Bhutan – ein klimaneutrales Königreich

August 2023
Fotograf:in: Darshan Chudasama, Copyright: Unsplash

Das “Land des Donnerdrachen”, wie es in der Landessprache bezeichnet wird, grenzte sich für lange Zeit fast gänzlich von der Außenwelt ab und weigerte sich strikt gegen Einfluss von außen. Erst gegen Ende des Jahres 2020 ging Bhutan mit Deutschland eine diplomatische Beziehung ein – damit gehört Deutschland zu den insgesamt 54 Ländern, mit denen Bhutan diplomatische Beziehungen pflegt.

Die bis dahin herrschende Isolation zeigt sich wohl am ehesten daran, dass für die dortige Regierung nicht das Wirtschaftswachstum an erster Stelle steht, sondern das “Bruttonationalglück”.

Die Alleinstellungsmerkmale Bhutans

Jemanden, der in der westlichen Welt mit all ihren Idealen und Grundsätzen aufgewachsen ist, macht der Ausdruck “Bruttonationalglück” vielleicht stutzig, denn es steht in starkem Kontrast zu der in Industrienationen herrschenden Gesellschaftsstruktur. Unsere Welt funktioniert nunmal genau andersherum. Und doch zeigt sich Bundeskanzler Olaf Scholz interessiert daran, sich mit dem Präsidenten Bhutans, Lotay Tshering, auszutauschen, denn den Ansatz Bhutans finde er faszinierend. Zudem sei die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen Bhutans beeindruckend, so Scholz. Die Entschlossenheit, mit der man die Wälder in Bhutan schützt und der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien erlauben es dem Land, dreimal mehr CO2 zu absorbieren als sie emittieren. In den vergangenen Jahren konnte Bhutan außerdem wirtschaftliches Wachstum verzeichnen, ohne Klimaschutzmaßnahmen dabei zurückzustellen.

Die eher unscheinbare Hauptstadt Thimphu liegt inmitten der Gebirgsketten.

Das Bruttonationalglück

Glück ist in der bhutanischen Tradition seit Jahrhunderten fest verankert. Bereits in einem Rechtskodex des 17 Jahrhunderts wurde der folgende Satz verewigt: “Wenn die Regierung kein Glück für ihr Volk schaffen kann, dann gibt es keinen Grund für den Bestand dieser Regierung." Auch legt die Verfassung Glück als ein Grundrecht fest. Doch was versteht man unter dem Ausdruck “Bruttonationalglück”? Der Begriff bedeutet, dass man politische Entscheidungen aufgrund ihres Einflusses auf Gesundheit, Umwelt, Bildung und die Zufriedenheit der Menschen trifft, anstatt den Fokus allein auf die Entwicklung der Wirtschaft zu legen. Wirtschaftswachstum und Erfolge dieser Art sind demnach keine Ziele mehr, sondern Mittel zum Zweck, wobei der Zweck das Glücklichsein der Bevölkerung ist.

Die größte Buddha-Statue der Welt misst 51 Meter und befindet sich etwas außerhalb der bhutanischen Hauptstadt Thimphu.

Klimaschutz in Bhutan

Bhutan, ein leicht zu unterschätzendes Land am Rand des Himalaya Gebirges zwischen China und Indien, ist einer der Vorreiter, was das Thema Klimaschutz anbelangt. Das Königreich, das in seiner Größe der Schweiz entspricht und dessen Einwohnerzahl weniger als 800.000 Menschen misst, hat eine beispiellose Einstellung zum Thema Klimaschutz und ist das einzige Land weltweit, das bereits den Status der Klimaneutralität erreicht hat.

In der Verfassung ist zum Beispiel verankert, dass stets mehr als 60% des Landes von Wald bedeckt sein muss. Mit dem “One Million Tree Project” setzt Bhutan erneut ein Zeichen im Kampf gegen den Klimawandel. Innerhalb der nächsten drei Jahre will man mehr als eine Millionen Bäume pflanzen. Zusätzlich dazu wird praktisch der gesamte Energiebedarf durch erneuerbare Energien gedeckt.

Die Energie, die das Land aus Wasserkraft gewinnt, deckt nicht nur den eigenen Verbrauch, es ist auch ein wichtiges Exportgut: Mehr als 50 Prozent der Staatsausgaben werden durch den Handel mit Strom in Indien wieder eingeholt. Drei Viertel der erneuerbaren Energie Bhutans werden direkt in das Nachbarland geschickt.

Festivitäten im Gangteng-Kloster.

Zu gut, um wahr zu sein?

Bhutan schneidet zweifellos enorm gut ab in Sachen Klimaschutz. Fest steht jedoch, dass auch das Königreich im Himalaya mit eigenen Problemen zu kämpfen hat: Der Preis, den das Land für die umweltschonende Entwicklung zahlt, ist hoch. Armut, eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und die enorme Staatsverschuldung stehen in Kontrast zu dem Titel “Land des Glücks”, denn ein Leben am Existenzminimum kann dem Glücklichsein durchaus in die Quere kommen.
Dazu kommt, dass Bhutan die Auswirkungen der Erderwärmung schon jetzt deutlich zu spüren bekommt; Gletscher schmelzen, der Monsun wird immer ungehaltener und Sturzfluten und Erdrutsche suchen das Land in den Sommermonaten heim. Im Winter trocknen die Wasserquellen des Landes dagegen immer weiter aus und die Strömungen der Flüsse verlieren an Kraft. Das wird mit der Zeit zu einem immer größeren Problem, denn Bhutan hat bis heute kaum eine eigene Industrie aufgebaut; abgesehen von Elektrizität aus Wasserkraft verfügt das Land also über kaum Exportgüter.
Eine diversifizierte Wirtschaft kann als Versicherung in Krisenzeiten angesehen werden, die aktuellen klimatischen Veränderungen ziehen Bhutan nun eben genau wegen der Monostruktur der Wirtschaft extrem in Mitleidenschaft: Eines der wenigen Exportgüter, die der Staat zur Verfügung hat, ist der Strom. Muss also die Produktion des Stromes heruntergefahren werden, z.B. aufgrund neuartiger Naturphänomene infolge der Erderwärmung, ist die Wirtschaft nicht mehr gesichert.
In der Winterzeit muss inzwischen Strom aus Indien importiert werden – dabei kann dann wieder nicht gesagt werden, ob diese Energie aus Kohlekraftwerken o.ä. stammt.

Selbstverständlich vereinfacht es das Streben nach Klimaneutralität, wenn man als Land über kaum Industrieanlagen verfügt; man kann dann schlichtweg nicht so viele Emissionen verursachen. Selbst Alltagsprodukte wie Bohrmaschinen, Smartphones, Arzneimittel und Grundnahrungsmittel importiert Bhutan. Die Abhängigkeit von anderen Ländern als auch vom Klima ist also groß, eine Lage, in der sich niemand gerne befindet.

Wie lautet also das Geheimnis Bhutans? Ist es die Abwesenheit der Industrie oder einfach gute Politik?
Das Königreich zwischen China und Indien kennt seine Prioritäten jedenfalls und zumindest an der Überzeugung, mit der sie für das Klima eintreten, kann sich die restliche Welt ein Beispiel nehmen. Obwohl Bhutans CO2-Bilanzen beispiellos sind, kann ein Land, das in seiner Überzeugung alleine steht und in etwa nur die Größe von Baden-Württemberg besitzt, nur bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf die globale Situation nehmen. Es liegt also an den restlichen Ländern etwas aus den Fortschritten Bhutans in Sachen Klimaschutz zu lernen und sie mit der Welt zu teilen. Auch wenn unsere Ausgangslagen verschieden sind, sollten wir uns von den Erfolgen Bhutans inspirieren lassen.

  • https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bhutan-klimaschutz-100.html
  • https://www.tagesschau.de/ausland/asien/scholz-bruttonationalglueck-bhutan-101.html
  • https://tradingeconomics.com/bhutan/imports
  • https://www.tagesschau.de/multimedia/podcast/malangenommen-bruttonationalglueck-101.html
  • https://www.handelsblatt.com/technik/energie-umwelt/klimawandel-bhutans-energiequellen-trocknen-aus/23755422.html
  • https://goodimpact.eu/recherche/reportage/wasserkraft-in-bhutan-ein-klimaneutrales-koenigreich
  • https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/scholz-trifft-ministerpraesidenten-von-bhutan-2170752
  • https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/bruttoinlandsglueck_in_buthan_1869.htm
  • https://www.aargauerzeitung.ch/leben/der-glucksminister-aus-bhutan-setzt-sich-fur-das-bruttonationalgluck-ein-nun-besuchte-er-die-schweiz-ld.1201162
  • https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/wandel-in-bhutan-was-tun-unglueckliche-im-land-des-gluecks
  • https://www.swr.de/wissen/co2-musterland-bhutan-100.html
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