In den letzten Jahren hat eine besorgniserregende Substanz die Aufmerksamkeit von Wissenschaftler:innen und Gesundheitsexpert:innen auf sich gezogen: Mono-n-hexylphthalat (MnHexP). Dieses Abbauprodukt des Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP) wurde in Urinproben von Kindergartenkindern nachgewiesen. Ein möglicher Verursacher sollen Sonnencremes sein.
In einem früheren Artikel haben wir bereits über den Fall von ‘Weichmachern im Kinderurin’ berichtet. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse. Welche Auswirkungen hat der Stoff nun auf unsere Gesundheit?
Hintergrund
Weichmacher sind chemische Verbindungen, die Kunststoffe flexibler und biegsamer machen. Sie werden in einer Vielzahl von Produkten verwendet, von Spielzeug über Verpackungsmaterialien bis hin zu medizinischen Geräten.
Solche Weichmacher, die Kunststoffprodukten zugesetzt werden, können aus diesen freigesetzt werden, zum Beispiel durch Abrieb, und so zu einer Belastung führen. DnHexP ist ein solcher Weichmacher, der in der Europäischen Union seit 2013 auf der Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe steht und in Kosmetika, Lebensmittelkontaktmaterialien und Spielzeug nicht mehr zugelassen ist.
Die Entdeckung
Trotz dieser Einschränkungen fand das Umweltbundesamt (Uba) in Urinproben von Kindergartenkindern in Nordrhein-Westfalen erhöhte Mengen an MnHexP. In 61 Prozent der untersuchten 250 Urinproben aus den Jahren 2020/21 wurde der Metabolit MnHexP nachgewiesen. Diese Entdeckung war das Ergebnis einer verdachtsbezogenen Untersuchung im Herbst 2023. Auch in Rückstellproben aus den Jahren 2017/18 wurde die Substanz gefunden, allerdings in geringeren Konzentrationen.
Gesundheitliche Auswirkungen
Weichmacher wie MnHexP können, wenn sie in unseren Körper gelangen, das Hormonsystem beeinflussen und die Funktion der Leber beeinträchtigen. Sie können auch das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen. Besonders besorgniserregend ist, dass einige Weichmacher, einschließlich MnHexP, als fortpflanzungsschädigend eingestuft sind.
Neueste Erkenntnisse
Aktuell führt das UBA ihre sechste Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit durch. Teilnehmende Personen zwischen 18 und 79 Jahren werden noch bis Ende 2024 auf die Belastung ihres Körpers durch Umweltschadstoffe hin untersucht. Einer dieser Stoffe ist das aktuell diskutierte MnHexP. In ersten Zwischenständen wird berichtet, dass der Stoff bei über einem Drittel der bisher untersuchten (ca. 500) Personen nachgewiesen werden konnte. Die reine Existenz von MnHexP im Körper bedeutet allerdings noch nicht zwangsläufig ein erhöhtes Gesundheitsrisiko.
Die „Kommission Human-Biomonitoring” (HBM) des Umweltbundesamts hat in ihrer Sitzung am 22. März einen gesundheitsbezogenen Beurteilungswert (HBM-Wert) für MnHexP im Urin abgeleitet. Bis zu einem Wert von 60 Mikrogramm pro Liter (µg/L) Urin ist nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Menschen durch diesen Stoff zu rechnen. Das bedeutet, dass eine Exposition gegenüber MnHexP unter diesem Schwellenwert nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gesundheitsschädlich sein sollte. Bei Werten darüber könnten jedoch gesundheitliche Risiken bestehen.
Das Bundesinstitut für Risikoüberwachung (BfR) äußert sich in einer Stellungnahme und kommt auf Basis einer Modellrechnung zu der Einschätzung, “dass für mehr als 95 % der betrachteten Proben die nachgewiesenen Urinwerte keinen Anlass für eine Besorgnis aus gesundheitlicher Sicht ergeben”.
Im Hinblick auf den Verdacht, dass Sonnencreme eine der Schadstoffquellen sein könnte, gibt das BfR vorläufig Entwarnung: Bei der Verwendung von Sonnenschutzmitteln, die bis zu 10 Prozent eines mit bis zu 0,3 Prozent DnHexP verunreinigten UV-Filters enthalten, sei ein ausreichender “Sicherheitsabstand” gewährleistet. In Bezug auf DnHexP ist daher keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten.
Der Sicherheitsabstand bezieht sich dabei auf den Grenzwert, der als Schutzmaßnahme festgelegt wird, um potenzielle Risiken zu minimieren. In diesem Kontext bedeutet es, dass bei der Verwendung von Sonnenschutzmitteln mit einem verunreinigten UV-Filter (der bis zu 10 Prozent DnHexP enthält), der Sicherheitsabstand ausreicht, um gesundheitliche Beeinträchtigungen als unwahrscheinlich zu betrachten. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, um die Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten.
Ob weitere auf dem Markt erhältlichen Sonnenschutzmittel, Kosmetika oder sonstige Verbraucherprodukte einen derart verunreinigten UV-Filter enthalten und wenn ja, in welcher Menge oder Konzentration, kann das BfR nicht mit verlässlichen Daten belegen.
Schlussfolgerung
Die Entdeckung von Weichmachern in Urinproben von Kindergartenkindern hat zu berechtigten Bedenken geführt. Es ist wichtig, dass wir die Auswirkungen dieser und anderer Chemikalien auf unsere Gesundheit weiterhin erforschen und Maßnahmen ergriffen werden, um unsere Kinder und die breite Öffentlichkeit zu schützen. Die Auswirkung vieler Stoffe auf unseren Körper ist noch nicht ausreichend erforscht.
Die Arbeit des BfR, der HBM-Kommission und des Umweltbundesamts ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Es ist wichtig zu betonen, dass die Forschung in diesem Bereich nur einen momentanen Erkenntnisstand abbildet und weiter fortgesetzt wird, um ein vollständiges Bild der potenziellen Auswirkungen dieser Chemikalien liefern zu können.
Die Entdeckung von MnHexP in Urinproben von Kindergartenkindern ist ein Weckruf. Ein deutliches Zeichen dafür, dass wir mehr tun müssen, um unsere Kinder und auch uns vor den potenziellen Gefahren chemischer Substanzen in unserer Umwelt zu schützen. Es ist an der Zeit, sich ernsthaft mit den Auswirkungen dieser Substanzen auf unsere Gesundheit auseinanderzusetzen und zu handeln.
Das Umweltbundesamt hat eine App entwickelt, um den Verbraucherschutz zu stärken und Einzelpersonen handlungsfähig zu machen. Erfahrt in unserem Artikel alles Wichtige über Scan4Chem: Eine App gegen besorgniserregende Chemikalien und fangt damit an, eure Umwelt bewusster zu scannen!
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- https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionen-arbeitsgruppen/kommission-human-biomonitoring
- https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11901/dokumente/240325_kurz-stellungnahme_hbm-k_fin.pdf
- https://www.bfr.bund.de/cm/343/mnhexp-in-urinproben-erste-einschaetzungen-zu-gesundheitlichen-wirkungen.pdf