Der Tiefseebergbau und die Schätze der Unterwasserwelt

Dezember 2023
Copyright: Foto von Manny Peralta auf Unsplash

Gerade mal fünf Prozent der 300 Millionen Quadratkilometer Meeresboden wurden bisher erkundet. Dementsprechend sind die Tiefen der Ozeane bisher frei geblieben vom menschlichem Einfluss. Was wir jedoch wissen, ist, dass sich dort unten gigantische Rohstoffvorkommen befinden. Denn nicht nur Riesenkalmare, Pottwale und Drachenfische sind Teil der mysteriösen Unterwasserwelt, sondern auch Mangan, Lithium, Kobalt, Kupfer und seltene Erden sind dort zu finden. Das Interesse der Elektronik- und Rüstungsindustrie gilt aber vor allem den Rohstoffen, denn am Meeresgrund warten Gewinne in Milliardenhöhe. Mit gigantischen Maschinen will man in das bisher kaum erforschte Ökosystem eingreifen, um die kostbaren Rohstoffe abzubauen. Die Folgen dessen sind jedoch ebenso wenig erforscht wie die Tiefsee selbst.

Die Debatte um den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee

Die für den Menschen profitbringenden Rohstoffe befinden sich in 2.000 bis 6.000 Metern Tiefe. Dort bilden sich im Laufe vieler Jahrmillionen sogenannte Manganknollen, kobalthaltige Krusten und polymetallische Sulfide. Manganknollen bestehen, wie der Name bereits vermuten lässt, zu einem großen Teil aus Mangan. Daneben enthalten sie aber auch Eisen, Nickel, Kupfer, Titan, Lithium, seltene Erden und Kobalt. Diese Zusammensetzung macht sie für die Industrie enorm interessant. Und da sich die Nachfrage nach Lithium, Kobalt und Nickel seit 2017 im Zuge der Energiewende verdoppelt hat, sieht man sich seit geraumer Zeit nach alternativen Lagerstätten um.

Als Argument für den Tiefseebergbau wird oft der Klimaschutz vorgebracht, denn die am Meeresgrund verborgenen Ressourcen wie Lithium, Kobalt und Nickel spielen eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Es wird argumentiert, dass die am Meeresboden gewachsenen Metalle die befürchteten Engpässe in der Versorgungskette beheben und eine schnelle Energiewende sicherstellen könnten.
Allerdings sind die Stoffe, die für die Produktion von Lithium-Ionen Batterien von Interesse wären, in den Manganknollen nur in sehr begrenztem Maße vorhanden, weshalb sie für die Massenproduktion uninteressant sind. Lediglich der Kobaltanteil in Mangankrusten – ein weiterer Bestandteil der Batterien von E-Autos und Handys – kommt für den kommerziellen Gebrauch infrage. Viele Hersteller wenden sich jedoch inzwischen ab von Kobalt in ihren Produkten, da das seltene Metall äußerst kostspielig ist. Ist man also nicht auf das Kobalt der Manganknollen angewiesen, stellt sich die Frage, ob es den Aufwand und die unabsehbaren Risiken am Ende wert ist.

Gegen die Förderung der Rohstoffe spricht ganz klar, dass die Lebensbedingungen in der Tiefsee seit Urzeiten außergewöhnlich stabil sind. Man rechnet deshalb damit, dass abrupte Veränderungen der Lebensbedingungen weitreichende Folgen nach sich ziehen würden, die noch viele tausend Jahre in die Zukunft reichen werden.

Die Risiken des Tiefseebergbaus im Überblick

Klimawandel und Plastikverschmutzung setzen den Meeren schon jetzt enorm zu. Sollte der Tiefseebergbau nun auch mit auf die Liste an Bedrohungen für die Ozeane aufgenommen werden, könnte das die Grenze zur Eskalation möglicherweise endgültig überschreiten.
Dabei sind die Weltmeere unsere wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel, immerhin speichern sie unvorstellbare Mengen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2.
Spielen wir also mit dem Gleichgewicht des Ozeans, riskieren wir nicht nur das Leben von Millionen Meerestieren, sondern auch unsere eigene Zukunft.

Der Tiefseebergbau würde das bislang unberührte Ökosystem gleich mehreren Gefahren aussetzen. Zum einen sind Manganknollen selbst keineswegs leblos, sondern sie bilden die Existenzgrundlage einmaliger Lebensformen, die mit dem Abbau der Manganknollen folglich auch verschwinden würden.
Dazu kommt, dass der Abbau Unruhe in die friedliche Unterwasserwelt bringt: Neben Lärm- und Lichtverschmutzung werden Sedimente aufgewirbelt und trüben das einst glasklare Wasser. Sinken die aufgewühlten Teile wieder zu Boden, könnte es die Organismen, die den Meeresboden bewohnen, bedecken. Nicht nur die Abbaustelle selbst wäre davon betroffen, sondern eine vier- bis fünfmal so große Fläche rundherum.
Auch gilt es die Artenvielfalt der Tiefsee zu schützen, denn allein in der Clarion-Clipperton Zone des Pazifiks zwischen Mexiko und Hawaii, die in den Fokus des Tiefseebergbaus gerückt ist, traf man in den vergangenen fünf Jahren auf 5.000 neue Spezies.

Langfristige Folgen

Das Projekt MiningImpact untersuchte die ökologischen Folgen des Testlaufs eines Manganknollen-Kollektors, der 2021 stattfand. Erschreckenderweise stellte man fest, dass neben den Manganknollen auch die restliche Flora und Fauna des betroffenen Areals entnommen wurde. Weiterhin wird berichtet, dass die Spuren, die der Eingriff von 2021 hinterlassen hat, so frisch wirkten, als seien sie erst von gestern.
Aus den gesammelten Ergebnissen folgerte man, dass sich die Folgen auf die Abbau-Zone noch über mehrere Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende erstrecken werden.

Die Rolle der Internationalen Meeresbehörde

Das steigende Interesse am Tiefseebergbau spiegelt sich auch in den Zahl der vergebenen Lizenzen zur Erforschung des Tiefseeraums wider.
Jedes Projekt zur Erforschung oder der Förderung von Rohstoffen muss von der Internationalen Meeresbehörde (IMB) abgesegnet werden. 31 Verträge, die Untersuchungen in der Tiefsee für je 15 Jahre gestatten, wurden seit 2001 vergeben, darunter auch an Deutschland. Doch es mangelt an rechtlichen Grundlagen und bis heute wurde noch kein allgemeines Regelwerk zum Schutz der Meere festgelegt. Da sich die Gestaltung eines solchen aufgrund der Wissenslücken auch in naher Zukunft als schwierig erweisen könnte, wurde etwaigen Projekten zum Abbau jedoch noch nicht zugestimmt.

Widerstand von Unternehmen und Wissenschaftler:innen

Zu Beginn des Jahres 2021 sprachen sich mehrere Großkonzerne wie BMW, Volvo und Google gegen die Verwendung von Metallen aus der Tiefsee in ihren Produkten aus. Auch zahlreiche Wissenschaftler:innen forderten dazu auf, vom Tiefseebergbau abzusehen. Als Begründung für ihre Entscheidung nannten sie die vielen ungeklärten Fragen rund um das Thema, die immer noch bestehen, sowie die unwiderruflichen Folgen, mit denen zu rechnen ist, sollte man in ein solch fragiles Ökosystem eingreifen.

Deutschland vertritt, wie auch einige andere Länder, die Meinung, dass die Vorhaben zum Tiefseeabbau pausiert werden sollten, bis die Forschung Antworten auf die noch ausstehenden Fragen gefunden hat. Einigen direkten Risiken des Tiefseebergbaus ist man sich inzwischen bewusst. Da die Arten, von denen man viele nicht einmal kennt, aber auch untereinander in Verbindung stehen, hätte ein solcher Eingriff weitreichendere Auswirkungen als die, die auf den ersten Blick sichtbar sind.

Der Stand der Technik

Keine der Techniken, die sich aktuell zum Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresgrund in Verwendung befinden, eignen sich für den kommerziellen Handel. Bereits seit einigen Jahren testet man jedoch verschiedene Entwürfe. Mitunter der Konzern Global Sea Mineral Resources arbeitet gerade an den ersten Kollektor-Vor-Prototypen. Einsatzbereit ist davon allerdings noch keiner und der finale Entwurf wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.

Wirtschaftliche Überlegungen und alternative Ansätze

Auch die finanzielle Rentabilität des Tiefseebergbaus ist fraglich. Allein Kobalt, Kupfer und Nickel finanzieren den Abbau aufgrund ihres zu geringen Anteils nicht und so müsse auch das Mangan für eine ausreichende Finanzierung abgenommen werden. Doch die Nachfrage nach Mangan ist bei Weitem nicht so groß.
Und auch die sozialen und ökologischen Schäden, die Mensch und Umwelt von dem Landbergbau tragen, sollten in die Kalkulationen rund um den Tiefseebergbau mit einbezogen werden – Denn auch der Bergbau an Land muss überdacht werden.
Doch schlussendlich können die Risiken und die potenziell irreversible Zerstörung, welche in vielerlei Hinsicht durch den Tiefseebergbau verursacht werden, kaum gerechtfertigt werden.

Besonders weil auch die Methoden zum Rohstoffabbau an Land stets weiterentwickelt werden, wird allgemein angenommen, dass die Vorkommen an Land noch lange herhalten werden. Auch die bisher ungenutzten Potenziale des Recyclings könnten der stetig steigenden Nachfrage entgegenwirken und wiederverwendete Artikel könnten die Beschaffung neuer Rohstoffe zumindest teilweise ersetzen. Der Fokus sollte also eher auf die Umsetzung einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft gelegt werden.

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Deutschland auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

  • https://greenpeace.at/kampagnen/tiefseebergbau-verhindern/
  • https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/tiefseebergbau-andere-nutzungsarten-der-tiefsee
  • https://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/meeresraumzerstoerung/tiefseebergbau
  • https://www.dw.com/de/warum-wissen-wir-so-wenig-%C3%BCber-die-tiefsee/a-59756647#
  • https://themenspezial.eskp.de/rohstoffe-in-der-tiefsee/inhalt/forschungsmethoden/auswirkungen-des-tiefseebergbaus-937127/#
  • https://www.mdr.de/wissen/tiefsee-bergbau-oekologische-schaeden-tausende-jahre-100.html
  • https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/manganknollenabbau-2159772
  • https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/aktuelle-ausgabe/klima-schuetzen-meere-pluendern/
  • https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/energiewende-mineralien-metalle-lieferketten-rohstoffe-china-eu-100.html
  • https://worldoceanreview.com/de/wor-3/mineralische-rohstoffe/manganknollen/
  • https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/manganknollenabbau-2159772
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