Die Textilindustrie ist eine der größten und bedeutsamsten Industrien weltweit, doch sie ist auch eine der umweltschädlichsten: Nicht nur ist sie für ungefähr ein Fünftel aller Treibhausemissionen der EU verantwortlich, sondern auch die Entsorgung nicht verkäuflicher Artikel hat über die Jahre erschreckende Ausmaße angenommen.
Bis zu 6 Millionen Tonnen Textilmüll werden jährlich verbrannt oder auf einer Deponie abgeladen - eine viel zu große Zahl, besonders wenn man bedenkt, dass nur etwa ein Viertel dieses Mülls anständig recycelt oder wiederverwertet wird. So liegt die momentane Anzahl der recycelten, nicht verkauften Schuhe und Bekleidungsartikel laut EU Kommission nur bei etwa 22%.
Bis zum Jahr 2030 wird nach jetzigem Stand sogar mit einer Zunahme des Textilabfalls von bis zu 60% gerechnet.
Es braucht also dringend Maßnahmen, um solch einer drastischen Entwicklung entgegenzuwirken. Auch wenn sich einzelne Unternehmen der Modebranche nachhaltigen Lösungsansätzen verpflichten (mehr zu besagten Firmen hier), so braucht es vielmehr eine allumfassende Lösung, die sämtliche Unternehmen mit einbezieht und die Entscheidung nicht den einzelnen Konzernen überlässt.
Zur Verringerung der Menge an Textilmüll erhofft man sich, eine Lösung in der sogenannten Ökodesign-Verordnung gefunden zu haben.
Die Ökodesign Verordnung
Die sogenannte Ökodesign Verordnung, welche im Sommer dieses Jahres vom EU-Parlament Zustimmung erhalten hatte, löst die bisher gültige Ökodesign Richtlinie von 2009 ab. Mit ihren neuen Anforderungen und Regeln soll die Ökodesign Verordnung einen verantwortungsbewussten und nachhaltigen Umgang mit Textilien jeglicher Art gewährleisten. Dabei liegt der Fokus besonders darauf, die Langlebigkeit von Produkten sicherzustellen, um so dafür zu sorgen, dass weniger neue Produkte nachgekauft, ersetzt und schließlich entsorgt werden müssen. Außerdem soll der umweltbewusste Umgang mit nicht verkaufbaren Gütern durch Möglichkeiten zum Recyceln sichergestellt werden und es soll mehr Transparenz rund ums Thema Müllentsorgung geschaffen werden.
Angefangen werden soll bei diesen Bemühungen mit Produkten wie Stahl, Aluminium, Möbeln, Reifen, Textilien und Informationstechnik.
Ziele
Ziel der Verordnung ist es, durch neue Anforderungen einen nachhaltigen und ökologischen Umgang mit den Waren auf dem EU-Markt zu garantieren. Der Schutz der Ressourcen unserer Erde soll optimiert, die weltweite Produktion von Müll dagegen erheblich verringert werden und es soll Konsumenten erleichtert werden, nachhaltige Entscheidungen beim Einkaufen zu treffen.
Auf lange Sicht soll die Verordnung dazu beitragen, sich von der Linearwirtschaft (auch "Wegwerfgesellschaft" genannt) zu distanzieren und stattdessen eine Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, um zum Erhalt unseres Planeten beizutragen.
Was beinhaltet die Verordnung?
Das Vernichtungsverbot
Zu den in der Verordnung festgelegten Bemühungen zählt insbesondere das Verbot zur Vernichtung von nicht verkaufbaren Textilien und Elektrogeräten. Das Verbot richtet sich besonders gegen das Prinzip der Fast-Fashion, das sich in den letzten Jahren in unserer Wirtschaft etabliert hat und welches dazu beigetragen hat, dass unzählige nicht verkaufte Produktionsreste oder Textilien einfach weggeschmissen statt recycelt werden.
Kraftfahrzeuge sollen, dem Rat zufolge, nicht zu den von dieser Verordnung betroffenen Warengruppen zählen, da es bereits spezifische Rechtsvorschriften zur Umweltbelastung dieser Fahrzeuge gibt.
Ebenso von dem Verbot ausgenommen sind Kleinst- und Kleinunternehmen. Mittelgroße Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern und unter 50 Millionen Umsatz im Jahr sollen eine Übergangsfrist einführen. Unternehmen sollen eine zeitlich begrenzte Mindestfrist gestellt bekommen, in der sie die neuen Anpassungen an die Verordnung vorzunehmen haben.
Ein Recht auf Reparatur
Nicht nur geht es in der neuen Verordnung um die Entsorgung bzw. Wiederverwertung von Produkten, sondern auch die Langlebigkeit sämtlicher Produkte soll gestärkt werden. Das Recht auf Reparatur soll dieses Vorhaben unterstützen. Es bezieht sich besonders auf elektronische Produkte und soll es möglichst leicht gestalten, alte und defekte Geräte zu reparieren, statt sie entsorgen zu müssen. Dazu gehört auch, dass technische Ersatzteile und Zubehör für einen adäquaten Zeitraum vorhanden sind und zur Nutzung freistehen. Somit soll auch die langjährige Benutzung alter Geräte unterstützt werden.
Digitaler Produktpass
Der neu eingeführte Produktpass soll es dem Verbraucher durch das Übermitteln transparenter, akkurater und aktueller Informationen zu einzelnen Produkten erleichtern, schnell und effektiv über die Nachhaltigkeit des Produktes informiert zu werden. So sollen beispielsweise auch Anweisungen zu simpler Reparatur, Angaben zum Recyceln des Produktes und Informationen zum Umweltrisiko des Produktes beigelegt werden.
Über eine Online-Plattform soll es Verbraucher:innen möglich sein, diese Pässe einzusehen und zu vergleichen.
Weitere Inhalte der Verordnung
Neben den bereits genannten Regelungen ist außerdem ein Mindeststandard für die Verwendung von Recyclingfasern in Textilien und die Berücksichtigung von Mindestanforderungen für den Energie- und Ressourcenverbrauch vorgesehen. Auch der CO2-Fußabdruck soll nicht vernachlässigt werden.
Außerdem fordern EU-Mitgliedsstaaten, dass mindestens alle 36 Monate eine Liste von deren Kommission ausgestellt wird, die für die Evaluierung möglicher Umweltschäden essentiell ist.
Was ist der Standpunkt einzelner EU-Staaten?
Erst bei den Verhandlungen der EU-Mitgliedsstaaten wird die endgültige Fassung des Gesetzes, welches bereits vor Ende des Jahres verabschiedet werden soll, ausgearbeitet. Doch wie stehen die einzelnen Staaten bisher zu der Verordnung?
Besonders Deutschland, Frankreich und die Niederlande stehen hinter den geplanten Anordnungen und machen sich für diese stark. Länder wie Italien und Slowenien allerdings äußern ihre Bedenken. So vertritt Italien beispielsweise die Position, dass ein direktes Verbot zur Vernichtung von Bekleidung und Bekleidungszubehör eher bedenklich wäre, da darauf eine Diskriminierung einzelner Produkgruppen folgen könnte und es bisher keine ausreichenden Daten zur Folgenabschätzung gäbe.
Für die nahe Zukunft bedeutet dies wohl erst einmal abzuwarten, was bei den Verhandlungen der einzelnen Mitgliedsstaaten herauskommt und welche Wege dann tatsächlich durch die Verordnung beschritten werden.
- https://www.umweltwirtschaft.com/news/abfallwirtschaft-und-recycling/oekodesign-Richtlinie-Rat-beschliesst-Vernichtungsverbot-fuer-Textilien-28780#:~:text=Ökodesign%2DRichtlinie-,Rat%20beschließt%20Vernichtungsverbot%20für%20Textilien,verabschiedet%2C%20teilte%20der%20Rat%20mit.
- https://www.tagesschau.de/ausland/europa/oeko-design-eu-parlament-100.html
- https://www.onlinehaendler-news.de/e-recht/gesetze/138158-vernichtung-unverkaufter-textilien-bald-verboten
- https://brutkasten.com/artikel/eu-vernichtungsverbot-unverkaufter-kleidung-aus
- https://www.euwid-recycling.de/news/politik/eu-rat-will-zerstoerung-von-unverkaufter-kleidung-verbieten-250523/
- https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/oekodesign-eu-parlament-will-vernichtungsverbot-fuer-unverkaufte-artikel/
- https://de.linkedin.com/pulse/1-petra-becker-im-interview-und-wie-steht-es-um-das-für-ternès
- https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/eu-parlament-fordert-vernichtungsverbot-fuer-unverkaufte-textilien-19026545.html
- https://deutsche-recycling.de/blog/blick-in-die-zukunft-kreislaufwirtschaft-fuer-textilien/
- https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/besseres-oekodesign-und-nachhaltigere-bauprodukte-gefordert#:~:text=Die%20Umweltorganisation%20ECOS%20mahnt%20einen,ihre%20Position%20zum%20Ökodesign%20beschlossen.
- https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/05/22/ecodesign-regulation-council-adopts-position/