Europa gilt mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsum von 5,0 Kilogramm im Jahr als der weltweit größte Schokoladenmarkt der Welt und eine große Nachfrage fordert auch ein großes Angebot. Kein Wunder also, dass der weltweite Konsum des süßen Produktes 2022 ganze 8,13 Millionen Tonnen betrug – Tendenz steigend. Doch diese Mengen müssen ja überhaupt erstmal produziert werden und was sich für uns Konsument:innen fantastisch anhört, ist häufig leider alles andere als gut für die Menschen, die tatsächlich am Kakaoanbau beteiligt sind – insbesondere für Frauen.
Im Folgenden beschäftigen wir uns mit dem weltweiten Kakaoanbau und klären insbesondere über die ungleichen und ungerechten Arbeitsbedingungen der Frauen im Kakaosektor auf. Anschließend haben wir noch einige Tipps für euch, die euch dabei helfen können, ethisch vertretbare Schokoladen- und Kakaoproduzenten zu finden und zu unterstützen.
Weshalb wir über Feminismus im Kakaosektor reden müssen
Während der Schokoladensektor ein Markt ist, der größtenteils von wenigen, dafür aber sehr großen Unternehmen dominiert wird, beruht der Kakaosektor hingegen, auf den sich die Produktion von Schokolade stützt, immer noch auf unzähligen kleinen Kakaofarmen. Alleine in Westafrika sind beispielsweise über 2 Millionen Kleinbauern im Kakaoanbau tätig.
Die Arbeitsbedingungen auf den meisten Kakaoplantagen und in der Weiterverarbeitung sind jedoch in der Regel alles andere als fair und besonders die Frauen im Kakaosektor leiden für gewöhnlich unter geschlechtsbedingter Diskriminierung. Zwar sind die Frauen besonders in der frühen Phase des Kakaoanbaus – also in der Pflanzenpflege, der Fermentation und Trocknung der Bohnen – gefragt und nehmen eine entscheidende Rolle in der Sicherung der Ernährung ihrer Familie und Gemeinschaft ein, aber dennoch sind sie regelmäßig Opfer von Ausbeutung, Armut und Unterdrückung.
So berichtet eine Studie des WWF Ecuador zum Thema Geschlechtergerechtigkeit, die mithilfe dreier Kooperationen in der ecuadorianischen Amazonas-Region erhoben wurde, dass zwar in etwa gleich viele Frauen und Männer eine Anstellung in der Landwirtschaft innehaben, die Frauen aber bis zu 16 Stunden mehr in der Woche arbeiten müssen – ohne dass sich dies in der Bezahlung widerspiegeln würde.
Außerdem sind die indigenen Frauen dort im Kakaoanbau für die Aufzucht und Pflege der sogenannten Chakras – Waldgärten – zuständig, in denen es bis zu hundert Pflanzenarten gibt. Die Chakras gelten kulturell gesehen als "weibliche Räume” und doch haben die Frauen selbst de facto keinen Anspruch auf die Räume, die sie pflegen, denn der Landbesitz im Amazonasgebiet steht meist nur den Männern zu. Frauen gelangen nur in seltenen Ausnahmefällen wie Vererbung an eigenes Land. Dementsprechend sind 88 % der Landwirt:innen, die gleichzeitig Land besitzen, männlich, und nur 12 % sind weiblich. Alleine dieser Ausgangswert schafft unübersehbar Abhängigkeitsstrukturen innerhalb der Gesellschaft.
Hinzu kommt, dass die meisten Frauen im Kakaosektor entweder zu deutlich geringeren Löhnen als ihre männlichen Kollegen arbeiten müssen oder gar kein Geld für ihre Arbeit bekommen.
Neben fairen Grundbesitzverhältnissen und Arbeitslöhnen wird ihnen außerdem auch der Zugang zu Krediten oder landwirtschaftlichen Schulungen und Fortbildungen verweigert, was sie weiter in ihrer Entscheidungsfreiheit sowie ihren Aufstiegschancen eingeschränkt und unterdrückt. Ein Mitspracherecht oder gar Führungspositionen stehen ihnen ebenso nicht zu. Stattdessen leidet die Mehrheit (65 %) der ecuadorianischen Frauen – besonders in ländlichen und indigenen Gemeinschaften – unter geschlechtsbasierter Gewalt.
Und auch in westafrikanischen Ländern wie Nigeria oder Ländern entlang der Elfenbeinküste arbeiten Frauen auf Kakaoplantagen in der Regel als sehr schlecht oder gar nicht bezahlte Saisonarbeiterinnen. So verdienen Frauen in Nigeria für ihre harte Arbeit gerade einmal 500 Naira pro Tag, was etwa zwei bis drei US-Dollar entspricht, während Männer für gewöhnlich das Doppelte verdienen.
Der Besitz von Land, die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, oder die Chance auf Bildung sind hier überwiegend Männersache.
(Not so) FunFact:
Die 22 reichsten Männer der Welt besitzen gemeinsam mehr Vermögen als alle Frauen in Afrika zusammengenommen.
Veränderung muss her
Die Frauen im Kakaosektor arbeiten in der Regel nicht nur un(ter)bezahlt, sondern sie sind zudem auch für die Versorgung von Kindern und Familie zuständig. All diese Gebiete sind jedoch stark miteinander verknüpft und können sich gegenseitig bedingen. Gäbe man Frauen ein höheres Ansehen in ihrer Branche und würde man die Bezahlung von Frauen erhöhen, so hätte dies nicht nur einen direkten positiven Effekt auf das Leben der betroffenen Frauen, sondern es würden infolgedessen auch die Ernährung, Gesundheit und allgemeine Versorgung der Familien verbessern. Bezahlte man einer Frau auch nur 10 US Dollar mehr für die gleiche Arbeit, so würde dies – nach Untersuchungen entlang der Elfenbeinküste – die gleichen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und der Ernährung von Familien in betroffenen Gebieten haben, als wenn ein Mann 110 US-Dollar mehr verdienen würde.
Zudem wird der Kakaosektor besonders für junge Arbeiter:innen aufgrund schlechter Löhne trotz harter Arbeitsbedingungen immer unattraktiver. Besonders die (finanzielle) Förderung der dort arbeitenden Frauen könnte dieser Entwicklung aber entgegenwirken.
Die Rainforest Alliance sieht in der Stärkung der Frauen im Agrarsektor eine der wichtigsten Komponenten zur Einhaltung der UN-Nachhaltigkeitsziele, aber auch der allgemeinen Verbesserung nachhaltiger Lebensgrundlagen.
Bisherige Fortschritte im Kampf um mehr Gerechtigkeit
1929 führte Ecuador das Frauenwahlrecht ein und ging somit die ersten wichtigen Schritte für mehr Geschlechtergleichheit.
Zudem ist Ecuador – wie auch Deutschland – einer der 189 Vertragsstaaten, der sich der Umsetzung der VN-Frauenrechtskonvention CEDAW – einem Übereinkommen der Vereinten Nationen – verpflichtet hat. Die CEDAW sieht eine vollständige Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen vor.
Wann und ob diese Vorhaben allerdings tatsächlich vollständig umgesetzt sein werden, steht bisher in den Sternen.
Weitere global orientierte Ziele, wie die 17 Nachhaltigkeitsziele (sustainable development Goals) der Vereinten Nationen (UN), die bis 2030 eine grünere und fairere Welt garantieren sollen, richten sich unter anderem an die weltweite Geschlechtergleichstellung und weisen somit auch den Weg zu fairen Arbeitsbedingungen im Kakaosektor.
Hier erfährst du mehr zum 5. SDG, das sich der weltweiten Geschlechtergleichstellung widmet.
Neben allgemeinen globalen Bemühungen gibt es zudem national und lokal orientierte Initiativen, die sich gezielt gegen die Diskriminierung von Frauen in den betroffenen Regionen richtet.
Unter anderem führte beispielsweise der WWF in 2024 eine Analyse zu Geschlechterdynamiken in den indigenen Kakao-Erzeugergemeinschaften Kallari, Wiñak und Tsatsayaku durch und stellte infolgedessen strategische Vorgehensweisen zur Beseitigung geschlechtsbasierender Ungleichheiten auf. Die gezielte Förderung von Frauen soll unter anderem durch ihre Weiterbildung, die Vermittlung von Führungsqualitäten, Teamarbeit sowie Projektplanung entstehen. Damit möchte man Frauen die benötigten Werkzeuge bereitstellen, die es braucht, um ihre Chancen auf Aufstiegsmöglichkeiten oder gar Führungspositionen zu verbessern. Dazu gehört auch das Bereitstellen von Kinderversorgung, wie z.B. durch das Errichten von Kinderkrippen, damit auch Frauen die Möglichkeit geboten wird, an Workshops und Versammlungen teilnehmen zu können.
Außerdem sollen Workshops zur Sexualerziehung Jugendlicher veranstaltet werden, um klassische Geschlechterstereotype und patriarchale Strukturen zu durchbrechen.
Der WWF unterstützt beispielsweise junge indigene Mütter dabei, an Unternehmens- und Messebesuchen in Europa teilnehmen zu können.
Ziele sind eine Förderung der aktiven Beteiligung von Frauen in der Entscheidungsfindung.
Wie man sieht, gab und gibt es im Verlauf der letzten Jahrzehnte also immer wieder Initiativen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen zu unterstützen. Dennoch sollte man im Kopf behalten, dass mit diesen Bemühungen erst die Grundsteine für Geschlechtergleichheit gelegt werden und es noch ein weiter Weg zu sein scheint, bis überall wahre Gerechtigkeit erzielt ist.
Dementsprechend stellt sich aber auch die Frage, was man denn selbst tun kann, um den Frauen im Kakaosektor zu gerechteren Arbeitsbedingungen zu verhelfen? Gibt es überhaupt etwas, was man tun kann?
Wie kann man als Kakao- und Schokoladen-Konsument:in einen Beitrag zur Geschlechtergleichheit im Kakaosektor leisten?
Die Mehrheit der großen Kakao-Anbieter – unter anderem Mondelez, Mars oder Nestlé – geht selbst nicht gegen die Diskriminierung von Frauen im Allgemeinen und die Ausbeutung ihrer Arbeiter:innen im Besonderen vor. An wen kann man sich also stattdessen als Konsument:in wenden und was gilt es zu beachten, damit man statt zur Unterdrückung von Frauen zu deren Stärkung und einer allgemein fairen und nachhaltigen Entwicklung beiträgt?
Zunächst ist es in Sachen der Geschlechtergleichheit – wie auch in Fragen des Tierwohls oder allgemeinen Ernährungsfragen – essentiell, sich unbedingt mit der Herstellung bzw. Herkunft der konsumierten Lebensmittel – in diesem Fall Schokolade oder anderen kakaohaltigen Lebensmitteln – zu beschäftigen.
Wendet man sich erstmal von den altbekannten Marken wie Nestlé ab, so erkennt man recht schnell, dass es einige kleinere Unternehmen gibt, die sich gezielt dem nachhaltigen und fairen Kakao verschrieben haben.
Ein Beispiel für eine solche Marke bietet unter anderem der Schokoladenhersteller “Theyo”, der bei allen seinen Produkten auf künstliche Inhaltsstoffe verzichtet und zudem sicherstellt, dass seine Produkte aus fairem Anbau stammen, bei dem Geschlechtergleichheit herrscht und Frauen und Männer gleichermaßen in Führungspositionen arbeiten können.
Kauft man nun als Konsument:in Schokolade von solchen Anbietern, so leistet man einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kakaoanbau und insbesondere der Förderungen von Frauen im Kakao- und Schokoladensektor.
Tipps – wie erkenne ich faire Kakaoproduzenten?
Hier sind einige Kriterien, die man bei der Begutachtung bestimmter Schokoladenproduzenten beachten sollte:
Zuerst einmal lohnt es sich, außerhalb der gewohnten großen Schokoladenhersteller wie Nestlé und Co zu suchen und sich aktiv um Schokoladenhersteller zu bemühen, die von weiblichen Führungskräften betrieben werden und sich aktiv für die Rolle der Frau im Kakaosektor einsetzen.
Sind der Kakaoanbau sowie der Herstellungsprozess und die Arbeitsbedingungen nachweislich transparent dargestellt? – Diese Frage ist eine der wichtigsten Fragen, die man sich stellen sollte. Schließlich kann grundsätzlich jeder Produzent von sich behaupten, einen fairen Kakaoanbau zu betreiben. Transparenz entlang der gesamten Produktionskette geben einem als Konsument:in immerhin eine gewisse Sicherheit über den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen. Wer nichts zu verbergen hat und sich sogar aktiv für einen fairen Anbau einsetzt, sollte schließlich auch nichts vor seinen Kund:innnen verheimlichen müssen.
Indizien, dass der An- und Abbau sowie die Weiterverarbeitung des Kakaos tatsächlich fair stattfinden, bieten beispielsweise geprüfte Label auf besagten Lebensmitteln, die dies überprüfen sollen. Zudem lohnt es sich, immer noch einmal eigene Recherche zu betreiben, um die Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
Achtung: Ein allgemein fairer Anbau bedeutet nicht gleich Geschlechtergleichheit. Es ist also essentiell, dass man sich gezielt nach Herstellern umsieht, die diese Werte klar und deutlich vertreten und nach ihnen handeln.
Ein recht schlichtes und eindeutiges Indiz in Sachen Geschlechtergleichheit ist beispielsweise eine relativ ausgeglichene Anzahl an Arbeiter:innen jedes Geschlechts.
Die Bezahlung der Arbeiter:innen darf nicht vom Geschlecht abhängig gemacht werden. Auch Frauen müssen bei einem fairen Kakaoanbieter angemessene Zahlungen erhalten, die sich nicht nach ihrem Geschlecht sondern rein anhand der Arbeit, die sie verrichten, richten. Informationen zu einem gerechten und ausgeglichenen Gehalt von Frauen und Männern gleichermaßen weisen auf verbesserte Arbeitsbedingungen hin.
Zu fairen Arbeitsbedingungen für Frauen zählen aber nicht nur angemessene Löhne, sondern auch die Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung und bestenfalls die Unterstützung bei der Kinderversorgung. Auch auf diese Kriterien sollte man also bei der Auswahl eines Kakaoproduzenten achten.
- https://www.nachhaltige-agrarlieferketten.org/ueber-ina/gendergerechtigkeit/gender-in-der-praxis/geschlechtergerechtigkeit-in-growherkakao
- https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/amazonien/edelkakao-aus-agroforstsystemen/wie-feministische-ansaetze-die-rolle-der-frauen-im-kakaosektor-staerken?newsletter=infonewsletter%2FHausliste%2F2024%2F07%2F13%2Fkakaosektor%2Fplastik%2F225505&utm_medium=email&utm_campaign=kakaosektor&utm_source=infonewsletter&ecmId=5X1IGLGU-GA213AX&ecmEid=5XELKDO0-5X1IGLGU-78D13BR&ecmUid=56MPM4J5-102N1576
- https://www.theyo.de/blogs/theyorie/frauen-im-schokoladenbereich
- https://www.theyo.de
- https://www.oxfam.de/multimedia/arbeit-kakaoplantagen-harter-alltag-frauen
- https://www.umweltdialog.de/de/wirtschaft/lieferkette/2019/Geschlechtergleichstellung-im-Kaffee-und-Kakaosektor.php
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/72632/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-schokoladenwaren-in-deutschland/#:~:text=Schokolade%20ist%20in%20vielen%20Teilen,Consumer%20Market%20Insights%20von%20Statista.
- https://rationalstat-com.translate.goog/chocolate-consumption-per-year/?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=rq#:~:text=Further%2C%20the%20global%20consumption%20of,at%201%20kg%20per%20year.
- https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/internationale-gleichstellungspolitk/vn-frauenrechtskonvention-cedaw-staatenberichtsverfahren-und-dokumente-80794#:~:text=Internationale%20Gleichstellungspolitik%20VN%2DFrauenrechtskonvention%20(CEDAW)%3A%20Staatenberichtsverfahren%20und%20Dokumente&text=Die%20VN%2DFrauenrechtskonvention%20von%201979,Frauen%20und%20M%C3%A4dchen%20zu%20verwirklichen.