grundwasser | Deutsche UNESCO-Kommission
- Weltwasserbericht 2022_Deutsche Kurzfassung.PDF (unesco.de)
- Weltwasserbericht – Wikipedia
- UN-Weltwasserbericht: Ein Viertel ohne Zugang zu sauberem Wasser | tagesschau.de
- Weltwasserkonferenz und UN-Weltwasserbericht 2023 (baulinks.de)
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