Das “Willow Project” - eine wahre Kohlenstoffbombe

April 2023
Fotograf:in: Zbynek Burival, Copyright: CC0 Unsplash

Am 13. März 2023 wurde das “Willow Project” durch die US-Regierung genehmigt. Somit wurde dem Ölkonzern ConocoPhillips die Befugnis für ein neues, riesiges Erdölfeld in Form von drei neuen Bohrplattformen im Norden Alaskas (sog. North Slope) erteilt.

ConocoPhillips zufolge könnten durch das Projekt pro Tag in etwa 160.000 Barrel Öl über einen Zeitraum von 30 Jahren gefördert werden – das wären dann circa 600 Millionen Barrel Öl im gesamten Zeitraum.

Zur Veranschaulichung: 2021 wurden in den USA täglich 18,7 Millionen Barrel Öl verbraucht; das Projekt werde also wohl nur etwa 1% des Verbrauchs decken können; das gesamte geförderte Öl entspräche lediglich dem Verbrauch eines einzigen Monats.

Die Konsequenzen

Positiv bewertet werden kann das Willow Project nur aus rein ökonomischer Sicht:
Alaska wird von den zu zahlenden Steuern der Ölkonzerne in großem Stil Profit erzielen und ohne die Einnahmen aus der Ölindustrie würde der ganze Bundesstaat stillstehen: Ein Drittel der Beschäftigten Alaskas sind nämlich direkt oder indirekt von der Ölindustrie abhängig.

Weiterhin wird die Finanzierung der Staatsausgaben erst durch die Gewinne, die die Ölkonzerne erzielen, möglich. Alaska erhofft sich nämlich, durch das Projekt bis zu neun Milliarden Dollar an Steuern einzunehmen.

Teilweise kommt das Geld sogar direkt bei den Einwohnern an: ein Teil des Profits wird in Form von Direktzahlungen an die Bevölkerung ausgeschüttet. Im Jahr 2022 waren das über 3.000 $ pro Kopf. Äußerst wichtig, bedenkt man das schwierige ökonomische Umfeld der Arktis!

Erdöl ist nicht gleich Erdöl: weltweit gibt es in etwa 170 verschiedene Sorten!

Prognosen zufolge kann der Bau der neuen Plattformen etwa 2.500 (temporäre) Arbeitsplätze schaffen. Der Betrieb des Willow Projects wird rund 300 dauerhafte Beschäftigte benötigen.

Auch die indigene Bevölkerung Alaskas sprach sich für die Ölförderung aus. Mary Peltola, eine Ureinwohnerin und demokratische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus, betont, dass die Einwohner Alaskas ohne die Ölförderung vor dem Nichts stünden. Eine sozial gerechte Umstellung zu einer Welt ohne fossile Brennstoffe sei laut Peltola ohne das Projekt nicht möglich.

Weiterhin argumentieren Befürworter:innen des Projekts, dass es umweltfreundlicher sei, fossile Brennstoffe aus Alaska zu beziehen, als aus anderen Ländern wie Venezuela oder Saudi Arabien, um Transportwege zu minimieren – fraglich wenn man die mögliche Fördermenge mit dem Verbrauch der US vergleicht … (s.o.)

Bei all diesem Wirtschaftspotential ist es also kein Wunder, dass sich die Regierung des Bundesstaates und auch dessen Bevölkerung (weitestgehend) für das Projekt ausgesprochen hatten.

Die Kehrseite der Medaille

Gegner des Projekts heben die Wichtigkeit der Unterstützung von Alaskas Bevölkerung hervor. Für sie liegt der Fokus auf der Unabhängigkeit von der Ölindustrie und der Schaffung gänzlich neuer Wirtschaftsstrukturen.
Teile der Bevölkerung werden die negativen Folgen unmittelbar und mit voller Härte spüren: sie leben von der Jagd auf Karibu-Herden, diese Rentiere werden jedoch durch die Bohraktivitäten und dem damit verbundenen Bau riesiger Infrastrukturen (z.B. Straßen und Flughäfen) aus der Gegend vertrieben. Selbst die Existenzgrundlage derjenigen, die auf den Fischfang angewiesen sind, wird vorsätzlich aufs Spiel gesetzt.

Weitere Tierarten wie Eisbären, die bereits als gefährdet eingestuft sind, Gelbschnabeleistaucher, Moschusochsen und Hunderttausende von Zugvögeln bewohnen ebenfalls die Gebiete Alaskas, die für das Willow Project genutzt werden sollen.

Eine wahre Kohlenstoffbombe

Die in den USA meist-geförderte Erdölsorte läuft unter dem Namen "West Texas Intermediate"

Am allerhärtesten wird das Willow Projekt zweifellos die Umwelt treffen. Erfahrungen von anderen Ölprojekten zeigen, dass riesige Pipelines – wie sie auch für dieses Projekt geplant sind – viel Wärme erzeugen, was stark zum Schmelzen der Permafrostböden beiträgt.
Es wird erwartet, dass über die geplanten 30 Jahre Laufzeit etwa 260 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen, also circa 9 Millionen Tonnen pro Jahr - im Jahr 2022 verursacht ganz Deutschland rund 657 Millionen Tonnen Emissionen
Vergleichsweise könnte man auch jedes Jahr 2 Millionen benzinbetriebene Autos extra in den Verkehr einführen.

Exkurs: Permafrostböden und ihre Funktion als CO2-Senke

Problematisch ist das beschleunigte Auftauen der Permafrostböden vor allem hinsichtlich ihrer Funktion als CO2-Senke. In den Böden sind Unmengen an gefrorenen und so stabilisierten organischen Substanzen gespeichert. Durch das Abtauen können diese Substanzen schneller durch Mikroben zersetzt und abgebaut werden – enorme Mengen an Methan und CO2 können in die Atmosphäre gelangen, was den positiven Rückkopplungseffekt weiter beschleunigt: die Permafrostböden schmelzen noch schneller.
Hier könnt ihr mehr über Permafrostböden und ihre Rolle im Klimawandel erfahren!

Nicht zu vernachlässigen ist die Gefahr einer möglichen Öl-Katastrophe, wie sie in der Vergangenheit schon oft genug aufgetreten ist (beispielsweise 2010: Deepwater Horizon). Durch die niedrigen Temperaturen dauert der Abbau von Öl wesentlich länger als bei vergleichsweise höheren Temperaturen. Das bedeutet auch, dass ein Ölunfall in Alaska wesentlich schlimmere Konsequenzen hätte als anderswo.

Der politische Aspekt

Aufgrund des enormen Aufruhrs in der Bevölkerung weltweit besteht womöglich noch Hoffnung auf eine Einstellung des Großprojekts.

Nicht nur der Umwelt geht es mit der Genehmigung des umstrittenen Projekts an den Kragen, auch Joe Biden wurde angeklagt, da er mit dieser Genehmigung ein Wahlversprechen von 2020 gebrochen hat. In diesem gebot er, neue Öl- und Gasbohrungen in öffentlichen Gebieten und Gewässern zu unterlassen. 2021 brach er es bereits, als unter seiner Führung mehrere neue Ölbohrungen genehmigt wurden.

Auch seine Versprechen bezüglich der Minderung der Treibhausgasemissionen werden durch die Genehmigung des Projekts gebrochen: bis 2030 wollte man die Emissionen um 50% reduzieren, bis 2050 sollte die Klimaneutralität erreicht werden.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Greenpeace USA, NRDC (= the Natural Resources Defense Council) und andere Umweltschutzorganisationen haben ihre Klage bereits am 15.03. eingereicht, mit dem Ziel, das fossile Großprojekt doch noch zu stoppen. Sie bezeichnen es als „historische Klimasünde“, und einen klaren, enttäuschenden Schritt rückwärts, der tatkräftig zur Zerstörung des Planeten beitragen wird. Weiterhin kritisieren sie die unzureichende Analyse und den mangelnden Einbezug der möglichen Auswirkungen auf das Klima bei der Entscheidung, grünes Licht für das Projekt zu geben.

Dass das Willow Projekt bereits 2020 von der Regierung Trumps genehmigt und im Anschluss im Jahr 2021 von Naturschützern und Gruppierungen von Ureinwohnern Alaskas angefochten wurde, zeigt deutlich, dass auch die derzeitige Klage nicht von ungefähr kommt und dass noch Hoffnung besteht, die Umsetzung des Projekts auch dieses Mal zu unterbinden.

2021 verwarf das zuständige Gericht das Willow Project infolge der Klage nämlich als rechtswidrig, mit der Forderung, die gesamten zu erwartenden Klimaauswirkungen des Projekts vorgelegt zu bekommen, sowie mögliche Alternativen, die das Risiko für die Umwelt verringern würden.

Genau diese Forderung wurde beim erneuten Antrag auf Genehmigung des Projekts durch die Regierung Bidens gekonnt ignoriert, indem erneut eine unzureichende Umweltanalyse vorgelegt wurde, die die Auswirkungen des Projekts auf die Klimakrise herunterspielt – und dennoch abermals eine Genehmigung erhielt.

Das vollständige Dokument der aktuell laufenden Klage kann hier eingesehen werden.

Auch unterschiedliche Online-Petitionen haben bereits etliche Unterschriften gegen die Umsetzung des Willow Project gesammelt. Die größte auf Change.org sogar schon über 5 Millionen, womit sie bereits eine der meist gezeichneten Petitionen der Website ist! Interessiert? - Unterschreiben könnt ihr hier!

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