Der Permafrost im Klimawandel

Januar 2023
Fotograf:in: Ryan Klaus, Copyright: Unsplash

Was ist Permafrost?

“Permafrost” beschreibt per Definition einen Untergrund, dessen Temperatur zwei Jahre in Folge unter Null Grad Celsius liegt.

Man unterteilt den Dauerfrostboden dabei in zwei Schichten: die untere, dauerhaft gefrorene und die obere, aktive Schicht, die in der Sommerzeit taut. Die obere Schicht führt, je nach Lage, einige Zentimeter in die Tiefe, manchmal sogar bis zu 20 Meter. Die untere Schicht reicht in eine Tiefe bis zu 1500 Metern.

Fast ein Viertel der gesamten Landfläche ist Permafrost, der größte Anteil davon liegt in den polaren Zonen, in Ländern wie Russland und Kanada. In Europa kommt Permafrost nur in Hochgebirgen vor - z.B. auf der Zugspitze.

Aufgrund des Klimawandels taut der Permafrost und das rund um den Globus - das hat verheerende Folgen.

Weshalb das nun für uns gefährlich werden könnte? Der Permafrost stellt ein gigantisches Reservoir uralter Krankheitserreger dar, von denen einige Millionen Jahre im Untergrund überdauerten - wer weiß, welche vergessenen Organismen dort noch schlummern.

Das Mysterium der schlummernden Erreger

Was sich wie ein Filmtitel anhört, wurde schon vor Jahren Realität:

Die Rentier Epidemien in Nordsibirien der letzten Jahre könnten ein Vorbote kommenden Unheils sein. Auslöser waren Sporen des Bacillus anthracis, des Milzbrand Bakteriums, die all die Zeit in Kadavern erkrankter Tiere tief im Permafrost lauerten. Es wird vermutet, dass die Sporen aufgrund von Hitzewellen aufgetaut sind, freigesetzt wurden und sich auf den Weidegründen der Rentierpopulationen verbreiten. 2016 ist der “Milzbrand” in Nordsibirien schließlich auch unter Menschen ausgebrochen, vermutlich hatten sie sich an Fleisch erkrankter Tiere infiziert. Ein zwölfjähriger Junge starb an den Symptomen, 70 weitere Infizierte mussten in Kliniken behandelt werden.

Die unkontrollierte Aktivierung und Ausbreitung bakterieller Erreger birgt große Gefahren für den Menschen, besonders dann, wenn diese aus tiefer gelegenen Permafrost-Schichten stammen, z.B. aus solchen, die sich in der letzten Eiszeit bildeten - denn in diesem Fall sind die Erreger voraussichtlich noch nicht erforscht und eine Epidemie könnte uns unvorbereitet treffen.

Es wird angenommen, dass eine Epidemie mithilfe von Antibiotika im Nu eingedämmt werden könnte, wenngleich Antibiotika-Resistenzen erschreckend weit verbreitet sind unter den im Permafrost isolierten Krankheitserregern. Bei reaktivierten Viren sieht die Situation ganz anders aus. Wie die Corona-Pandemie demonstrierte, muss für jedes neue Virus erst ein eigener Impfstoff oder eine spezielle Behandlung entwickelt werden - selbst dann, wenn es einer bereits bekannten Gattung angehört.

Wissenschaftler:innen entnahmen zuletzt tief im Permafrost konservierten Tierkadavern bislang unbekannte Viren, die, zusammen mit ihren Wirten, seit vorgeschichtlichen Zeiten im Eis eingeschlossen waren - so berichteten sie in einer Studie vom 10.11.2022. Einige Viren stammen aus den Überresten eines Mammuts und aus denen eines sibirischen Wolfes, wobei der Todeszeitpunkt beider Tiere mehr als 27.000 Jahre zurückliegt. Wie am Anfang eines jeden Zombieapokalypsen Films erweckten die Forscher:innen diese Viren im Labor wieder zum Leben. Wie sich herausstellte, sind sie selbst nach Jahrtausenden potentiell infektiös. Es kommt nicht überraschend, dass einst eingefrorene Viren sich nach dem Auftauen wieder vermehren können - in der heutigen Forschung ist es eine weit verbreitete Methode, Viren im Labor bei Minus 80 Grad Celsius zu verwahren. Wie lange die Viren überleben, wenn sie erst einmal den heutigen Umweltbedingungen ausgesetzt sind, ist eine ganz andere Sache.

Dadurch, dass die Population in den Permafrostgebieten zunimmt und die Regionen für den Gewinn von Rohstoffen ausgebeutet werden - während das Eis rapide taut - steigt das Risiko, dass auch Menschen sich mit reaktivierten Krankheitserregern infizieren. Welche Gefahr die Viren und Bakterien konkret darstellen, bleibt vorerst ein Rätsel.

Ein sich selbst verstärkender Prozess

Organische Materie wird in den kalten Zonen im Dauerfrostboden konserviert und wird somit, anders als in tropischen oder gemäßigten Zonen, nicht zersetzt - zumindest solange der Permafrost gefroren bleibt. Die Bakterien, die den Zerfall verursachen, werden erst aktiv, wenn das ewige Eis taut. Während des Zerfallsprozesses gelangt klimaschädlicher Kohlenstoff, der bislang durch die Kälte gebunden war, in Form von CO2 oder Methan in die Atmosphäre. Im Eis sind immense Mengen an Kohlenstoff gespeichert - momentan befindet sich doppelt so viel Kohlenstoff allein im Permafrost Sibiriens wie in der gesamten Atmosphäre. So verschärft der Zerfallsprozess die Klimakrise weiter - was wiederum die Ursache für das Tauen des Permafrosts ist. Aus diesem Grund gehen Wissenschaftler davon aus, dass bis zum Jahr 2030 60 bis 80 Milliarden Tonnen Kohlenstoff freigesetzt werden - so Lothar Schrott, Professor für Physische Geographie an der Universität Bonn. Ein solcher Prozess ist praktisch unaufhaltsam.

Wegen des schwindenden Permafrosts mutiert das Matterhorn zur Todesfalle

Das Matterhorn ist einer der höchsten Berge der Alpen, einer der bekanntesten der Welt und ein Wahrzeichen der Schweiz.

Am 24. Juli 2019 forderte das Matterhorn abermals Opfer: ein Schweizer Bergführer und ein chilenischer Tourist erklommen den Berg, als sie ein Felssturz in den Abgrund riss.

Das war nicht die erste Tragödie dieses Sommers - einige Wochen zuvor verunglückte ein britischer Bergsteiger auf dieselbe Art und Weise. Schuld trägt hier die Veränderung des Untergrunds durch die globale Erwärmung. Hochgebirge wie die Alpen werden durch den Permafrost stabilisiert, er hält die Felsmassen zusammen.

Die durchschnittliche Jahrestemperatur im Alpenraum liegt weit über dem globalen Mittel, denn er erwärmt sich fast doppelt so schnell. Aus diesem Grund schwindet der Permafrost und Touren auf dem Matterhorn werden schwerer kalkulierbar und riskanter. Am Piz Cengalo, Italien, lösten sich am 23. August 2017 drei Millionen Kubikmeter Gestein und stürzten mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h herab, was acht Menschenleben forderte. Weitere Felsstürze dieser Art sind auch in Zukunft zu erwarten.

Der Klimawandel fordert erste Opfer

Auch in Jakutsk, Russland, zeigen sich bereits die ersten Auswirkungen des Klimawandels: Die Großstadt steht auf Stelzen, weil sie auf Permafrost gebaut wurde - Gebäude, die auf dem Erdboden aufliegen, würden im Sommer, wenn die aktive Schicht des Permafrosts taut, sonst im Schlamm versinken. Damals, als die Stadt gegründet wurde, stabilisierte der Permafrost die Stelzen. Inzwischen wird der Boden zunehmend instabiler, die Stelzen sinken immer weiter hinab und Häuser stürzen ein. Das gefährdet die gesamte Infrastruktur - Eisenbahnschienen, Flughäfen, Straßen und Pipelines versinken langsam und so wird die Bevölkerung früher oder später gezwungen sein, die Region zu verlassen.

Aufhalten lässt sich das Schwinden des Permafrosts nicht mehr, besonders nicht, solange die Erderwärmung so rasch voranschreitet, wie es im Moment der Fall ist. Es liegt also an uns, den Prozess weiter hinauszuzögern und so die Schäden auf ein Minimum zu begrenzen.

https://www.planet-wissen.de/kultur/asien/sibirien/sibirien-permafrost-100.html, abgerufen am 23.01.2023

https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/zombieviren-permafrost-101.html, abgerufen am 23.01.2023

https://www.focus.de/wissen/im-permafrostboden-eingefroren-forscher-wecken-tausende-jahre-altes-zombie-virus-aus-seinem-kryoschlaf_id_180411288.html, abgerufen am 23.01.2023

https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2022.11.10.515937v1.full, abgerufen am 23.01.2023

https://www.focus.de/wissen/natur/forscher-arbeiten-an-fruehwarnsystemen-in-den-alpen-zerbroeseln-die-berge-und-das-hat-dramatische-folgen_id_11215691.html#:~:text=Im%20Gebirge%20ist%20Permafrost%20der,die%20Strukturen%20als%20dauerhaft%20gefroren., abgerufen am 25.01.2023

https://www.spektrum.de/magazin/frueher-geissel-heute-biowaffe/828378, abgerufen am 25.01.2023

https://www.focus.de/gesundheit/news/nach-700-jahren-noch-intakt-und-infektioes-es-taut-rapide-forscher-warnen-vor-zombieviren-aus-dem-ewigen-eis_id_11887718.html, abgerufen am 25.01.2023

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/357/dokumente/klimagefahr_durch_tauenden_permafrost.pdf , abgerufen am 26.01.2023

https://www.studysmarter.de/schule/geographie/nachhaltigkeit/permafrost/, abgerufen am 26.01.2023

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9023103/, abgerufen am 27.01.2023

https://www.nzz.ch/panorama/respekt-vor-dem-berg-koennte-viele-todesfaelle-verhindern-ld.1500429, abgerufen am 27.01.2023

https://www.alpin.de/home/news/33335/artikel_toedlicher_unfall_am_matterhorn.html, abgerufen am 27.01.2023

https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/naturgefahren/fachinformationen/naturgefahrensituation-und-raumnutzung/klimawandel.html, abgerufen am 27.01.2023

https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase#:~:text=mehrere%20hunderttausend%20Jahre.-,Methan,mal%20so%20wirksam%20wie%20Kohlendioxid, abgerufen am 27.01.2023

https://www.derbund.ch/in-boden-lauert-die-gefahr-von-ueber-einer-billion-tonnen-klimakiller-gase-215686119509, abgerufen am 27.01.2023

https://www.faz.net/aktuell/wissen/jakutsk-permafrost-1304004.html, abgerufen am 27.01.2023

https://www.welt.de/wissenschaft/article236092758/Gifte-Mikroben-Klimagase-Die-Gefahr-durch-tauenden-Permafrost.html, abgerufen am 27.01.2023

https://www.nzz.ch/schweiz/bondo-fuenf-jahre-nach-dem-bergsturz-ld.1699242?reduced=true, abgerufen am 28.01.2023

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