Ist der ausgestorbene Schattenwolf zurückgekehrt?

18. Mai 2025
Copyright: Foto von Eva Blue auf Unsplash

Das 2021 gegründete US-amerikanische Bio- und Gentechnik-Unternehmen Colossal Biosciences konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten. Doch was zunächst nach Science-fiction oder Fantasy klingt, wurde im vergangenen Monat tatsächlich Realität als das Unternehmen verkündete, sie hätten die seit mehr als 10.000Jahren ausgestorbenen Dire Wölfe – auf deutsch “Schreckenswölfe” genannt – wieder zum Leben erweckt.

Wie dies möglich ist und welche positiven sowie negativen Reaktionen auf die Sensation erfolgten, erfährst du im folgenden Artikel.


Alles was du zum Dire Wolf wissen solltest

Der Dire Wolf lebte bis zu seinem Aussterben vor etwa 10.000 Jahren in Nord- und Südamerika. Bisherige Funde weisen darauf hin, dass er sogar schon vor 250.000 Jahren dort anzutreffen war. Verglichen mit heutigen Wolfsarten wie dem Grauwolf waren Dire Wölfe recht groß und schwer und auch ihre Beißkraft war ausgesprochen kräftig – ihre Beine waren aber verhältnismäßig kurz, was darauf hindeuten könnte, dass er nicht unbedingt darauf ausgelegt war, lange Strecken zurückzulegen, und dementsprechend auch auf Aas als Nahrung zurückgegriffen hat. Zu ihrer Beute dürften ebenso bereits ausgestorbene Kamel-, Bison-, Mammut-, und Pferdearten gehört haben.

FunFact: Vielen Menschen dürfte der Dire Wolf auch unter dem Namen "Schattenwolf" bekannt sein, da die Wolfsart unter dieser Bezeichnung in der bekannten Fantasy-Reihe “Game of Thrones” erscheint.

Dire Wolf mögliches Aussehen
So könnte der Dire Wolf einst ausgesehen haben.

Weswegen die Wolfsart ausgestorben ist, ist unklar, doch plausible Faktoren sind unter anderem die Konkurrenz mit anderen Raubtieren, Veränderungen im Klima und Veränderungen im Bestand ihrer Beutetiere.

Die Rückkehr der Dire Wölfe

Nach der Geburt der beiden Dire-Wolfswelpen Romulus und Remus, die am 01.10.2024 das Licht der Welt erblickten, sowie der Geburt der Dire Wölfin Khaleesi am 30.01.2025, verkündete Colossal einige Monate später die Rückkehr der Dire Wölfe.

FunFact: Die Namen der männlichen Welpen beziehen sich auf die mythologischen Gründervätern der Stadt Rom, die von einer Wölfin aufgezogen worden waren und der Name des weiblichen Welpen ist eine Anspielung auf die ‘Game of Thrones’ Serie, in der der Titel ‘Khaleesi’ die Frau eines Khals – dem Anführer einer bestimmten Stammesgruppe – auszeichnet.

Die Wissenschaft dahinter

Kurzer Abstecher in die Gentechnik

Bereits seit mehreren Jahrzehnten wird Gentechnik genutzt, um DNA zu verändern, anzupassen oder sogar um Tiere – wie das 1996 bekannt gewordene Schaf Dolly – zu klonen. Für Letzteres wird in der Regel eine Gewebeprobe aus dem zu klonenden Tier entnommen. Jede einzelne Zelle in dieser Probe enthält einen eigenen Zellkern, in dem sich die DNA des Tieres befindet. Aus den entnommenen Zellen wird ein Zellkern extrahiert und anschließend in eine Eizelle, in der zuvor der eigene Zellkern entfernt wurde, gesetzt. Die Eizelle mit der fremden DNA, die der exakten DNA des zu klonenden Tieres entspricht, wird schließlich in das Leihmuttertier eingesetzt und von diesem ausgetragen.

Eine ähnliche Vorgehensweise wurde nun auch zur Erschaffung der drei Dire Wolfswelpen angewendet.


Mehr zu Gentechnik und ihren Vor- und Nachteilen erfährst du hier: Genschere CRISPR/Cas9: Segen oder Fluch für unsere Landwirtschaft?

So wurden die Dire Wölfe wieder zum Leben erweckt

Colossal gelang es, aus zwei Fossilien – einem 13.000 Jahre alten Zahn aus Sheridan Pit in Ohio, sowie einem 72.000 Jahre alten Ohrknochen aus American Falls in Idaho – die DNA der Dire Wölfe zu extrahieren. Dieses wurde analysiert und mit dem Genmaterial heutiger Grauwölfe verglichen. Dieses Wissen nutzten die Wissenschafter*innen anschließend, um die Gene, die den Blutproben eines Grauwolfs entnommen worden waren, denen der Dire Wölfe anzugleichen. Insgesamt führten die Wissenschaftler*innen 20 Veränderungen an je 14 Genen durch. Diese Modifikationen sollen beispielsweise die Statur der neu gezüchteten Tiere an das mutmaßliche Erscheinungsbild der damaligen Dire Wölfe anpassen.

Die vielversprechendsten Zelllinien wurden anschließend geklont und es waren diese Zellen, die in zellkernlose Eizellen eingesetzt wurden und aus denen im Labor Embryos gezüchtet wurden, die schlussendlich in zwei Mischlingshündinnen eingepflanzt wurden. Forschende führten etwa acht dieser Transfers durch, mit je rund 45 Embryos – und das mit Erfolg: kurze Zeit später wurden die Wolfswelpen Romulus und Remus geboren und nur wenige Monate nach deren Geburt kam auch durch die Wiederholung der Prozedur mit weiteren Embryos der dritte Dire Wolf, Khaleesi, zur Welt.

Romulus, Remus und Khaleesi

Die drei Wölfe leben derzeit in einem 2.000 Hektar großen, eingezäunten Reservat in den USA, wo sie Tag und Nacht von Forschenden überwacht werden können.
Dort zeigen sie gewöhnliches Welpen,- bzw. Junghundeverhalten und toben ausgelassen über das Gelände.

Gefüttert werden sie hauptsächlich mit Rind-, Pferde- und Rehfleisch. Auch Leber und andere Innereien gehören auf ihren Speiseplan – lebendige Beute bekommen sie nicht zum Jagen.

FunFact: Nicht nur an der Rückkehr bereits vollständig ausgestorbener Tierarten wird derzeit geforscht, sondern auch die Zukunft bedrohter Tierarten wie die des Nördlichen Breitmaulnashorns soll durch den Einsatz von Gentechnik gesichert werden. Mehr dazu erfährst du hier: Nördliche Breitmaulnashörner retten durch Embryotransfer


Mammuts, Tasmanisch Tiger und mehr – Colossals Zukunftspläne

Colossal hat große Zukunftspläne: Neben dem Dire Wolf möchte das Unternehmen weitere ausgestorbene Tierarten wie den Dodo, das Wollhaarmammut und den Beutelwolf zurückbringen. Das erste Mammut ist für 2028 geplant.

Colossals Motivation liegt nach eigener Aussage in dem Artenschutz und dem Erhalt der Biodiversität. Die Technologie, die Colossal zur Wiederbelebung der Dire Wölfe verwendet hat, soll zukünftig dazu genutzt werden, bedrohte Tierarten von heute vor dem Aussterben zu bewahren. So sollen beispielsweise die Erkenntnisse, die die Rückkehr eines Mammuts bringt, Wissenschaftler*innen dabei helfen, Elefanten besser an die Anforderungen ihrer Umwelt anzupassen und sie robuster zu gestalten. Gleiches soll für die Wiederbelebung des Beutelwolfs in Bezug auf heutige Wolfspopulationen – wie dem vom Aussterben bedrohten Rotwolf – gelten.

Trotz dieser hoffnungsvollen und positiven Einstellung, die das Unternehmen selbst für seine Forschungen und Erfolge aufbringt, gibt es auch von vielen Seiten Kritik zu ihren Vorhaben.


Die Halbwahrheit vom Dire Wolf

Wenngleich sich die jungen Wölfe von Colossal besonders durch ihre Größe, den breiteren Kopf, größere Zähne und Kiefer sowie weiterer äußerlicher Merkmale von den heutigen Grauwölfen unterscheiden, handelt es sich bei Romulus, Remus und Khaleesi dennoch nicht um echte Dire Wölfe. Colossal selbst bestätigt, dass das Genom der Tiere zu 99.9% dem von Grauwölfen entspricht. So gesehen handelt es sich bei den Wölfen trotz ihres veränderten Aussehens immer noch um gentechnisch veränderte Grauwölfe.

Auch die geplanten Mammuts wären wohl kaum echte Mammuts. Realistisch betrachtet würde es sich bei den “Mammuts” um Elefanten handeln, deren DNA der eines Mammuts angepasst sind und die ein paar charakteristische Eigenschaften eines Mammuts aufweisen würden.

Die Gefahren der Gentechnik

Egal ob in der Landwirtschaft, der Zucht von Tieren oder den Möglichkeiten, die die Technologie in der Humanmedizin bieten würde – die Manipulation von Genen ist seit jeher ein umstrittenes Thema, denn die Liste der Risiken ist lang: Invasive Spezien, die heimische Arten verdrängen, das unweigerliche Leid von Tieren, die zu Forschungszwecken missbraucht werden, das unnatürliche Eingreifen in die Natur und Vieles mehr.
Das Klonen von Tieren birgt beispielsweise große Risiken für die geklonten Tiere – dazu zählen Organschäden, frühzeitiges Altern oder ein gestörtes Immunsystem – und auch für die Leihmütter sind Nebeneffekte wie Fehlgeburten, die im schlimmsten Fall zum Tod der Tiere führen, keineswegs ausgeschlossen.
Auch stellen sich Fragen wie ‘Steht es uns zu, die Welt um uns herum so zu manipulieren?’ und ‘Welche Konsequenzen wird das Ganze haben?

Sind wir noch Menschen oder spielen wir schon Gott?

Sind wir Menschen überhaupt dazu berechtigt, auf derartige Weise in die Natur einzugreifen? Die Rückkehr der Dire Wölfe hat die Debatte um den Einsatz von Gentechnik und die Verantwortung, die wir unserem Planeten und seinen Bewohnern gegenüber tragen, weiter entfacht.

Colossal begründet sein Vorgehen, ausgestorbene Tierarten zurückzuholen, damit, dass wir Menschen unseren Planeten und seine Bewohner ausbeuten und ausrotten und es dementsprechend in unserer Verantwortung liegt, dem entgegenzuwirken. Kritiker*innen betonen jedoch, dass der richtige Weg, dem Artensterben ein Ende zu bereiten, nicht in der Wiederkehr ausgestorbener Tierarten oder der genetischen Modifikation heutiger Tierarten liegt, sondern in einem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, dem Stoppen des Klimawandels und dem grundsätzlichen Schutz aller Ökosysteme sowie Tier- und Pflanzenarten.

Es helfe nicht die Schäden, die wir Menschen der Natur zufügen, im Nachgang reparieren zu wollen, sondern es brauche von Anfang an Systeme, die auf Nachhaltigkeit gestützt sind und die Ausbeutung des Planeten von vornherein verhindern.

Auch spricht Colossal zwar davon, den Dire Wolf an seinen rechtmäßigen Platz im Ökosystem zurückzuführen, doch es gilt zu bedenken: Der Dire Wolf hat keinen rechtmäßigen Platz in unserem Ökosystem, denn die Wolfsart ist bereits vor über 10.000 Jahren ausgestorben – ebenso wie auch das Mammut. Und seither hat sich die Erde um einiges gewandelt. Wir würden also eine neue, nicht angepasste Spezies in unsere heutige Welt bringen und ihr einen Platz in einem Ökosystem schaffen, das eigentlich keinen Platz für das Tier bereithält.

Zudem leben die drei Dire Wölfe wie bereits erwähnt in einem eingezäunten Reservat und sind von der Außenwelt und den umliegenden Ökosystemen abgeschottet. Zwar führen die Wölfe dort ein behütetes Leben unter der Aufsicht ihrer Pfleger*innen und Colossals Wissenschaftler*innen, doch ihre Lebensbedingungen sind künstlich generiert und unterscheiden sich an einigen Punkten von der natürlichen Lebensweise wilder Wölfe: Weder können die Wölfe ihr natürliches Jagdverhalten ausleben, da ihnen keine lebendige Beute geboten wird, noch leben sie in einem gewöhnlichem Wolfsrudel – das übrigens häufig bis zu 15 Tiere umfasst. Dazu kommt, dass ihr “Revier” deutlich kleiner ausfällt als das von Wölfen, die in der freien Natur leben – in der Regel haben Wolfsreviere eine Größe von ca. 150 bis 300 Quadratkilometern. Zum Vergleich: das Reservat der Dire Wölfe ist 2.000 Hektar groß, was 20 Quadratkilometern entspricht.

Sollte Colossal weitere Dire Wölfe erschaffen, ist auch bei diesen fraglich, ob sie je in freier Wildbahn leben könnten, da die heutigen Gegebenheiten schließlich nicht den Ökosystemen entsprechen, in denen die Dire Wölfe einst lebten.

Weder können Dire Wölfe also in ihren natürlichen Lebensraum zurückkehren, da dieser den Bedingungen von weit vor 10.000 Jahren entsprach noch können wir ihnen ein Ökosystem bieten, dass die Bedürfnisse längst ausgestorbener Tierarten vollständig befriedigen könnte ohne, dass die Tiere zu einer Gefahr für die bestehende Struktur des Ökosystems werden.

Auch wenn die drei jungen Dire Wölfe eindeutig ein erstaunliches wissenschaftliches Gelingen bezeugen, stellt sich dennoch die Frage, ob es überhaupt verantwortlich ist, die Tiere zurückzubringen und in eine Zeit und Umgebung zu setzen, in der sie nicht zuhause sind – es ist eine Frage, die Viele mit einem klaren “Nein” beantworten würden.


Einzelnachweise & Weblinks


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