COP28: Ein Konflikt der Interessen?

Juni 2023
FDRMRZUSA (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Logo_of_the_United_Nations.svg), „Logo of the United Nations“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode
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Bei dem diesjährigen Petersberger Klimadialog waren alle Augen auf eine Person gerichtet: Sultan Ahmed al-Dschaber. Der Präsident der diesjährigen UN-Klimakonferenz ist gleichzeitig Geschäftsführer und Chef des staatseigenen Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Da ein Interessenkonflikt hier vorprogrammiert ist, wurde seiner Rede mit großer Spannung entgegengesehen.

Spoiler-Alert: Er konnte die Befürchtungen lediglich begründen.

Die Vorgeschichte

Wie kam es überhaupt dazu, dass der erste Firmenchef eines Ölkonzerns zum Präsidenten der UN-Klimakonferenz ernannt wurde?

Der Klimagipfel wird jedes Jahr in einem anderen Land abgehalten. Dieses Jahr wurden die Vereinigten Arabischen Emirate gewählt. Abwechselnd können sich die Staaten aus jeweils einer der fünf Regionalgruppen (Afrika, Asien, Lateinamerika, Karibik und die Gruppe der europäischen und übrigen westlichen Nationen) als Veranstaltungsort bewerben.

Die Länder der jeweiligen Regionalgruppe, in diesem Fall alle Nationen des Asien-Pazifik-Raumes, stimmen für eines unter ihnen ab. Diesmal plädierten gegen Ende alle Staaten einstimmig für die Vereinigten Arabischen Emirate, die dann den Präsidenten der Klimakonferenz selbst wählen konnten.

So kam es, dass Sultan Ahmed al-Dschaber, Chef des äußerst erfolgreichen Ölkonzerns ADNOC, Präsident der COP28 wurde.

Absurderweise sind gerade die Vereinigten Arabischen Emirate einer der weltweit größten Erdölproduzenten und ein Land, in dem die Ölindustrie auch heute noch rigoros ausgebaut wird.

Auch ADNOC erweiterte seine Erdölgewinnung noch in der zweiten Jahreshälfte von 2022 und setzte acht zusätzliche Bohrinseln in Betrieb – dabei ignorierte der Ölkonzern den Appell der International Energy Agency (IEA) von 2021 an die Ölindustrie: Man darf keine weiteren Ölfelder erschließen, wenn Treibhausgasneutralität bis 2050 erreicht werden soll.

Sultan al-Dschabers Auftritt lässt viele Fragen offen

Die Vereinigten Arabischen Emirate verzeichneten einen Anstieg der Emissionen um ganze 295% zwischen 1990 und 2021 – ebenso wie in China (+362%) und Indien (+369%) stiegen die Werte konstant. Diese Tatsache lässt sich dadurch begründen, dass viele Nationen im Jahr 1990 in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung weit zurück lagen und die Länder des globalen Nordens jetzt langsam einholen.

Theoretisch soll die Welt im Jahr 2050 klimaneutral sein, doch selbst westliche Länder haben noch einen weiten Weg vor sich. Die USA beispielsweise konnten ihre Emissionen seit 1990 nur um 2% verringern (Stand 2021) und sie stehen immer noch an zweiter Stelle auf der Liste der größten CO2-Emittenten. Die Agenda der diesjährigen UN-Klimakonferenz ist folglich extrem umfangreich.

Während sich die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf der diesjährigen COP28 auf ein Datum für den weltweiten Ausstieg aus fossilen Energien einigen möchte, sehen die Absichten des COP28-Präsidenten ganz anders aus. Sultan Ahmed al-Dschaber meint: “Die Energiequellen von heute werden für die voraussehbare Zukunft weiterhin Teil des Energiemixes bleiben.” (Übersetzung aus dem Englischen). Seiner Ansicht nach sollte der Fokus infolgedessen mehr auf CCS-Technologien gerichtet werden, um die Industrie zu dekarbonisieren, ohne das Energiesystem grundlegend verändern zu müssen. Das Ziel soll, seiner Meinung nach, nicht die Substitution der fossilen Brennstoffe, sondern die Reduktion der fossilen Emissionen durch die Speicherung des entstehenden CO2 sein. Erneuerbare Energien stellen in diesem Szenario nur eine Erweiterung dar.

Die CCS-Technologie umfasst im Wesentlichen folgendes: CO2 wird isoliert und verflüssigt, um anschließend in seiner neuen Form unter die Erde gepumpt zu werden. Solange es dort verweilt, bereitet das Treibhausgas keine weiteren Probleme mehr und in der Theorie ist es DIE Möglichkeit, die Klimakrise zu entschärfen – wenn man außer Acht lässt, dass Energie- und Kostenaufwand immens sind.

Die Sorge um die Vorhaben Sultan al-Dschabers ist jedoch groß, denn wie Greenpeace meint, birgt die Speicherung von CO2 eben auch das Risiko von Leckagen oder der Freisetzung des Gases durch See- und Erdbeben. Man würde das Unvermeidliche so nur hinauszögern und das Problem zukünftigen Generationen auferlegen.

Die CCS-Technologie erfährt schon seit langem viel Kritik, in Deutschland ist die Technologie deswegen derzeit noch rechtlich verboten. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, will das allerdings noch dieses Jahr ändern.

Mehr zum Thema CCS und den Entwicklungen in Deutschland erfährst du hier!

Die Sorgen scheinen berechtigt zu sein

130 politische Vertreter:innen aus den USA und der EU schlossen sich zusammen und forderten eine neue Besetzung für die Rolle des Präsidenten der UN-Klimakonferenz.

All die Kritik und die Tatsache, dass die Entscheidung, Sultan al-Dschaber als Präsident einzusetzen, von so vielen Seiten angezweifelt wird, verleitete die ADNOC anscheinend dazu, den englischsprachigen Wikipedia Artikel über Sultan al-Dschaber zu “überarbeiten” – auch bekannt unter dem Namen Greenwashing.

The Guardian und The Centre for Climate Reporting melden, dass Mitarbeiter al-Dschabers Wikipedia Seiten über ihn selbst und die UN-Klimakonferenz bearbeitet haben, um sein Image zu verbessern. Sie gingen sogar so weit, dass sie der Wikipedia-Seite über die UN-Klimakonferenz den Kommentar hinzufügten, er sei exakt die Art von Verbündeter, den die Klimabewegung braucht (Übersetzung aus dem Englischen). Nicht nur wollte man so einen falschen Eindruck erwecken und Sympathie für die Geschäftsführung des Ölkonzerns gewinnen, indem man suggeriert, die Aussage käme von der UN, es wurde ebenso versucht, einen Absatz entfernen zu lassen, der einen milliardenschweren Auftrag für neue Öl-Pipelines erwähnt, den al-Dschaber erst 2019 absegnete.

Tatsache ist, dass besonders einflussreiche Persönlichkeiten wie solche der Ölindustrie miteinbezogen werden müssen, soll die Energiewende erfolgreich verlaufen – trotzdem stellt sich die Frage, ob Führungskräfte wie Sultan al-Dschaber in der richtigen Position stecken, um die Diskussionen zu leiten.

  • https://www.theguardian.com/environment/2023/may/30/cop28-president-team-accused-of-wikipedia-greenwashing-sultan-al-jaber
  • https://www.zdf.de/nachrichten/politik/petersberger-klimadialog-praesident-al-dschaber-100.html
  • https://crp-infotec.de/uno-sicherheitsrat-mitglieder-2021/
  • https://www.deutschlandfunk.de/1-5-grad-grenze-bei-erderwaermung-wird-bereits-2030-2035-erreicht-100
  • https://www.watson.de/nachhaltigkeit/meinung/232634264-cop28-oelmanager-beweist-erneut-dass-er-nicht-als-oberster-klimaschuetzer-taugt
  • https://www.spektrum.de/lexikon/ernaehrung/schwellenlaender/7996
  • https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050
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