“Green Claims Directive” der EU Kommission

April 2024
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Klimaneutral, Nachhaltig, Aus recyceltem Plastik – Hersteller überschlagen sich heutzutage mit umweltbezogenen Werbeversprechen und bescheinigen dies mit dem Aufdruck eines entsprechenden Labels auf ihrem Produkt oder ihrer Website. Diese "Green Claims" geben uns beim Einkaufen das Gefühl, etwas Gutes zu tun und umweltbewusst zu handeln. Doch nur weil es drauf steht, bedeutet das längst nicht, dass alle Produkte wirklich eine nachhaltige Herstellung durchlebt haben. Für viele Hersteller sind Siegel und Nachhaltigkeitsversprechen leider eine reine Marketing-Strategie.

Das Geschäft mit Net Zero

Unternehmen haben inzwischen verstanden, dass ein nachhaltiger Lebensstil, sowie geringer Kohlenstoffausstoß Verbraucher:innen immer wichtiger wird und die Menschen auch bereit sind, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, wenn sie dafür gesund und umweltbewusst einkaufen können. Einige Geschäfte passen sich nur zu gerne dieser Philosophie an und leben sie ehrlich aus, während andere schlicht die Ansprache in ihrer Werbung verändern, um so ihren Kundenstamm zu erhalten. Greenwashing nennt sich diese Methode, in der Konsument:innen vorgegaukelt wird, Produkte seien “grüner”, also umweltfreundlicher hergestellt, als sie es in Wirklichkeit sind.

In unserem Artikel zu Feelgood Consuming und Greenwashing klären wir ausführlich, welche Tricks Unternehmen anwenden und weshalb sie so gut funktionieren.

Einheitliche Nachhaltigkeitskriterien für “Green Claims”

Im Jahr 2020 veröffentlichte die EU-Kommission eine Studie, die das erschreckende Ergebnis teilte, dass etwa 40% aller Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen “völlig unbegründet” und knapp über die Hälfte der Aussagen “vage, irreführend oder unbegründet" seien. Um der Flut an inhaltslosen Umweltversprechungen und Nachhaltigkeitssiegeln Einhalt zu gebieten, wurden deshalb gemeinsame Kriterien vorgeschlagen, um gegen solche irreführenden Aussagen vorzugehen.

Die "Green Claims Directive" ist eine geplante Richtlinie der EU. Der Vorschlag wurde am 22.03.2023 veröffentlicht und von der Kommission angenommen und zielt darauf ab, endlich einen klaren und einheitlichen Rahmen für den Umgang mit umweltbezogenen Angaben zu schaffen. Damit ergänzt er einen Vorschlag von 2022 für eine Richtlinie, die dem Verbraucher mehr Sicherheit und Transparenz geben soll, um einen ökologischen Wandel herbeiführen zu können.
Auch jetzt stehen Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit im Fokus. Es sollen nachweislich nachhaltige Praktiken gefördert werden, während gleichzeitig den Verbraucher:innen die Sicherheit beim Einkauf gegeben wird, nicht durch falsche Angaben und fadenscheinige Siegel in die Irre geführt zu werden. Vielmehr sollten Verbraucher:innen dazu befähigt werden, ihre Entscheidungen auf der Grundlage zuverlässiger und vergleichbarer Informationen über die Nachhaltigkeit, die Haltbarkeit und den CO2-Fußabdruck eines Produktes treffen zu können. Greenwashing wird somit der Kampf angesagt.

Was ist die Green Claims Directive

Das wird überprüft

Es sollen alle “explizite Umweltaussagen” validiert werden, die über ein Produkt getroffen werden. Das umfasst alle Aspekte im Lebenszyklus eines Produktes und wie es sich auf die Umwelt auswirkt, von der Herstellung über Lieferung bis hin zur Nutzung. Dieser Vorschlag unterstützt die Ausbildung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und wirkt der aktuell herrschenden Tendenz einer Wegwerfgesellschaft entgegen.

Alle Kriterien werden einzeln bewertet und aufgeführt, sodass es nicht mehr möglich sein wird, ein Umweltzeichen auf Grundlage der gesamten Bewertung eines Produkts zu erhalten. Ein Produkt mit nachhaltig produzierten Inhaltsstoffen kann so zum Beispiel nicht mehr verschleiern, dass diese trotzdem an Tieren getestet wurden und muss auch diesen Aspekt aufdecken.

Die Informationen über ein ausgezeichnetes Produkt müssten transparent und einfach zu erreichen sein – Nutzer:innen müssen diese also beispielsweise durch einen QR-Code oder Weblink aufrufen können.

Wer kann mitmachen

Die Verordnung bezieht sich auf Unternehmen mit über 10 Beschäftigten, die freiwillig Einblick über die Umweltauswirkungen Ihres Produktes geben und ihre “Green Claims”, also Nachhaltigkeitsversprechen, verifizieren lassen möchten. Dem Vorschlag nach wird somit nachhaltiges Handeln gefördert und mit Sichtbarkeit belohnt.

Um überhaupt aufgenommen zu werden, muss der Nachweis durch das Unternehmen erfolgen, dass ein festgelegtes Mindestmaß an Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllt ist.

Wie wird kontrolliert

Die Kontrolle erfolgt durch unabhängige Prüfer, um so der Verbreitung von Greenwashing und Selbstzertifizierung entgegenzuwirken. Fällt das Ergebnis der unabhängigen Prüfstelle positiv aus, so kann durch diese ein EU-weit gültiges Zertifikat, der Green Claim, ausgestellt werden, welches in der gesamten EU für das Unternehmen anerkannt sein soll. Diese Kontrollstellen sollen von den Mitgliedstaaten selbst eingerichtet werden. Wer gegen diese vereinbarten Kriterien verstößt, hat mit Konsequenzen zu rechnen, die vom Ausschluss öffentlicher Zuschüsse durch den Staat bis hin zu Geldstrafen oder der Konfiskation von Einnahmen durch die falsch ausgewiesenen Produkte reichen.

Wann beginnt es

Der Entwurf der Richtlinie liegt vor und wird im nächsten Schritt im Europäischen Parlament und im Europarat beraten.

Was sind die Ziele

Der gewünschte Effekt durch die Einführung einheitlicher Umweltrichtlinien sollte die gesteigerte Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit von Produkten innerhalb der gesamten EU sein. Verbraucher:innen sollten so vor Greenwashing durch Unternehmen geschützt werden. Indem sie dank der neuen Transparenz selbst fundierte Entscheidungen treffen und somit die Verantwortung für nachhaltiges Einkaufen übernehmen können, besteht die Hoffnung, dass Einkäufer:innen einen großen Beitrag zur Schaffung einer kreislauforientierten und grünen EU-Wirtschaft leisten. Gleichzeitig sollen somit faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden und solche Unternehmen hervorgehoben, die tatsächlich Nachhaltigkeit in die Herstellung ihrer Produkte mit einbeziehen. Durch Green Claims können diese ihre Glaubwürdigkeit innerhalb der EU untermauern. Die Hoffnung ist, dass insgesamt mehr Unternehmen auf echte ökologische Produktion umsteigen, da auch die Nachfrage dahingehend wachsen wird.

Kritik an der Richtlinie

Einige Kritiker befürchten, dass die Richtlinie nicht effektiv sein wird, da die nationalen Behörden sie möglicherweise nicht konsequent durchsetzen und irreführende umweltbezogene Aussagen nicht wirksam bekämpfen. Die Richtlinie wird außerdem dafür kritisiert, dass sie sich hauptsächlich auf den Produkt-Umwelt-Fußabdruck (PEF) stützt, also auf Kohlenstoffemissionen konzentriert und andere wichtige Umweltaspekte wie Schadstoffe und Recyclingfähigkeit nicht gleichermaßen stark einbezieht.

Die PEF bezieht aktuell folgende Kategorien von Auswirkungen mit ein:

  • Klimawandel
  • Ozonabbau
  • Humantoxizität (Giftwirkung von Substanzen auf den Menschlichen Körper)
  • Feinstaub
  • Ionisierende Strahlung (“Verstrahlung”)
  • Photochemische Ozonbildung (Veränderung der Ozonbildung auf Bodenhöhe)
  • Versauerung
  • Eutrophierung (Anreicherungen von Nährstoffen in Land, Süßwasser und Meer)
  • Ökotoxizität (Auswirkung bestimmter Substanzen auf unser Süßwasser)
  • Landnutzung
  • Wassernutzung
  • Ressourcennutzung (Mineralien und Metalle) und Ressourcennutzung (Fossile).


Umweltorganisationen bemängeln daneben, dass es in der EU keine einheitliche Methodik zur Bewertung von Umweltauswirkungen gibt. Firmen, die es darauf anlegen, Greenwashing zu betreiben, könnten Methoden wählen, die ihre Auswirkungen in einem positiveren Licht darstellen. Verbraucher- und Umweltschützer argumentieren, dass die Regeln durch die Lobbyarbeit der Industrie zu stark abgeschwächt wurden, wodurch sie zu vage sind, um effektiv für einen Wandel zu sorgen.

Insgesamt wird die Richtlinie dennoch als Schritt in die richtige Richtung angesehen, aber ihr Erfolg hängt von einer konsequenten Durchsetzung, einer umfassenderen Berücksichtigung von Umweltfaktoren und eindeutigen und vor allem einheitlichen Methoden ab.

Verbesserungsvorschläge für die Green Claims Directive

Unterschiedliche Organisationen haben die Richtlinie unter die Lupe genommen und einige Verbesserungsvorschläge gemacht:

Einige Kritiker plädieren dafür, sämtliche Behauptungen über vermeintliche Kohlenstoff- oder Klimaneutralität zu unterbinden. Es wird vorgeschlagen, dass Kohlenstoff-Kompensation ausschließlich zu unabhängigen Beiträgen zum Klimaschutz gezählt werden sollte und nicht (etwa mittels fadenscheiniger Zertifikate) über den tatsächlichen Ausstoß eines Unternehmens hinwegtäuschen darf.

Aussagen, die die zukünftige Gestaltung von Vorgängen im Unternehmen betreffen, sollen bisweilen nur auf interner Ebene kommuniziert werden. Inhaltsleere Werbeslogans wie "Auf dem Weg zur Emissionsfreiheit” oder “Net Zero bis 2030” sollen damit unterbunden werden.

Keine vagen Versprechungen mehr als Marketing-Masche.

Dies soll eine schnelle Umsetzung fördern und den Fokus auf die allgemeine Verbesserung von Unternehmensprozessen lenken. Zudem sollten Umweltaussagen spezifisch formuliert werden und auf Fakten basieren, die, vorzugsweise von unabhängiger Stelle, anhand von einheitlichen Kriterien überprüft werden können. Statt einer Vision könnten so nur noch Tatsachen verkauft werden.

Organisationen haben zudem die Idee aufgebracht, eine Liste von vorab genehmigten Zertifizierungssystemen und Siegeln für Nachhaltigkeit auf EU-Ebene einzuführen, um auch hier einheitliche Kriterien zu schaffen. Ein nächster Schritt wäre die internationale Abstimmung – dabei würden EU-Methoden mit weltweit anerkannten Standards abgeglichen, sodass auch Importware im EU-eigenen System anschlussfähig bleiben kann.
Würden diese Aspekte berücksichtigt, dann könnten einige der aktuellen Kritikpunkte ausgeräumt und ein tatsächlich verlässlicher Rahmen für umweltbezogene Angaben auf Produkten innerhalb der EU sichergestellt werden, so die Idee.

Die Kolleg:innen von Evergreen haben das Thema auch noch einmal in einem Video für dich zusammengefasst:

Erste Erfolge der Green Claims Directive

Das europäische Verbraucherschutz-Netzwerk (CPC) ist anfang diesen Jahres in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt (UBA) erfolgreich gegen irreführende Umweltbehauptungen, also “Green Claims”, auf den Webseiten des Mode-Versandhändlers Zalando vorgegangen. Als Reaktion darauf hat Zalando auf seinen europäischen Websites unter anderem das Banner “Nachhaltigkeit” und kleine Icons, z.B. von Blättern und kleinen Bäumen, bei Produktabbildungen entfernt, die eine unzulässige Behauptung darstellen. Die Plattform sagte zu, von jetzt an solche Aussagen nur noch im Zusammenhang mit klaren und aussagekräftigen Informationen für die Verbraucher:innen zu tätigen. Ein klarer Gewinn, wenn auch hart erkämpft.

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  • https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/4189ef27-9559-11ed-b508-01aa75ed71a1/language-en
  • https://eatsmarter.de/ernaehrung/news/bio-siegel
  • https://germany.representation.ec.europa.eu/news/gegen-greenwashing-kommission-pocht-auf-verlasslichere-umweltangaben-fur-produkte-und-2023-03-22_de
  • https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_1692
  • https://www.umweltzeichen.at/en/home/start/green-claims-richtlinie
  • https://www.eurofins.de/food-analysis/food-news/food-testing-news/eu-directive-on-green-claims/
  • https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/eubiologo-einheitliches-logo-fuer-verpackte-oekoprodukte-10717
  • https://www.houseofchange.net/de/resources/top-25-questions-answers-on-the-new-eu-green-claims-directive#faq-criticisms
  • https://ecostandard.org/news_events/to-pef-or-not-to-pef-make-all-green-claims-robust/
  • https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/verbraucherschutz-erfolg-gegen-greenwashing
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