Die südamerikanische Atacama-Wüste zieht mit ihrer Trockenheit und beeindruckenden Landschaften Besucher aus aller Welt an. Doch hinter der scheinbar unberührten Kulisse verbirgt sich eine wachsende Umweltkrise: Hier stapeln sich die Überreste der Fast Fashion, eine stumme Anklage gegen die Wegwerfmentalität der modernen Bekleidungsindustrie.
Die Atacama-Wüste - Zahlen & Fakten
Die Atacama-Wüste im Norden Chiles ist ein faszinierendes Reiseziel, das Besucher:innen mit seiner atemberaubenden Landschaft, seinen beeindruckenden Bergen und Seen sowie spektakulären Felsformationen in den Bann zieht.
Diese Küstenwüste - die trockenste der Welt - liegt im Regenschatten der Anden, was verhindert, dass Feuchtigkeit aus dem Pazifik in die Region gelangt. Jegliche Niederschläge werden also abblockt. Mit einem durchschnittlichen Niederschlag von lediglich 0,5 mm pro Jahr erlebt die Atacama-Wüste nur etwa alle 5-10 Jahre erhöhte Regenfälle. Treten diese Regenfälle jedoch ein, so kann sich die Wüste vorübergehend in ein blühendes Meer aus über 200 Pflanzenarten verwandeln, doch auch Überschwemmungen sind eine Folge der seltenen Regenfälle, da das Wasser aufgrund des trockenen Untergrunds in der Wüste nicht ablaufen kann.
Die Wüste ist übrigens einer der besten Orte der Welt, um Sterne zu beobachten: Der klare Himmel, die niedrige Luftfeuchtigkeit und die geringe Luftverschmutzung ermöglichen einen ungetrübten Blick ins Universum.
Bemerkenswert ist auch, dass hier die ältesten mumifizierten menschlichen Überreste, die sogenannten Chinchorro-Mumien, gefunden wurden, die Jahrtausende älter sind als die ägyptischen Mumien.
Die Kehrseite der Medaille - Fast Fashion in der Wüste
Die Wüste beeindruckt jedoch nicht nur mit ihrer Naturschönheit, sondern hat sich auch zu einem traurigen Symbol für die Schattenseiten der Fast Fashion entwickelt: In erschreckender Geschwindigkeit wachsen dort Müllberge aus weggeworfenen Kleidungsstücken, die das Resultat der massenhaften Produktion und dem raschen Konsum von Billigmode sind.
Die Müllflut hat ihren Ursprung im rasant steigenden Bekleidungsverbrauch: Zwischen den Jahren 2000 und 2014 hat sich die Bekleidungsproduktion verdoppelt. Konsumenten kauften zuletzt rund 60 Prozent mehr Kleidung, doch trugen diese nur halb so lange wie zuvor. Heute landen drei Fünftel aller Hosen, Hemden und Kleider innerhalb eines Jahres nach ihrer Herstellung auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen – diese Menge entspricht der Abladung einer ganzen Lastwagenladung Kleidung pro Sekunde.
Entsorgungseinrichtungen, hauptsächlich in südasiatischen und afrikanischen Ländern, sind dieser Mülllawine nicht mehr gewachsen. So besteht beispielsweise eine Müllhalde am Stadtrand der ghanaischen Hauptstadt Accra zu 60 Prozent aus weggeworfener Kleidung und erreicht eine Höhe von fast 20 Metern.
Hier findet ihr weitere Informationen zur Fast Fashion und ihre Folgen bzw. die Unterschiede zur Slow-Fashion.
In der Atacama-Wüste
Wie kommt nun aber der Müll ausgerechnet in die Atacama-Wüste? Die abgelegene Region, die mehr als 1.600 Kilometer von Chiles Ballungsgebieten im Süden entfernt liegt, erscheint zunächst als ungewöhnlicher Ort für einen Friedhof der Fast Fashion.
Sobald man den Blick aber auf den zollfreien Hafen in der Küstenstadt Iquique am westlichen Rand der Atacama-Wüste richtet, so ergibt die Lage schon deutlich mehr Sinn. Laut chilenischer Zollstatistik kamen an diesem Hafen im Jahr 2022 nämlich insgesamt 44 Millionen Tonnen Kleidung aus Europa, Asien sowie Nord-, Mittel- und Südamerika an.
Chile ist mittlerweile der weltweit größte Importeur gebrauchter Kleidung, und das spürt man in Iquique deutlich. Während die Fast Fashion-Industrie rasant wächst, steigt auch das Importvolumen des Hafens stark an. In der zollfreien Zone haben heute etwa 2.000 verschiedene Firmen Niederlassungen, von denen 57 Prozent aus dem Ausland stammen.
(Zollfreie Häfen ermöglichen die Einfuhr und den Weitertransport von Waren ohne Gebühren und Steuern, um Wirtschaft und Handel zu fördern).
In der Atacama Wüste wird also im Grunde Kleidung aus aller Welt gelagert.
Kleidungsstücke aus den USA und Europa, die oft aus Kleiderspenden stammen, werden nach ihrer Ankunft im zollfreien Hafen von Iquique in vier Qualitätskategorien sortiert: von hochwertig bis schlecht. Die besten Teile werden für den Weiterverkauf nach Panama, Asien, Afrika, in die Dominikanische Republik und manchmal sogar zurück in die USA exportiert.
Bekleidung, die hingegen nicht mehr tragbar ist, wird mit Lastwagen an den Stadtrand von Alto Hospicio gebracht. Hier durchforsten Händler die Textilhaufen nach Kleidung, mit der sich in kleinen Geschäften und auf der Straße noch Geld machen lässt - Auf dem La Quebradilla, Chiles größtem Markt unter freiem Himmel, bieten über 7.000 Stände Kleidung von der Müllkippe an.
Die Kleidung, die nicht weiterverkauft wird (rund 40%), landet in der Wüste – und das oft für lange Zeit.
Seit Jahren landen so täglich bis zu 20 Tonnen alter Kleider in diesem einzigartigen Naturparadies, und die Stadt ist kaum in der Lage, das Problem zu bewältigen. Dabei fehlt es sowohl an finanziellen Mitteln als auch an Personal, um das illegale Abladen von Altkleidern zu verhindern oder die entstandene Mülldeponie zu beseitigen. Gerade einmal fünf Inspektoren versuchen, diejenigen zu erwischen, die die Altkleider in die Wüste kippen.
Hinzu kommt, dass viele der Kleidungsstücke aus synthetischen Materialien bestehen, die nicht biologisch abbaubar sind, was die Müllberge in der Atacama-Wüste noch stetig wachsen lässt.
des Weiteren wird die Umwelt in Alto Hospicio durch das regelmäßige Verbrennen von Kleidung stark belastet. Um Platz zu schaffen, wird jährlich ein großer Brand entfacht, der jedoch erhebliche Schäden verursacht. Trotz der Bemühungen der Feuerwehr, das Feuer mit Wasser zu löschen, schwelen die Flammen oft noch Tage weiter und hinterlassen eine nachhaltige Umwelt- und Luftverschmutzung.
Hier findet ihr weitere Informationen über den weltweiten - teils illegalen - Müllexport, seine Gründe, die verheerenden Folgen und mögliche Lösungsansätze.
Ein Blick in die Zukunft
In den letzten Jahren haben sich die Berge gebrauchter Kleidung in alarmierendem Maße vermehrt und die einst lukrative Möglichkeit des Weiterverkaufs wurde zunehmend ineffektiv. Die unkontrollierte Textilflut hat ein enormes Müllproblem verursacht, das dringende und innovative Lösungen erfordert. Inzwischen engagieren sich zahlreiche Projekte unterschiedlicher Größe dafür, die riesigen Kleiderberge abzutragen und umweltfreundlich zu entsorgen.
Beispiel EcoFibra
Ein Projekt ist das von Franklin Zepeda im Jahr 2018 gegründete Unternehmen EcoFibra. Dieses Unternehmen stellt Dämmplatten aus Textilabfällen her, da es erkannt hatte, dass ein großer Teil der weggeworfenen Kleidung sich hervorragend als Rohstoff für neue Produkte eignet. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass der Müllberg in der Wüste verringert wird. Bis heute wurden die Dämmplatten von EcoFibra bereits beim Bau von über 100 Häusern in Nordchile verwendet. Ein weiteres innovatives Unternehmen ist Ecocitex, ein Startup mit Sitz in Santiago, das entsorgte Kleidung zu Garn verarbeitet, aus dem neue Mode entsteht.
Lust auf mehr?
Erfahrt hier noch mehr über die Zusammenhänge der Modeindustrie mit der weltweiten Umweltverschmutzung und lernt wie ihr selbst etwas zum Umweltschutz beitragen könnt!
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- https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2023/04/wie-die-atacama-wueste-zum-fast-fashion-friedhof-wurde
- https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/chile--atacama-wueste-wird-zur-muellkippe-fuer-fast-fashion-kleidung-31431758.html
- https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2023/04/wie-die-atacama-wueste-zum-fast-fashion-friedhof-wurde
- https://www.tripspi.com/de/blog/die-atacama-wuste:-15-interessante-fakten-bBRPJwKueb