Problemlos aus dem Wasserhahn trinken: Wie sicher ist das Leitungswasser in Deutschland?

Oktober 2022
Glasklar ist unser Leitungswasser. Doch verbirgt sich darin mehr als man sieht?
Glasklar ist unser Leitungswasser. Doch verbirgt sich darin mehr als man sieht? - Copyright: CC0 unsplash.com von Milada Vigerova

Der Weg zum Wasserhahn ist meist nicht weit. Bequem, schnell und kostenlos füllt man das Glas und stillt seinen Durst. Doch kann man das Wasser aus der Leitung problemlos trinken? Bei diesem Thema scheiden sich die Meinungen. Viele behaupten, Wasser enthalte viel zu viele Schadstoffe, trotz einer reinigenden Aufarbeitung. Andere meinen, Deutschland sei einer der Spitzenreiter, wenn es um reines, trinkbares Leitungswasser geht. Wir haben die Bedenken der Gesellschaft etwas genauer unter die Lupe genommen.

Bedenken #1: Pflanzenschutzmittel und Dünger verunreinigen unser Grundwasser

Ein Bauer besprüht das Feld mit Pflanzenschutzmitteln (Breitenworbis, Thüringen)

Eines ist klar, viele Menschen haben Bedenken, dass das Grundwasser durch den erhöhten Einsatz von Pflanzenschutz- sowie Düngemitteln in der Landwirtschaft zu sehr belastet wird. Und mit denen wird in der Tat nicht unbedingt gespart, da sie zu einem höheren Ertrag in der Landwirtschaft beitragen.

Es stimmt zwar, dass Pflanzenschutzmittel verschiedene Substanzen enthalten, deren Abbauprodukte, auch bekannt als Metaboliten, toxisch sein können. Daher sind aber auch nur bestimmte Pflanzenschutzmittel in Deutschland erlaubt. Auf der Homepage des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erhält man eine Übersicht aller in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erschließt zudem die sogenannten Trinkwasser-Leitwerte für die in Deutschland zugelassen Pflanzenschutzmittel.

Das Verbot bestimmter Mittel zu Beginn der 2010er Jahre trug Früchte: Laut dem Umweltbundesamt sei nach einer Datenauswertung von “mehr als 14.000 Messstellen für den Zeitraum 2013 bis 2016 [...] die Belastung des Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln und deren relevanten Abbauprodukten deutlich zurückgegangen”. Trotz alledem soll ein weiterer Rückgang des Einsatzes von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln erfolgen, da von diesen eine vergleichsweise hohe Menge nachgewiesen werden konnte.

Um Verbraucher:innen beim Trinken von Leitungswasser keinem Risiko auszusetzen, gilt ein EU-konventioneller Grenzwert von 0,1 µg/l (Mikrogramm pro Liter) Trinkwasser.

Gülle (Dünger) vor einer Scheune

Dünger enthält Nitrat. Nitrat ist eine wasserlösliche Verbindung aus Stickstoff und Sauerstoff. In der Landwirtschaft ist es insofern wichtig, da es Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen versorgt. Durch einen Stickstoffüberschuss in der Gülle, kann jedoch beim Düngern eines Feldes oder Landstreifens Nitrat in das Grundwasser kommen. Insbesondere im Winter gelangt überschüssiges Nitrat, welches von der Pflanze nicht aufgenommen werden kann, mittels Niederschlag in den Boden und somit in das Grundwasser.

Der Anteil an Nitrat auf der Erde hat seit dem 20. Jahrhundert stark zugenommen, da es sich als landwirtschaftlich lukrativ herausstellte, Mineraldünger mit Nitrat zu verwenden.

Nitrat ist insofern giftig für uns, da sich im menschlichen Darm dadurch sogenannte Nitrosamine bilden, welche krebserregend sein können.

Noch schaffen Wasserwerke durch Säuberung, Nitrat im Trinkwasser unter dem Grenzwert zu halten und die TrinkwV wird dies auch weiter fordern. Das Problem dabei ist allerdings, dass eine weiter ansteigende Nitratkonzentration im Grundwasser auch eine aufwendigere Aufbereitung des Wasser erfordert. Dafür werden Techniken wie Elektrodialyse oder Umkehrosmose herangezogen. Bei steigender Intensität der Reinigungsverfahren kann es Schätzungen nach jährlich bis zu 767 Millionen Euro zusätzlich kosten, unser Leitungswasser angemessen zu reinigen. Dies stellt eine enorme finanzielle Belastung für den Staat dar. Weitere Folgen sind, dass Brunnen immer tiefer gebaut werden müssen, um an Wasser zu gelangen, das weniger Nitrat enthält.

Die Belastung des Grundwassers durch Nitrat lässt sich zudem kaum rückgängig machen, d.h. man muss so früh wie möglich präventive Maßnahmen ergreifen, um den steigenden Nitrateingang in das Grundwasser einzudämmen. Viele Landwirte werden in Zukunft ihre Düngerpraxis ändern müssen. Doch ob dies wirklich umsetzbar ist, ist fraglich.

Bedenken #2: Eine “Wasser-Apotheke”?

Nehmen wir durch das Leitungswasser gleichzeitig Medikamente zu uns?

Ein weiterer Punkt der oft scharf kritisiert wird, sind Spuren von Medikamenten oder Hormonen in unserem Leitungswasser.
Tatsächlich wurden bereits Rückstände von Medikamenten im Leitungswasser nachgewiesen. Doch dies ist nicht mehr als Folge unseres eigenen Arzneimittelkonsums.

Bei den ermittelten Medikament-Anteilen handelt sich beispielsweise um Antibiotika oder sogar Hormone wie die der Anti-Baby-Pille. Durch unseren Gang auf die Toilette gelangen Reste davon in das Abwasser. Dies wird nach der Klärung im Werk zwar nicht mehr als Trinkwasser verwendet, aber doch nahegelegenen Flüssen oder Seen zugeführt und schließt sich dadurch wieder dem Wasserkreislauf unserer Aufbereitung an.

Somit können Spuren von Arzneimitteln auch in unser Trinkwasser kommen, jedoch seien diese laut der Toxikologin Dr. Tamara Grummt vom UBA (Umweltbundesamt) „erstens sehr begrenzt und zweitens in sehr niedrigen Konzentrationen, weit unterhalb einer schädigenden Wirkung“. Zudem wird der sogenannte „gesundheitliche Orientierungswert“ (GOW) der Konzentration von Arzneimittelrückständen im Wasser sehr niedrig gehalten, um gesundheitsschädigende Folgen bei der langfristigen Einnahme so gut wie ausschließen zu können.

Bedenken #3: Plastikrückstände im Wasser

Mikroplastik kann durch die Zersetzung größerer Plastikteile entstehen, die sich in unseren Gewässern befinden.

Einige Untersuchungen decken weitere beunruhigende Umstände auf und bestätigten tatsächlich das Vorkommen von Mikroplastik in Oberflächengewässern. Diese seien jedoch zu gering, sodass gravierende gesundheitliche Schäden entstehen können. Grundsätzlich muss man bedenken, dass die Aufbereitung von Trinkwasser auch zum Teil daraus besteht, eben Plastikrückstände aus dem Wasser zu entfernen.

Auch das Verbundprojekt MiWA (Mikroplastik im Wasserkreislauf) gab kund, dass „Mikroplastik im Trinkwasser nicht annähernd in besorgniserregenden Konzentrationen nachgewiesen wird”, so UBA Expertin Dr. Tamara Grummt.

So sollte aber auch die Gesellschaft ihre Schuld zur Verschmutzung von Gewässern mit Plastik bekennen und Gegenmaßnahmen ergreifen, z.B. den Müll gerecht zu entsorgen. So kann weniger Mikroplastik in Gewässern abgetragen werden und nicht in unser Trinkwasser gelangen.

Schon gewusst? Mikroplastik steck auch in vielen Kosmetika! Hier erfahrt ihr mehr.

Bedenken #4: Bleirohre verschmutzen das Trinkwasser

Schon die Römer benutzten zu ihrer Zeit Bleirohre!

Ein Kritikpunkt der oft genannt wird, ist der Einfluss des Materials der Wasserrohre auf die Wasserqualität selbst.

Es stimmt zwar, dass sich der Zustand des Wassers in den Rohren verändern kann, dafür wird aber nicht nur im Wasserwerk die Qualität des Wassers überprüft, sondern auch im ganzen Versorgungsnetz, wie in Wasserspeichern, Hochbehältern, Zweigstellen etc.. Somit kann erkannt werden, wo beispielsweise Überschreitungen von Mindestkonzentrationen auftauchen und welche Leitungsstellen erneuert werden müssen.

Sind im Gebäude alte Leitungen vorhanden, wie etwa Bleirohre, können sich Rückstände im Leitungswasser bilden: Stiftung Warentest stellte dabei vor allem ein erhöhtes Risiko in Haushalten der ostdeutschen Region fest. Um den Anteil an Blei in seinem Leitungswasser feststellen zu können, muss eine Trinkwasseranalyse herangezogen werden. Der Grenzwert von Blei im Wasser liegt laut der TrinkwV bei 10 µg/l. Im Vergleich: In den USA sind es tatsächlich noch 20 Millionen Menschen, die Wasser aus Bleileitungen beziehen.

Zu viel Blei ist schädlich für den menschlichen Organismus, vor allem für Schwangere und Kinder kann dies gefährlich sein. Daher werden mittlerweile vorwiegend Rohre aus Kupfer installiert, doch auch hier muss Vorsicht geboten sein, denn zu viel Kupfer kann sich in der Leber ansetzen und diese schädigen. Daher bietet es sich an, das angestaute Stagnationswasser bei Betätigen des Wasserhahns erst eine Weile abfließen zu lassen. Damit meint man das Wasser, das sich schon eine gewisse Zeit in den Rohren befand und daher ein erhöhtes Risiko birgt, Kupfer mitzutragen. Am wenigsten gefährlich sind Kupferleitungen mit verzinnten Innenwänden.

Bedenken #5: Arsen und Fluorid, toxisch?

metallisch glänzendes graues Arsen

Auch Arsen und Fluorid sind Stoffe, die schon oftmals in Kritik standen. Sie sind Spurenelemente, die eine hohe Toxizität für den Menschen besitzen können. Sie werden durch das Wasser aus Gesteinsschichten oder Sedimenten abgetragen und geraten so in unseren Trinkwasserkreislauf. Langfristig kann Arsen schwere gesundheitliche Schäden anrichten, wie beispielsweise Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Wachstumsstörungen oder Hautirritationen. Bekannte Gebiete für ein Arsenvorkommen sind zum Beispiel Thüringen, Schleswig-Holstein, Franken oder Teile der Rheinland-Pfalz. Dort achten Wasserversorger besonders darauf, die Rückstände zu entfernen.

Wie immer, ist die Konzentrationshöhe für eine Beurteilung entscheidend. Die Trinkwasserverordnung sieht daher einen Grenzwert von 0,01 mg/l Arsen vor. Dennoch empfiehlt es sich beispielsweise, kein Leitungswasser für die Zubereitung von Babynahrung zu benutzen, da es zu sehr belastet sein kann.

Tatsächlich hilft Fluorid, Karies vorzubeugen und die Knochen zu stärken. Zu hoch dosiert, entsteht jedoch eine Neigung zu verhärteten bis hin zu spröden Knochen.

In Deutschland ist der Fluoridgehalt sehr niedrig und nicht gesundheitsschädigend. Die deutsche Trinkwasserverordnung gibt einen Grenzwert von 1,5 mg/l vor. Beim zuständigen Gesundheitsamt, kann man sich über die regionalen Fluoridgehalte im Trinkwasser informieren.

Bedenken #6: Infektion mit Legionellen

Legionellen unter einem Mikroskop

Laut der Trinkwasserverordnung muss ein Vermieter das im Gebäude genutzte Wasser alle 3 Jahre einer Legionellenüberpfüfung unterziehen lassen. Insbesondere, wenn eine zentrale Erwärmungsanlage sowie ein Wasserspeicher mit über 400 Litern installiert sind. Legionellen sind im Wasser lebende Stäbchenbakterien, die warme Temperaturen im Rahmen von 25 bis 50 Grad Celsius bevorzugen. Im menschlichen Organismus können sie zu grippeähnlichen Symptomen oder gar Lungenentzündungen führen.

Trinken trotz Schadstoffen?

Sollten wir auf Leitungswasser gänzlich verzichten?

Ja, unser Trinkwasser beinhaltet Stoffe, bei denen wir uns wohler fühlen würden, wenn sie dort nicht vorhanden wären. Dennoch seien laut Dr. Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die „Anforderungen an die Wasserqualität unseres Trinkwassers stetig gestiegen“. Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) sei die Verordnung mit den weltweit höchsten Ansprüchen an die Qualität unseres Trinkwassers. Stoffe, die in hohen Mengen gesundheitsschädigend sein können, sind wenn dann nur in geringen und unbedenklichen Mengen im Trinkwasser enthalten. Deutschlandweite und regelmäßige Kontrollen sollen die Qualität des Wassers stetig hoch halten. Und werden beispielsweise bestimmte Normen und Grenzwerte von Wasserwerken nicht eingehalten, folgen strafrechtliche Konsequenzen.

Im Laufe der Jahre haben sich also die Vorschriften für die Wasseraufbereitung stetig verschärft, um sich gleichzeitig an Qualitätsrisiken anpassen zu können. Das müssen sie auch, damit wir unbedenklich Wasser aus der Leitung trinken können. Das Problem ist die ausstehende Frage, wie groß der Aufwand in der Zukunft steigen muss, um das Wasser trotz der Schadstoffeinflüsse trinkbar zu halten.

Deutschland als Internationaler Spitzenreiter in Sachen Wasserqualität

Deutschland liegt mit seinen Wasserwerten im Vergleich zu anderen EU-Staaten sowie auch auf globaler Ebene ganz vorne. Die EG-Trinkwasserrichtlinie verpflichtet europäische Mitgliedsstaaten in einem Turnus von 3 Jahren die EU-Komission über die Qualität ihres Trinkwassers zu informieren. Laut einem Bericht der EU-Komission (2016) kann generell festgehalten werden, dass sich das Trinkwasser der EU-Staaten durch eine gute Qualität auszeichnet. Fast alle Länder erfüllen den Standard und die Grenzwerte, mit Außnahme von Ungarn, Malta und Zypern.

Grundwasserschutzgebiete

Schweiz - Kanton Appenzell Innerrhoden - Appenzell: Schild "Grundwasserschutzgebeit"

Um Grundwasser präventiv zu schützen, werden in Deutschland auch Wasserschutzgebiete eingerichtet. Diese werden meist in drei Zonen gegliedert, in denen jeweils unterschiedlich strenge Vorgaben und Sicherheitsvorkehrungen darüber herrschen, was man in diesem Gebiet tun darf und was nicht. Beispielsweise handelt es sich dabei um die Eingrenzung landwirtschaftlicher Tätigkeiten oder Bauarbeiten. Schutzzone 1 beinhaltet Brunnen oder Talsperren; in diesen Gebieten ist der unbefugte Zugang verboten. Dies soll verhindern, dass Schadstoffe in die Nähe von Grundwasserschöpfstellen gelangen, da sie nämlich mit dem Wasser in den Grund versickern können.

Good to know: Ökologischer Fußabdruck von Leitungswasser

Leitungswasser trinken spart Plastik!

Tatsächlich ist es sogar umweltschonender, Leitungswasser zu trinken statt abgepacktes Wasser im Supermarkt, das oft lange Transportwege hinter sich hat und Unmengen an Plastikmüll generiert. Auch die Bezeichnung „Mineralwasser“ in Läden ist oft irreführend, da diese laut Stiftung Warentest meist nicht wirklich mehr Mineralien enthalten als herkömmliches Leitungswasser. Auch Tafelwasser besitzt prinzipiell keine höhere Qualität als Leitungswasser.

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