Earthships - das Zuhause der Zukunft?!

September 2023
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Ein autarkes Leben im eigenen, nachhaltig errichteten Haus, das sich selbst versorgen kann?! Was wie eine Traumvorstellung klingt, ist durchaus umsetzbar: Möglich machen es sogenannte Earthships! Wir haben uns angesehen, was dahinter steckt.

Was ist ein Earthship?

Weltweit gibt es insgesamt mittlerweile über 2000 von diesen Earthships und es werden kontinuierlich mehr. Unter Earthship versteht man ein nachhaltig gebautes Heim bestehend aus recycelten Materialien, das seine Bewohner:innen komplett selbst versorgen kann: Strom, Wasser, Nahrung und Belüftung – es wird für alles gesorgt!

Ursprünglich stammt das Konzept aus den USA, vom Architekten Michael Reynolds, der es in den 1970er Jahren entwickelte.
Laut ihm ist das Earthship eine clevere Alternative zum klassischen Haus und Lebensstil.

Die Bauweise eines Earthships

Eines der primären Ziele der Earthships ist die Reduktion des CO2-Fußabdrucks – nach diesem Prinzip wird es auch erbaut. Die Ships werden so errichtet, dass sie keine externen Energiequellen sowie Heizungsanlagen benötigen - zeitgleich umfasst ihr Gelände eine Vielfalt an Pflanzen und eigens angelegte Gartenanlagen! Durch diese Maßnahmen tragen Earthships aktiv zur Luftverbesserung bei.

Der Rohbau erfolgt mit Stoffen, die ansonsten nicht oder nur beschränkt weiterverarbeitet werden, wie beispielsweise Autoreifen, Glas oder Dosenschrott. Diese werden in Deutschland nicht ausreichend auf Wertstoffhöfen recycelt: Tatsächlich werden beispielsweise nur 30% aller abgegebenen Autoreifen zerteilt und im Anschluss weiterverarbeitet. Die restlichen 70% werden ins Ausland verkauft oder einfach verbrannt. Bei einer jährlichen Masse von 650.000t Altreifen, muss dringend über bessere Recycling-Methoden nachgedacht werden.
Die Earthships können hierzu einen guten Beitrag leisten: Ganze Autoreifen können als eine Art Gummi-Ziegel unkompliziert und nachhaltig verwendet werden!

Je nach Vorliebe und Funktionalität können Earthships ganz unterschiedlich aussehen!

Das Konzept der Selbstversorgung

Mittels 6 Prinzipien, nach denen ein Earthship erbaut wird, kann die Selbstversorgung garantiert werden:

1. Klimatisierung und Thermo-Solare Heizung

Was passiert bei kalten Temperaturen? Im Winter werden die Earthships mittels Sonnen-Paneelen auf den Dächern beheizt, welche tagsüber Wärme sammeln und diese dann über Oberlichter in das Haus leiten. Diese Oberlichter sind meist einfach abgedichtete Klappen, die im Hausinneren über Seilzüge bedient werden können und die einen „Kamineffekt“ imitieren, was im Sommer für Abkühlung und im Winter für wohlige Wärme sorgt.

2. Wind- und Solarenergie

Abhängig von Standort und Klima des Earthships kann die Energie ergänzend aus Kleinwindkraft gewonnen werden. Gespeichert wird der Strom hierbei in sogenannten POMs (Power Organizing Modules). Das sind äußerst leistungsstarke Batterien, die die gewonnene Energie sowohl speichern, also auch weiterleiten und, wenn notwendig, in Wechselstrom umwandeln. Dieser wird vor allem für den Betrieb von Computern, Waschmaschinen sowie einer Internetverbindung benötigt. Selbst bei einem Ausfall des Wechselrichters würde ein Earthship also weiterhin funktionstüchtig bleiben.

3. Autonomes Abwassersystem

Grundsätzlich läuft die Wasserversorgung in den meisten Earthships wie folgt ab: Das Wasser wird auf den Dächern gesammelt und nach erfolgreicher Kiesfilterung in unterirdisch gelegene Zisternen abgeleitet. In den Zisternen durchläuft das Wasser noch mehrere weitere Filteranlagen, bis es schließlich trinkbar wird und mit Pumpen in das System eingespeist werden kann.

4. Der Bau mit recycelten und natürlichen Materialien

Eine der Besonderheiten der Earthships ist, dass sie nahezu gänzlich aus natürlichen oder recycelten Stoffen bestehen. Neben alten Autoreifen, welche mit Lehm und Erde verbaut werden und als tragende Wände fungieren, werden Glasflaschen an der Südseite des Schiffskörpers als Lichtquellen inkludiert. Diese “Glasflaschen-Fenster” versorgen die Pflanzenbeete innerhalb des Hauses mit genügend Licht. Als Dekoration finden oft zerbrochene Fliesen und Kacheln Gebrauch.

5. Gewinnung von Wasser und Langzeit-Aufbewahrung

Da in Europa recyceltes Wasser grundsätzlich nicht als Trinkwasser verwendet werden darf, selbst wenn es keinen Kontakt mit Verschmutzungen jeglicher Art gibt, müssen Earthships hier an das städtische Wassernetz angeschlossen sein und das recycelte Wasser darf nur für Toilettenspülung und Waschmaschine verwendet werden. In den USA hingegen kann trinksicher gefiltertes Wasser bis zu 4 mal wiederverwendet werden.

6. Interner Nahrungsanbau

Generell findet in allen Earthships der Pflanzenanbau im Inneren des Hauses statt. Dort können beispielsweise Strauchpflanzen wie Tomaten, Beeren, Gurken, Kräuter oder Ähnliches angebaut werden. Oft werden auch Obstbäume vor den Häusern angebaut. Aufgrund der Wasserfilteranlagen ist es nicht notwendig, die Pflanzen zusätzlich von Bewohner:innen bewässern zu lassen. Die vielen Pflanzen versorgen das Haus darüber hinaus mit sauberer und frischer Atemluft.

Probleme bei der Umsetzung von Earthships in Europa

In der Kritik stehen die Earthships durch Bauämter vor allem hinsichtlich Baumaterialien und der Wasserversorgung. Die Nutzung der Autoreifen wird als illegale Sperrmüllentsorgung verstanden. Belgien beispielsweise untersagt den Verbau von Reifen gänzlich, aufgrund der potentiell toxischen Zersetzung des Gummis. Als Kompromiss konnte man sich auf Erdbeutel als Ersatz einigen.
Neben der Problematik des Trinkwassers, müssen die Earthships auch aufgrund der Ableitung des verschmutzten Wassers an eine externe Wasserversorgung angeschlossen sein. Dies garantiert, dass das verschmutzte Wasser nicht einfach so abfließt und das Grundwasser verschmutzt.

Ökosiedlung Tempelhof - Earthship in Deutschland

Errichtet wurde dieses Earthship 2016 von einer Gruppe Helfer:innen und Student:innen auf freiwilliger Basis. Konstruiert wurde es anhand originaler Baupläne Reynolds und lediglich das Stromnetz und die Wasserversorgung wurden leicht an die deutschen Gesetze und vorherrschenden natürlichen Bedingungen angepasst.
Besonders an diesem Ship ist die Konzeption für eine Lebensgemeinschaft: Anstelle eines ursprünglich intendierten Einfamilienhaus können hier bis zu 25 Personen leben - Küche- , Wohn- und Esszimmer sind dabei als Gemeinschaftsorte konstruiert, während die Schlafstätten privat sind. Eines der Ziele des Projektes ist es nämlich, ein Gegengewicht zur konstant zunehmenden Vereinzelung der Menschen in modernen westlichen gesellschaftlichen Strukturen zu stellen. Die Gemeinschaft der dort Lebenden ist genossenschaftlich gestaltet und alle zu treffenden Entscheidungen finden auf demokratischer Ebene statt.

Zum Glück war der Ortsteil Tempelhof bereits vor der Errichtung des Earthships ein Ort mit Behörden, die eine nachhaltige und ökologische Lebensweise fördern. Somit wurden die für das Earthship notwendigen Genehmigungen relativ unkompliziert und schnell erteilt.
Gekostet hat das gesamte Projekt in Tempelhof rund 300.000 Euro, wobei ganze 198.000 Euro durch Crowdfunding zustande kamen.

Neugierig geworden? Mehr Infos zum Earthship in Tempelhof findet ihr hier. Besichtigt werden kann dieses übrigens das nächste Mal am 15.10.2023.

Der Blick in die Zukunft – in der Zukunft sind weitere Earthships in Planung, in direkter Kooperation mit Reynolds. Er möchte mit Sara Serodio drei weitere Earthships in Deutschland errichten.

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