Die illegale Wilderei ist einer der Hauptgründe des verheerenden und möglicherweise irreparablen Rückgangs der Artenvielfalt verschiedenster Tiere. Eines der erschreckendsten Beispiele bietet das Nördliche Breitmaulnashorn:
Bereits seit Jahrzehnten werden die Tiere aufgrund ihrer Hörner gejagt und getötet. Ihren Hörnern werden nämlich, besonders im asiatischen Raum, fälschlicherweise heilende und sogar potenzsteigernde Wirkungen zugesprochen.
Nördliche Breitmaulnashörner, die einst in Teilen Ugandas, Tschads, des Sudans, der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo zuhause waren, wurden bereits vor mehr als einem Jahrzehnt fast vollständig vom Menschen ausgelöscht.
Mit nur noch zwei lebenden Exemplaren weltweit erschien das Aussterben der Art unvermeidbar. Doch nun gibt es neue Hoffnung: Mithilfe eines sogenannten Embryotransfers soll die Zukunft der Tiere gesichert werden.
Eine neue Hoffnung für die Nördlichen Breitmaulnashörner
Der Bestand der Nördlichen Breitmaulnashörner ist mittlerweile auf zwei Exemplare weltweit geschrumpft. Es handelt sich dabei um Najin und ihre Tochter Fatu, die in einem tschechischen Zoo geboren wurden und seit 2009 in der Ol Pejeta Conservancy in Kenia leben, wo sie rund um die Uhr geschützt und gepflegt werden.
Beide Nashörner sind jedoch weiblich und aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht in der Lage, Nachwuchs auszutragen – mit ihnen alleine wird man die Population also nicht retten können. Doch was nun?
Bemühungen zu ihrer Rettung im Laufe der Zeit
Bereits 2009, als der Artenbestand der nördlichen Breitmaulnashörner noch einige wenige Tiere betrug, startete man den Versuch die Art zu retten, indem man einige der im Zoo aufgewachsen Tiere nach Afrika brachte und auf eine natürliche Vermehrung in freier Wildbahn hoffte. Der Versuch scheiterte jedoch und der letzte Bulle, der für die Zucht in Frage gekommen wäre, starb 2014.
2015 beschränkte sich der Artbestand schließlich auf vier nördliche Breitmaulnashörner in einem Zoo in Tschechien, von denen heute nur noch Najin und Fatu übrig sind.
Dennoch gaben Wissenschaftler:innen und Forscher:innen die Hoffnung nicht auf und so hob man Spermien, die den verstorbenen männlichen Nashörnern entnommen wurden, auf, um damit die entnommenen Eizellen von Fatu – dem jüngeren der beiden Weibchen – befruchten zu können.
2019 wurden schließlich 30 Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns generiert, die derzeit in Berlin und Cremona bei Minus 196° C in flüssigem Stickstoff konserviert werden. Eines Tages sollen die Embryonen den Fortbestand der Art ermöglichen, indem sie per Embryotransfer in Leihmütter der Unterart der Südlichen Breitmaulnashörner eingesetzt und ausgetragen werden.
Neueste Entwicklungen machen Forscher:innen Hoffnung…
Ein Durchbruch in der Wissenschaft – die Rettung naht?
2023/2024 gelang der erste Embryotransfer bei Nashörnern, auf den die Wissenschaft gewartet hat:
Im September 2023 transferierte das BioRescue Team – ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes internationales Wissenschafts- und Artenschutz-Konsortium – den künstlich erzeugten Embryo eines Südlichen Breitmaulnashorns in eine Leihmutter derselben Art.
Dafür wurde dem im belgischen Zoo Pairi Daiza lebenden Weibchen Elenore und dem Männchen Athis aus dem Zoo in Salzburg Eizellen bzw. Spermien entnommen. Um die gewünschten Embryos zu erhalten, wurden die Eizellen anschließend in den Avantea Laboratories in Italien in-vitro – also künstlich – durch intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) befruchtet, woraus sich schließlich Blastozysten (junge Embryos) entwickelten.
Alle Untersuchungen von BioRescue werden von der Universität Padua in Italien begleitet und ethisch bewertet. Vor der Prozedur der Embryoentwicklung müssen alle möglichen Szenarien abgeklärt werden, um das Risiko, das für die Tiere besteht, so gering wie möglich zu halten.
Für den Embryotransfer wurde schlussendlich das Nashornweibchen Curra – ebenfalls ein südliches Breitmaulnashorn – ausgewählt. Wann genau ein Nashornweibchen empfängnisbereit ist, lässt sich durch einen sogenannten Anzeigebullen feststellen, der sich zu dieser Zeit mit dem Weibchen paaren möchte.
Der vasektomierte und damit unfruchtbare Bulle Ouwan fungierte in diesem Fall als Anzeigebulle. Nachdem er sich am 17. und 18. September mit Curra gepaart hatte, konnte der Embryotransfer vollführt werden.
Dass Bulle in der darauffolgenden Zeit kein weiteres Interesse an Curra zeigte, war ein vielversprechender Hinweis auf eine geglückte Befruchtung.
Tragödie und Hoffnungsschimmer zugleich
Um sich einer Schwangerschaft des Weibchens gewiss sein zu können, wollte das BioRescue-Team am 28 November 2023 eine Trächtigkeitskontrolle bei Curra durchführen, doch dazu sollte es nicht kommen: Am 22. November wurde zunächst Ouwan und schließlich am 25. November auch Curra tot im Gehege aufgefunden.
Grund für die tragische Wendung ihrer Geschichte waren extreme Regenfälle, die zuvor zu einer Überschwemmung des Geheges geführt hatten und dafür sorgten, dass Sporen von Clostridien an die Erdoberfläche gelangten. Das bakterielle Toxin führte schlussendlich zu einer schweren systemischen Infektion bei beiden Nashörnern, die keines der Tiere überlebte.
Dennoch gibt Curras Geschichte Anlass zur Hoffnung: Das Weibchen war zu dem Zeitpunkt ihres Todes mit einem 70 Tage alten, 6,4 cm langen und lebensfähigen männlichen Fötus trächtig; der Embryotransfer war geglückt.
Wie soll es nun weitergehen?
Obwohl man den Fötus von Curra nicht retten konnte – er war viel zu jung und nicht weit genug entwickelt, da die Trächtigkeit bei Nashörnern i.d.R. 16 Monate beträgt – schenkt sein Fund dem Forschungsteam von BioRescue Hoffnung für die Rettung der Nördlichen Breitmaulnashörner.
Da weder Najin noch Fatu – die beiden Nördlichen Breitmaulnashorn Weibchen – ein Kind austragen können, setzt das BioRescue Team auf den Transfer eines Embryos dieser Art in den Körper einer Leihmutter der Südlichen Breitmaulnashörner.
Zwar müssen zunächst neue potentielle Leihmütter sowie Anzeigebullen gefunden werden, doch ist dies erst einmal geglückt, hofft das Team auf einen gelungenen Transfer der 30 kryokonservierten Embryos der nördlichen Breitmaulnashörner.
Weitere Möglichkeiten
Eine weitere Möglichkeit, die Nashörner zu retten, bestünde außerdem möglicherweise in der Stammzelltechnologie.
Hierbei möchte man Nashorn-Hautzellen in pluripotente Stammzellen umwandeln. Aus diesen soll es möglich sein, alle Gewebearten entwickeln zu können, was bedeuten würde, dass irgendwann sogar Keimzellen – also Spermien und Eizellen – daraus entstehen könnten.
Und auch in dieser Forschung gelang vor gar nicht allzu langer Zeit ein Durchbruch: 2022 war es Wissenschaftler:innen von BioRescue möglich, aus den Hautzellen von Fatus Tante Nabire, Urzellen – also den Vorläufer zu Eizellen und Spermienzellen – zu kreieren.
Der Stammzellen-Ansatz hätte einen großen Vorteil: Diese Methode würde die genetische Vielfalt der Nördlichen Breitmaulnashörner gewährleisten und somit für eine gesunde, sich selbst erhaltende Nachfolgegeneration des Nördlichen Breitmaulnashorns sorgen.
- https://www.izw-berlin.de/de/pressemitteilung/der-weltweit-erste-erfolgreiche-embryotransfer-bei-nashoernern-ebnet-den-weg-zur-rettung-der-noerdlichen-breitmaulnashoerner.html
- https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/noerdliches-breitmalnashorn-die-letzten-vier-ihrer-art-a-1045733.html
- https://vet.thieme.de/aktuelles/vet-news/detail/die-rettung-des-noerdlichen-breitmaulnashorns-1057
- https://www.welt.de/wissenschaft/article249707508/Breitmaulnashorn-Ein-Embryo-koennte-die-Rettung-sein.html
- https://www.ardalpha.de/wissen/natur/tiere/artenschutz/rote-liste/breitmaulnashorn-noerdliches-wildtiere-aussterben-zuechtung-befruchtung-labor-100.html