Die kleinsten Lebewesen im Kampf gegen das größte Problem

Juli 2023
Fotograf:in: Nick Fewings, Copyright: CC0 Unsplash

In jedem Quadratkilometer unserer Weltmeere schwimmen hunderttausende Teile Plastikmüll; pro Minute werden die Gewässer des Planeten mit zwei LKW-Ladungen neuem Plastikmüll verschmutzt. Tausende Tiere erleiden jedes Jahr durch die Plastikverschmutzung einen qualvollen Tod und auch wir Menschen nehmen Mikroplastik mit der Nahrung auf. Laut dem Umweltprogramm der UN werden jedes Jahr aufs Neue 400 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert – mit steigender Tendenz.
Wie nun lässt sich eine umfassende Lösung für solch ein globales Problem finden?
Forscher:innen sind auf Bakterien gestoßen, die es schaffen sollen, Plastik abzubauen.

Mikroben im Kampf gegen den Plastikmüll

Im Jahr 2016 entdeckten Forscher erstmals ein “plastikfressendes” Bakterium: Ideonella sakaiensis. Es kann PET bei einer Außentemperatur von 30 Grad Celsius vollständig abbauen, mit einer Rate von 0,13 mg pro Quadratzentimeter amTag. Bis heute sind insgesamt über 400 plastikabbauende Bakterien- und Pilzarten bekannt.

Mikrobenarten aus den Salzwiesen Chinas

In den Küstensalzwiesen in Dafeng in China wurden Forscher:innen fündig: 55 plastikabbaunede Bakterien- und 184 Pilzstämme wurden dort nachgewiesen. Abbauen können diese den Kunststoff Polycaprolacton (PCL); dieser kommt häufig bei der Produktion verschiedenster Polyurethane zum Einsatz, welche wiederum in zahlreichen Alltagsprodukten wie Kühlschränke, Gebäude-Dämmungen oder Turnschuhen enthalten sind.

Einige der gefundenen Bakterienstämme (namentlich Streptomyces, welches eine bedeutende Gruppe von Antibiotika-Produzenten ist; und Jonesia, welches erst kürzlich entdeckt wurde) haben sogar das Potential, weitere Polymere auf Erdölbasis abzubauen, die ansonsten nur schwer aus der Umwelt zu entfernen sind, weil sie bis dato biologisch kaum abbaubar waren.

Plastikfressende Pilze und Bakterien der Kälte

Mikroorganismen, die die Fähigkeit besitzen, Plastik zu zersetzen, gibt es, wie wir wissen, schon seit geraumer Zeit. Das Problem war jedoch bis jetzt immer, dass dies nur bei Temperaturen über 30 Grad Celsius funktionierte. Forscher:innen haben nun in den kalten Regionen der Erde nach Mikroben gesucht, die womöglich bereits bei niedrigeren Temperaturen arbeiten können.

Fündig wurden sie in den Polarregionen und hochgelegenen Alpen. Dort haben die Forscher:innen 15 Pilzarten und 19 Bakterienstämme untersucht, die sie auf entweder frei in der Umwelt herumliegendem Plastik oder solches, das absichtlich vergraben wurde, gefunden haben.

Die sich dort befindenden mikrobiellen Taxa der „Plastiksphäre“ der arktischen und alpinen Böden sind in der Lage, bereits bei 15 Grad Celsius Kunststoffe abzubauen. Somit könnten diese Organismen einen Schritt in Richtung industrieller enzymatischer Recyclingprozesse für Kunststoffe bedeuten.

Einziger Nachteil dieser Mikroben ist, dass das Plastik, das sie abbauen können bereits biologisch abbaubar sein muss. Polyester-Polyurethan (PUR), Polybutylenadipat-Terephthalat (PBAT), Polymilchsäure (PLA) und Polyethylen (PE) kann von diesen nicht zersetzt werden.

Den nächsten Schritt sehen Forscher:innen darin, die für die Zersetzung zuständigen Enzyme zu identifizieren und deren Produktionsprozess zu optimieren, um große Mengen dieser zu erhalten und so in der Zukunft große Mengen an Plastik abbauen zu können.

Details zu den plastik-fressenden Mikroben der Kälte können hier nachgelesen werden.

Der Speichel der Wachsraupe

In puncto Recycling bzw. Auflösung von Plastik ist die Polyethylenverbindung in Kunststoffen eine wahre Herausforderung. Kann nun der Speichel der Wachsraupe Abhilfe bieten?
Ursprünglich sind diese Raupen weit verbreitete Parasiten in Bienenstöcken und der Hassfeind No 1 der Imker; beliebt hingegen sind sie bei ihren natürlichen Fressfeinden: Sie dienen als Nahrungsmittel für viele Vögel, Reptilien und Amphibien.
Forscher:innen in Spanien haben 2020 herausgefunden, dass der Speichel der Raupen bei einer einstündigen Einwirkungszeit die Fähigkeit besitzt, den Kunststoff genauso zu zersetzen, wie es jahrelange Verwitterung möglich macht.
Erklären lässt sich dies durch zwei im Speichel enthaltenen Enzyme, die es ermöglichen, dass Sauerstoff in das Polymer eindringt (Oxidation), so zu einer beschleunigten Verwitterung führt und es dann bei Raumtemperatur aufspalt- und abbaubar wird. Dabei zeigen die Raupen eine ziemlich hohe Fressgeschwindigkeit: Innerhalb einer Woche verdauen 100.000der Tierchen rund 5,2 kg Kunststoff.

In der Zukunft sollte das Prinzip auf großen Anlagen zur Eliminierung von Kunststoffabfällen anwendbar sein. Auch Bausätze für zuhause, mit denen eigener Plastikmüll abgebaut werden kann, sollten möglich sein. Bis dahin muss jedoch noch viel Forschung betrieben werden: Die Forscher stellten sich die Frage, ob der Speichel der Raupe auf das Polymer einwirkt oder auf die Zusatzstoffe, die den Kunststoff verstärken. Weiterhin interessant ist der Nutzen dieses Wunderenzyms im täglichen Leben der Raupe.

Zu schön, um wahr zu sein

Neue Studien zum Speichel und der Verdauung der Wachsraupe bringen jedoch enttäuschende Ergebnisse: Ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) in Darmstadt entwickelte eine Software, mit welcher der Weg des Polyethylen durch den Körper der Raupe mikrometergenau verfolgt werden kann. Das Resultat: Die Plastikteilchen werden unverändert wieder ausgeschieden - Es findet kein Abbau des Polyethylens durch die Raupe statt. Die Tierchen fressen zwar Löcher in den Kunststoff, mehr jedoch auch nicht.
Der biologische Abbau herkömmlichen Kunststoffes durch Raupen bleibt also weiterhin eine Vision.

Umso wichtiger ist es, Kunststoffabfälle im Sinne des Recyclings prinzipiell zu vermeiden und konstruktiv wiederzuverwenden.

Gemeinsam ans Ziel

Der WWF schlägt drei essentielle Grundsäulen im Kampf gegen die Plastikverschmutzug vor:

1. Reduktion von Plastik im großen Ausmaß

Vor allem überflüssige Verpackungen müssen im großen Stil vermieden werden. Um dies umzusetzen steht WWF im Dialog mit Politik und Industrie.

2. Verhindern des Plastikeintrags in die Umwelt

Hierfür muss funktionierendes Recycling weltweit stattfinden. Handlungsbedarf besteht vor allem in Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas. Modellprojekte werden flächendeckend umgesetzt, indem sowohl mit der Bevölkerung als auch Regierungen zusammengearbeitet wird. Beispielsweise finden lokale Müllsammlungen statt, welche der Bildung von Müllkippen wirksam entgegentreten.

3. Plastik-Bergung aus Gewässern

Für das Tierwohl: Die Säuberung von Stränden, Reinigung von Korallenriffen sowie die Bergung von Geisternetzen stehen im Fokus. Filteranlagen sollen der Entstehung von Mikroplastik in Meeren und Flüssen entgegentreten.
Wie schlimm es um die Gewässer unseres Planeten steht, könnt ihr hier nachlesen.
Hoffnug andererseits machen ein "Roboter-Fisch" und "Blubberblasen"!

Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es der Hilfe von jede:r, ganz nach dem Motto Gemeinsam ans Ziel, schließlich sind wir alle Bewohner:innen des Planeten! Hier geht es zur Spende für die Projekte von WWF.

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