Siegel für mehr Tierwohl - was steckt dahinter?

Juli 2023
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Etwa 89 Prozent der Menschen, für die der Verzehr von tierischen Produkten zum täglichen Genuss gehört, interessieren sich für die Qualität und Herkunft eben jener Produkte. Um dementsprechend eine größere Transparenz zu gewährleisten, gibt es schon seit geraumer Zeit einige Siegel, die bei bewussten Entscheidungen in Richtung Tierwohl behilflich sein sollen.
Allerdings erschwert es gerade die Vielzahl an solchen Siegeln, den Überblick zu bewahren und sich gezielt für bestimmte Produkte zu entscheiden - eine Tatsache, die nochmals verkompliziert wird, da die Begriffe „artgerechte Haltung“ und „Tierwohl“ keineswegs gesetzlich geschützt sind und in den meisten Fällen keinen konkreten gesetzlichen Vorgaben entsprechen müssen. Was also bedeuten die unterschiedlichen Siegel? Im Folgenden findet ihr einige vertrauenswürdige Siegel und lernt, worauf man achten sollte.

Haltungsform-Label


Die Haltung von Nutztieren ist einer der wenigen Bereiche in Sachen Tierhaltung, in dem auf gesetzliche Mindeststandards zum Tierschutz gesetzt wird. Dieser ist besonders durch das „Haltungsform“-Label ersichtlich, welches gemeinsam mit der „Initiative Tierwohl“ entwickelt wurde. Dieses Label ist in vier Stufen unterteilt, welche die Art der Haltung hinsichtlich des Wohles der Tiere einteilen. Stufe 1 bezeichnet die niedrigste Haltungsform, die nur die gesetzlich absolut verpflichtenden Mindestanforderungen in Sachen Tierwohl durchsetzt. Stufe 4, auch “Premiumstufe” genannt, stellt die höchste Haltungsform dar – unter anderem fällt Bio-Fleisch in diese Kategorie. Zwar werden die ersten beiden Stufen des Labels stark kritisiert und sollen daher zukünftig in vielen Läden nicht mehr angeboten werden, doch besonders Stufe 4 spricht, wie bereits erwähnt, für höheres Tierwohl.
Die Stufen sind in folgende Kategorien unterteilt: der den Tieren zur Verfügung stehende Platz, die Art der Haltung, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere, die zugelassenen Zuchtlinien, die Art der Fütterung, der Standard des Tiergesundheitsmonitorings und der Prüfrhythmus, in welchem die Haltungsform gemäß ihren Standards kontrolliert wird. Das Siegel gilt für die Haltung von Rindern, Schweinen, Hähnchen, Puten, Pekingenten und Kaninchen sowie seit neuestem auch Milchvieh. Besonders große Discounter wie Aldi, Edeka, Netto, REWE, Penny, Kaufland und Lidl verwenden das Label.

Hier geht’s zum Artikel über das „Haltungsform“-Label.

Das Bio-Siegel


Besonders Konsumenten, welche nicht nur auf Tierschutz, sondern auch auf ökologische Zusammenhänge achten wollen, können sich am EU-Bio-Siegel orientieren, welches seit 2012 auf allen Bio-Lebensmitteln angebracht sein muss. Den Tierschutz betreffend deckt es Bereiche wie die Herkunft des Produktes, die den Tieren verabreichten Futtermittel, die Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung sowie Vorschriften zur Reinigung der Ställe ab. Auch eine stark begrenzte Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen wird vorausgesetzt. Das Siegel beschränkt sich außerdem nicht nur auf die Nutztierhaltung, sondern es zeichnet auch Fisch- und Meeresprodukte aus Aquakultur aus.

Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“

Das Tierschutzlabel „Für mehr Tierschutz“, welches 2013 vom Deutschen Tierschutzbundes ins Leben gerufen wurde, ist ähnlich aufgebaut wie das „Haltungsform“-Label der Initiative Tierwohl. Zusätzlich zu den Produkten, die das "Haltungsform"-Label erfasst, werden jedoch auch noch Fisch- und Eierprodukte mit dem Tierschutzlabel versehen.
Das Siegel enthält zwei Anforderungsstufen: die Einstiegsstufe und die Premiumstufe. Die erstere der beiden verspricht ein größeres Platzangebot, als es gesetzlich vorgeschrieben ist, und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere. Die Premiumstufe erweitert den in der Einstiegsstufe gestellten Anspruch an die Tierhalter durch Auslaufmöglichkeiten oder einen Außenklimabereich – die Premiumstufe ist in etwa mit den Standards in Bio-Haltung gleichzusetzen, wobei sie diese in manchen Aspekten manchmal sogar übertrifft.

Initiative Tierwohl

Die Initiative Tierwohl umfasst ein Bündnis von Handel, Fleisch- und Landwirtschaft. Ist ein Produkt mit dem gelben Label der Initiative Tierwohl gekennzeichnet, so bedeutet dies, dass es aus einem der etwa 6.700 Betriebe stammt, die sich im Rahmen der Initiative für bessere Tierhaltung einsetzen und von besagter Initiative finanziell unterstützt werden. Mindestanforderungen, die von der Initiative Tierwohl gestellt wurden, umfassen beispielsweise ein Platzangebot für die Tiere, das 10% über den gesetzlich festgelegten Anforderungen einzuordnen ist. Ebenso fahren Betriebe, die in Verbindung mit der Initiative Tierschutz stehen, die zu schlachtenden Tiere nur an Schlachtbetriebe, die wiederum von der Initiative zertifiziert sind und die Gesundheit der Tiere analysieren und dokumentieren.

Initiative Tierwohl des Handels

Dieses Siegel, das oft im Zusammenhang mit dem "Haltungsform"-Label auf Verpackungen zu sehen ist, bezieht sich auf die Geflügel- oder Schweinefleischerzeugung. Die Rindermast ist hiermit also ausgeschlossen, ebenso wie Transport und Schlachtung, da sich das Label einzig und allein auf die Bewertung der Mast beschränkt. Der Titel des Siegels ergibt sich daraus, dass bestimmte Handelsunternehmen oder Gastronomien Geldbeträge an die Initiative spenden. Diese Geldbeträge werden schlussendlich von der Initiative an die Fleischproduzenten weitergegeben, welche sich wiederum dazu verpflichten, bestimmte Tierwohl-Kriterien einzuhalten, die über den gesetzlichen Mindestanforderungen liegen.

Neuland Siegel

Bereits seit 1988 zeichnet das Neuland Siegel die Produkte von Betrieben kleiner und mittlerer Größe aus – nur kleine und mittlere deshalb, da die Tierbestandsobergrenze Teil der Bemühungen ist, für besseres Tierwohl zu sorgen. Wie die meisten anderen Siegel auch steht es für tiergerechte und umweltschonende Haltung, Fütterung und einen für die Tiere möglichst wenig belastenden Transport. Es beschränkt sich hierbei auf die Haltung von Nutztieren.
Ebenso wie bei Bio-Fleisch sind sowohl Gentechnik als auch der Gebrauch von Antibiotika in der Tierhaltung ausgeschlossen. In mancher Hinsicht verschärft das Neuland Siegel sogar Regelungen des EU-Bio-Siegels.

Naturland (für Wildfang und Aquakultur)

Das Naturland Siegel für Wildfang und Aquakultur zeichnet Produkte aus, welche durch Berücksichtigung von nachhaltiger Wirtschaft, Fischerei und des Klimaschutzes hervorstechen und sich für die allgemeine Erhaltung von Lebensräumen zu Land und im Wasser engagieren.
In die Bewertung fließen sowohl die Haltung von Fischen, Krebstieren und auch die Kultur von Muscheln und Algen mit ein. Auch wird darauf geachtet, dass die Verwendung von Gentechnik, chemischen Zusätzen und zusätzlich verabreichten Hormonen gemieden wird.

Naturland Wildfisch

Dieses Siegel spricht, obwohl es erst seit kurzem auf dem Markt verwendet wird, für die hohen Standards der Erzeugung und Verarbeitung von den damit versehenen Produkten. Sämtliche zertifizierte Fischer haben sich an strenge Ansprüche zu halten. So zählen zu den Richtlinien die Rücksicht auf das gesamte betroffene Ökosystem und alle betroffenen Fischbestände, eine tiergerechte und wenig umweltschädliche Fangmethode und der Verzicht auf Gentechnik. Auch die Sozialrichtlinien für die Fischer und Angestellten stehen unter strenger Beobachtung.
Aufgrund der relativen Neuheit dieses Siegels ist es jedoch in den meisten Supermärkten noch nicht allzu häufig anzutreffen.

Fazit

Grundsätzlich kann durch die Einführung verschiedener Siegel auf dem Markt von einem großen Schritt in Richtung Transparenz und mehr Bewusstsein in Sachen Tierwohl und nachhaltiger sowie ökologischer Erzeugung unserer Produkte gesprochen werden. Dennoch gestaltet es die schiere Menge an Labeln schwierig, für den einzelnen Verbraucher den Überblick zu bewahren. Der Fakt, dass es bisher keine einheitlichen und vor allem gesetzlich verbindlichen Siegel gibt, erschwert die Suche nach Umwelt- und tierschützenden Produkten zudem immens. Außerdem führen häufig vage formulierte Angaben der einzelnen Organisationen, welche die Label vergeben, zu weiterer Verwirrung und Label wie “friend of the sea”, “Naturland Aquakultur”, “Vier Pfoten” und dem “ASC” und “MSC”, an denen bereits Kritik geübt wurde, sollten daher eher skeptisch betrachtet werden. Schlussendlich lässt sich sagen, dass man trotz – oder zum Teil sogar wegen – der großen Menge an unterschiedlichen Siegeln häufig dennoch auf sich selbst gestellt ist und nochmals auf eigene Faust recherchieren und sich informieren muss, um den Überblick zu behalten und bewusste Entscheidungen zum Wohle der Tiere treffen zu können.

  • https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/kennzeichnung/tierwohl
  • https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/orientierung-beim-einkauf/tierwohl-kennzeichnung/
  • https://www.verbraucherzentrale.de/umwelt-haushalt/nachhaltigkeit/fischsiegel-und-label-eine-orientierung-fuer-ihren-einkauf-69877
  • https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/essen-und-trinken/bio-fair-regional/labels/15610.html
  • https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/pflichtangaben/eiervermarktung.html
  • https://www.planet-wissen.de/natur/meer/ueberfischung_der_meere/fisch-siegel-100.html
  • https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierhaltungskennzeichnung/tierhaltungskennzeichnung.html
  • https://www.naturland.de/de/naturland/wofuer-wir-stehen/qualitaet/qs-richtlinien/rili-aquakultur.html
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