Bereits seit geraumer Zeit ist das Thema “Golfstrom” in aller Munde – Doch wie steht es momentan um die Meeresströmung im Atlantik? Wird sie tatsächlich versiegen und bedeutet das wirklich, dass uns ein ewiger Winter bevorsteht?
Zunächst ein paar Begriffserklärungen
Der Ursprung des Golfstroms lässt sich bis an die Westküste Nordafrikas zurückverfolgen – Dort treiben die Passatwinde Wassermassen bis in die Karibik, diese Strömung wird als Nordäquatorialstrom bezeichnet. Der Nordäquatorialstrom macht sich dann auf den Weg zum Golf von Mexiko – zuerst passiert er aber noch die Karibischen Inseln und den Kanal von Yucatán, wodurch seine Fließgeschwindigkeit zunimmt. Erst wenn er auf das tropische Gewässer des Golfes von Mexiko stößt, wird er in Satellitenbildern als warme Meeresströmung sichtbar. Nachdem er die Floridastraße, eine Meerenge zwischen Florida und Kuba, durchquert hat, verbindet er sich mit einem Tiefseestrom namens Antillenstrom. Jetzt trägt die Strömung offiziell den Namen Golfstrom. Zunächst bahnt er sich einen Weg entlang der Ostküste Nordamerikas, bis er schließlich nach Nordosten in den Atlantik abdriftet.
Trifft der Golfstrom auf den 40. Grad nördlicher Breite, gehen aus ihm mehrere Strömungsäste, auch Golfstromausläufer genannt, hervor. Der Ausläufer, der in Richtung Norwegen weist, trägt den Namen Nordatlantikstrom.
Zwischen dem warmen Oberflächenwasser tropischen Ursprungs, welches erst durch den Golfstrom und später durch den Nordatlantikstrom in nördliche Breiten befördert wird, und der Atmosphäre findet ein Wärmeaustausch statt. Das hat zur Folge, dass in Europa deutlich mildere Temperaturen herrschen, als es in Abwesenheit der Strömungen der Fall wäre. Genau genommen ist es also der Nordatlantikstrom, nicht der Golfstrom, der Europa als “Warmwasserheizung” dient. Die beiden Strömungen werden irrtümlicherweise oft als Synonyme missbraucht.
Meeresströmungen entspringen der Corioliskraft, Winden und/oder Differenzen in Salzgehalt und Temperatur. Der Golfstrom zieht seine Energie in erster Linie aus den Winden und wird zugleich von der Corioliskraft gelenkt. Da keines dieser beiden Phänomene direkt vom Klimawandel beeinflusst wird, besteht aktuell tatsächlich keine Gefahr eines Zusammenbruches des Golfstroms. Der Nordatlantikstrom hingegen droht sehr wohl sich in den kommenden Jahrzehnten zu verändern, denn er ist thermohalinen Ursprungs und damit zieht die globale Erderwärmung im Hintergrund die Strippen.
Sowohl Golfstrom als auch Nordatlantikstrom sind allerdings nur ein kleiner Teilaspekt eines viel größeren Phänomens: der Atlantischen Umwälzzirkulation, kurz AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation). Die Zirkulation führt die warmen Wassermassen, die vom Golfstrom aus den Tropen polwärts transportiert werden, weiter in Richtung Norwegen – jenseits des 40ten Breitengrades unter dem Namen Nordatlantikstrom. Sobald das Wasser die gespeicherte Wärme an die Umgebungsluft abgibt, sinkt die Temperatur des Wassers, wodurch seine Dichte automatisch zunimmt. Die nun erhöhte Dichte des Wassers wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die hohen Verdunstungsraten des warmen Oberflächenwassers den Salzgehalt ansteigen lassen. Die daraus resultierende Tiefenwasserbildung liefert dem Strömungssystem an diesem Punkt neue Energie.
In den Tiefen der Ozeane befördert AMOC kaltes Tiefenwasser zurück in die Tropen. Die Zirkulation ist ihrerseits wieder Teil eines noch weiter gefassten Strömungssystems – das marine Förderband, auch unter dem Namen Thermohaline Zirkulation bekannt. Dieses Strömungssystem verbindet vier Ozeane.
Eine Bedrohung für Tiefsee-Lebensräume
Die Thermohaline Zirkulation sorgt für ein Gleichgewicht in den Weltmeeren, indem es Nährstoffe des Tiefenwassers an die Oberfläche befördert und Sauerstoff aus den oberen Wassermassen in die Tiefe transportiert. Gerade aus diesem Grund ist die thermohaline Zirkulation unabdingbar – Tiere, die in den Tiefen der Meere leben, haben nämlich keine andere Möglichkeit, an Sauerstoff zu gelangen, Photosynthese kann in diesen Tiefen aufgrund des Mangels an Sonnenlicht nicht stattfinden. Die AMOC ist die größte treibende Kraft des globalen Förderbandes. Das Versiegen der Atlantischen Umwälzzirkulation wäre daher besonders folgenreich, beispielsweise für Tiere, die in der Tiefsee beheimatet sind.
Eine kritische Analyse
Ergebnissen einer aktuellen Studie der Zeitschrift Nature Communications sagen voraus, dass die Atlantische Umwälzzirkulations bereits Mitte des 21ten Jahrhunderts kollabieren könnte. Diese These, aufgestellt von Klimaforscher Peter Ditlevsen und Mathematikerin Susanne Ditlevsen, wird jedoch gleich von mehreren Seiten angezweifelt und gilt in den Augen vieler als realitätsfern, da die verwendeten Daten zu viele unbekannte Variablen für eine aussagekräftige Berechnung aufweisen. Die Studie widerspricht auch dem 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC von 2021, der besagt, dass ein Kollaps der AMOC vor Ende des 21. Jahrhunderts mehr als unwahrscheinlich sei.
Ein Kollaps steht uns also anscheinend dich noch nicht unmittelbar bevor, und doch zeigen Aufzeichnungen der vergangenen Jahre in der Tat, dass sich die AMOC abgeschwächt hat. Da Golfstrom und Nordatlantikstrom nunmal Teil dieses Strömungssystems sind, können Temperaturschwankungen in Mitteleuropa nicht ausgeschlossen werden.
Dabei ist sich die Wissenschaft noch nicht einmal darüber einig, ob die verzeichneten Anomalien nicht nur lediglich Teil der natürlichen Schwankungen sind, denn die zuverlässige Datenerfassung begann erst vor rund 20 Jahren.
Verharmlosen sollte man das Risiko eines Kollapses aber keinesfalls, denn selbst ein Zusammenbruch des Strömungssystems im nächsten Jahrhundert, wie es sich laut der Prognose des IPCC ereignen könnte, ist immerhin nur 77 Jahre entfernt.
Folgende Eventualitäten würden zu einem Kollaps führen
Angesichts der Erderwärmung taut immer mehr Meereis auf und den Ozeanen wird somit Süßwasser zugeführt. Infolgedessen sinkt der Salzgehalt und damit verändert sich die Dichte des Wassers. Das raubt den Meeresströmungen Kraft und es kann auf lange Sicht dazu führen, dass Strömungen thermohaliner Natur versiegen. Das wäre gleich in zweierlei Hinsicht dramatisch: Nicht nur würde ein Kollaps des Strömungssystems bevorstehen, der Prozess würde sich auch noch selbst verstärken. Das ist damit zu erklären, dass das Wasser und mit ihm das aus der Atmosphäre gespeicherte CO2 nicht mehr in die Tiefsee transportiert wird. Demzufolge nähme die Speicherkapazität des Oberflächenwassers ab, da es bereits gesättigt wäre. Der Klimawandel würde beschleunigt werden und das Meereis würde noch schneller schwinden. Das wiederum birgt gleich mehrere Risiken, wie zum Beispiel einen rasanten Anstieg des Meeresspiegels.
Besonders der Eisschild Grönlands bereitet Klimaforschern Sorgen. Würde das Eis Grönlands nämlich vollständig schmelzen, würde das Strömungssystem im Nordatlantik wohl mit ziemlicher Sicherheit zusammenbrechen.
Erschreckenderweise ist eine solch düstere Zukunftsaussicht nicht weit von unserer Realität entfernt: Bei einem Anstieg des Klimas rund um Grönland um 3 Grad Celsius, wäre der Point of no Return erreicht. Und bei jetzigem Stand steuern wir geradewegs auf eine globale Erwärmung um drei Grad zu.
- https://www.tagesschau.de/wissen/klima/golfstrom-114.html
- https://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/29260X-2502.pdf
- https://www.esa.int/SPECIALS/Eduspace_Weather_DE/SEMM1QN18IH_0.html
- https://www.spektrum.de/news/die-atlantische-umwaelzzirkulation-hat-sich-extrem-abgeschwaecht/2018290
- https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/floridastrasse/4991
- https://www.planet-wissen.de/natur/meer/der_golfstrom/index.html