Ein landesweites Tempolimit? Pro und Contra Argumente

07. Dezember 2024
Fotograf:in: Titus Blair, Copyright: Unsplash

Deutschland ist das einzige EU-Mitgliedsland, das kein allgemeines Tempolimit hat. Aktuell gibt es dauerhafte oder temporäre Tempolimits nur auf 30% der deutschen Autobahnen – Baustellen ausgenommen. Doch schon seit geraumer Zeit wird das Thema “Tempolimit” heiß diskutiert – Umweltverbände fordern Geschwindigkeitsbeschränkungen von 120 km/h auf allen Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts. Kritiker argumentieren, die Auswirkungen auf Klimaschutz und Verkehrssicherheit seien, wenn überhaupt, marginal. Im Folgenden findet ihr eine Auflistung der Argumente von Befürwortern wie auch Kritikern.

1. Kostengünstiger Klimaschutz

Untersuchungen des Umweltbundesamtes zufolge würde ein Tempolimit von 120 km/h jährlich 2,9% der CO2-Emissionen im Verkehrssektor einsparen. Eine zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h auf Landstraßen würde die Schadstoffemissionen um 3,4% verringern.
Bezieht man auch mögliche Nachwirkungen wie den Routenwahl- und den Nachfrageeffekt mit ein, so könnte die CO2-Reduktion auf 5,1% steigen. Der Routenwahleffekt besagt, dass Tempolimits Autofahrer dazu bewegen würden, vermehrt alternative Routen zu wählen, die von der Strecke her kürzer sind und auf denen man zusätzlich langsamer zu fahren hat. Dies würde nicht nur den Verkehr auf vielbefahrenen Routen ohne Tempolimit entzerren, sondern auch die Anzahl der zurückgelegten Kilometer und somit die CO2 Emissionen verringern. Der Nachfrageeffekt meint, dass Autofahrer sich aufgrund der verlängerten Fahrzeiten öfter für nachhaltige Verkehrsmittel wie Bahn und Bus entscheiden würden.

2. Welche finanziellen Vorteile gibt es?

Die Einführung eines Tempolimits ist so ziemlich die einzige kostenfreie und kurzfristig umsetzbare Methode, Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren. Und die Autofahrer selbst sparen sich Spritkosten: Ein VW Golf zum Beispiel, der bei 100 km/h 6,5 Liter verbraucht, benötigt bei 220 km/h mehr als 20 Liter.

Obendrein könnte eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen viele Steuergelder einsparen, denn aktuell sieht es so aus, als würde Deutschland die nationalen Klimaziele verfehlen und das liegt vor allem auch am Verkehrssektor. Schätzungen zufolge wird die Bundesregierung dann Emissionszertifikate bei anderen Ländern in Höhe von 16,2 Milliarden Euro kaufen müssen.

Mehr zu diesem Thema findet ihr hier:

3. Tempolimits für mehr Verkehrssicherheit

Dass Tempolimits die Unfallzahlen reduzieren würden, kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt zwar Beispiele aus anderen Ländern, die darauf hindeuten, dass dies durchaus zutrifft, wie in der französischen Stadt Lyon: Dort verringerten sich die Unfälle mit Todesopfern und Schwerverletzten um ganze 40% nachdem das Tempolimit für mehr als 80% der Straßen auf 30 km/h herabgesetzt wurde.
Im Allgemeinen schneidet Frankreich in Sachen Verkehrssicherheit jedoch nicht besser ab als Deutschland, obwohl dort ein landesweites Tempolimit von 130 km/h herrscht. Auch Tschechien und die USA weisen trotz allgemeinen Tempolimits kein höheres Sicherheitsniveau auf. In Ländern wie der Schweiz und den Niederlanden, die ebenfalls ein Tempolimit haben, gibt es dagegen deutlich weniger Verkehrstote. Diese Daten geben folglich keinen Aufschluss darüber, ob ein Tempolimit auf Autobahnen tatsächlich Auswirkungen auf die Zahl der Unfälle hätte.

Selbst der Vergleich deutscher Autobahnen mit bzw. ohne Tempolimit liefert keine eindeutige Antwort: Auf Strecken ohne Tempolimit ereigneten sich nicht mehr Unfälle pro Kilometer als auf denen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen. Dabei sollte allerdings erwähnt werden, dass es meist einen Grund für Tempolimits gibt, z.B. weil die Straßen bei Nässe gefährlich sind oder eine hohe Verkehrsdichte aufweisen – die Zahlen sind demnach oft schwer zu vergleichen.

Man könnte dem entgegnen, dass Tempolimits vor allem auf den Straßen notwendig scheinen, auf denen die meisten Unfälle passieren – und das sind nicht die Autobahnen, sondern Landstraßen. 2020 kamen rund 59% (1592 Menschen) aller Verkehrstoten in Deutschland auf Landstraßen ums Leben, was diese zu den gefährlichsten Straßen Deutschlands macht. Unfälle auf Autobahnen forderten vergleichsweise wenige, nämlich “nur” 317 Menschenleben, was rund 12% entspricht. Circa 30% der Menschen kamen bei Unfällen innerorts ums Leben.
Ein generelles Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen, wie es von Umweltverbänden gefordert wird, könnte das Unfallrisiko allein dadurch reduzieren, dass sich bei einer angemessenen Geschwindigkeit Sicht und Reaktionsfähigkeit verbessern. Bei einer hohen Geschwindigkeit verlängert sich der Bremsweg und spontane Lenkmanöver sind riskanter. Außerdem verursacht ein Aufprall mit höherer Geschwindigkeit schwerwiegendere Schäden, als wenn man mit einem gemäßigteren Tempo gefahren wäre.
Vielen Unfällen liegt weiterhin eine nicht angemessene Geschwindigkeit zugrunde, weshalb eine verpflichtende Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h bei den oft kurvigen und unebenen Landstraßen das Unfallrisiko minimieren könnte.

4. Reduktion von Lärm- und Luftverschmutzung

Laut Umweltbundesamt würde eine Tempolimit von 30 km/h innerorts den Lärmpegel der Autos deutlich reduzieren und Anwohner somit entlasten. Auch die Luftqualität könnte von einem landesweiten Tempolimit profitieren, denn bei geringeren Geschwindigkeiten verbrauchen die Fahrzeuge weniger Sprit und stoßen auch weniger Schadstoffe aus. All das würde die Lebensqualität für Menschen, die entlang von stark befahrenen Straßen wohnen, deutlich verbessern.

5. Besserer Verkehrsfluss

Die großen Geschwindigkeitsunterschiede auf Autobahnen haben oftmals Aggressionsdelikte wie Drängeln und dichtes Auffahren zur Folge. Wenn sich alle an die gleiche Geschwindigkeit halten müssten, würde der Verkehr besser fließen. Es gäbe weniger Unfälle und man würde weniger Zeit im Stau verbringen – so die Ansicht der Befürworter des landesweiten Tempolimits. Der ADAC äußerte sich dazu und argumentierte, dass die Kapazität von Autobahnen dann am größten ist, wenn eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h gilt. Ein Tempolimit von 120 bzw. 130 km/h würde demzufolge wohl kaum die erhoffte Wirkung erzielen.

  • https://www.greenpeace.de/klimaschutz/mobilitaet/tempolimit-sinnvoll
  • https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/tempolimit-diese-sieben-vorteile-haette-eine-sofortige-geschwindigkeitsbegrenzung/
  • https://www.verti.de/ratgeber/tempolimit-pro-contra/
  • https://www.adac.de/verkehr/standpunkte-studien/positionen/tempolimit-autobahn-deutschland/
  • https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-06-15_texte_38-2020_wirkung-tempolimit_bf.pdf
  • https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/fehlender-klimaschutz-im-verkehr-deutschland-drohen-milliardenkosten
  • https://www.umweltbundesamt.de/themen/tempolimits-koennten-mehr-treibhausgase-sparen-als
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