Die Population des Amazonas-Flussdelfin, der auch unter den Namen Boto, Rosa Flussdelfin, oder Inia bekannt ist, verzeichnet seit einigen Tagen hohe Verluste.
Schockierende Entdeckungen im Lago de Tefé
Im Lago de Tefé, einem gigantischen See an einem der Amazonaszuflüsse, tauchten in den vergangenen Tagen 125 tote Flussdelfine auf - ist dies ein böses Omen für den brasilianischen Bundesstaat Amazonas?
Die bisher gefundenen verstorbenen Flussdelfine machen ganze fünf Prozent des gesamten Bestandes dieser Region aus. Bislang wird davon ausgegangen, dass die extreme Trockenperiode Grund für das Massensterben ist – obwohl diese gerade erst begonnen hat und erneuter Regen nicht vor März des nächsten Jahres erwartet wird.
Der Amazonas-Regenwald bildet das Zuhause drei verschiedener Delfinarten und jede einzelne von ihnen hat einen Platz auf der Roten Liste der IUCN unter der Kategorie “stark gefährdet”. Nicht nur der Klimawandel und El-Niño setzten ihnen zu, sondern auch die Fischer, in deren Netze sie verenden, und das im Goldabbau verwendeten Quecksilber stellen eine große Gefahr für den Delfinbestand dar.
Nervengift als ständiger Begleiter
Der Amazonas ist reich an Bodenschätzen und heimgesucht von illegalen Goldgräbern. Es ist ein geradezu mafiöses Geschäft, unter dem die indigene Bevölkerung ebenso sehr leidet wie die Natur, von der sie umgeben ist. Quecksilber ist ein unheilbares Nervengift, das dazu dient, Gold zu binden – so lässt sich die Förderung des Goldes leichter gestalten. Meist endet das Quecksilber allerdings einfach in der Natur, wo es ernste Konsequenzen nach sich ziehen kann. Eine Quecksilbervergiftung kann sich negativ auf den IQ der betroffenen Person auswirken, Verhaltensauffälligkeiten oder sogar einen vorzeitigen Tod zur Folge haben. Kontakt mit diesem heimtückischen Nervengift kann sich auch in Störungen vom Hörsinn, der Sehkraft, der Sprache und dem Gleichgewichtssinn äußern.
Beispielsweise wurden Kinder des indigenen Stammes Munduruku auf ihre Gedächtnisfähigkeiten, Redegewandtheit und rationales Denken getestet und dabei stellte man fest, dass die Kinder, die am meisten Misserfolge verzeichneten, auch die höchste Quecksilberkonzentration aufwiesen. Die Kontamination des Amazonas stellt also ganze Völker vor eine ungewisse Zukunft.
Innerhalb indigener Territorien ist Bergbau theoretisch rein rechtlich untersagt, doch viele Goldgräber kümmert das natürlich kaum. Selbst wenn der Bergbau nicht in geschützten Gebieten erfolgt, bekommen Mensch und Tier die Konsequenzen auch weiter flussabwärts zu spüren, denn das Quecksilber verteilt sich über die Flussläufe hinweg.
WWF-Studien zufolge konnten auch in den rosa Flussdelfinen bedenklich hohe Quecksilber-Konzentrationen bestätigt werden.
Mehr zu diesem Thema erfahrt ihr hier: Die Schattenseiten des Goldgeschäfts im Amazonas".
Rettungsaktion
Der WWF und Expert:innen vom staatlichen Mamirauá-Institut für nachhaltige Entwicklung sind zur Stelle, um die überlebenden Delfine in Sicherheit zu bringen. Die Tiere werden in tiefere Gewässer befördert, wo die Überlebenschancen besser sind, als in den Flachwasserzonen am Ufer des Sees. Gleichzeitig werden Kadaver geborgen und obduziert, um Nachforschungen anzustellen – ist es tatsächlich nur die Dürre oder steckt mehr dahinter?
Was die Todesursache angeht, sind sich die Forscher:innen derzeit noch nicht einig. Eine Verbindung zur Hitzeperiode ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Die Wassertemperatur im Lago de Tefé, die im Schnitt 32 Grad Celsius beträgt, liegt momentan selbst in drei Meter Tiefe noch bei rund 40 Grad Celsius. Eine weitere Vermutung ist, dass die Delfine mit Algengift in Kontakt gekommen sind. Um dem nachzugehen, werden Wasser- und Bodenproben entnommen und untersucht.
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El Niño
Das Wetterphänomen “El Niño” beschert dem nördlichen Teil Brasiliens besonders heftige Dürreperioden.
Das Massensterben der Flussdelfine könnte nur ein Vorgeschmack dessen sein, was folgt, wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen. Es bestätigt außerdem, wie sehr der Amazonas-Regenwald auf Schutz angewiesen ist.
Die Delfine sind sozusagen nur einer von vielen Indikatoren dafür, dass sich das Ökosystem an einem Kipppunkt befindet.
Auch die Zukunft der Bewohner ist ungewiss
Die Flüsse, die den Bewohnern des Regenwaldes einst als Trinkwasserressource gedient haben, sind entweder ausgetrocknet oder trüb und kontaminiert. Der Wasserstand des Amazonas geht innerhalb kürzester Zeit mehr und mehr zurück. Einige Flussausläufer schwinden um bis zu 30 Zentimeter täglich. Auch das Fischsterben stellt ein großes Problem dar. Dort, wo die Flüsse noch nicht ausgetrocknet sind, bahnen sich die Boote einen Weg durch tausende von toten Fischen – ein wahrlich erschreckender Anblick. An anderen Stellen gestalten die ausgetrockneten Flussbetten, die bis dato als Transportmittel dienten, es den Anwohnern unmöglich, sich mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Die Regierung rief deshalb gleich für mehrere Bezirke den Notstand aus und stellt sich darauf ein, dass humanitäre Hilfe bis nächstes Jahr in 50 weiteren Bezirken erforderlich sein wird.
Um die Zukunft der Flussdelfine zu sichern, hat der WWF bereits ein Projekt gestartet. Mehr dazu erfährst du hier.
- https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/amazonas-flussdelfine-100.html
- https://www.deutschlandfunk.de/mehr-als-100-tote-flussdelfine-nach-hitze-und-duerre-am-amazonas-100.html
- https://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/wale-und-delfine/massensterben-der-rosa-flussdelfine
- https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/amazonien/indigene-territorien-schuetzen/das-giftige-gold-des-amazonas