Geisternetzen sind Netze, die bei der Fischerei verloren gehen oder aber bewusst auf hoher See entsorgt werden. Ganze 10 Prozent unseres Abfalls, der jährlich im Meer landet, besteht aus Fischereigeräten wie Netzen, Leinen und Reusen. Auch wenn 10% zunächst vielleicht nicht nach viel klingen mag, so ist hier dennoch die Rede von ganzen 50.000 Tonnen Müll, wovon ca. 5.000 bis 10.000 Netzteile aus der Ostsee stammen.
Besonders bedrohlich für die Artenvielfalt der Ozeane sind diese Netze deshalb, weil sie stets weiter durchs offene Meer treiben und dabei unaufhörlich weiter “fischen”, was ihnen ins Netz gerät. Kein anderer Plastikmüll fordert das Leben so vieler Meerestiere wie diese Fischereigeräte.
(Fun)Facts:
Nicht nur gefährden Geisternetze aktiv die Leben unzähliger Meerestiere, sondern es lösen sich auch ständig mikroskopisch kleine Plastikfasern ab, was den Mikroplastikgehalt der Meere immer weiter ansteigen lässt. Bereits seit den 1960ern werden Fischereigeräte nämlich aus Kunstfasern wie Nylon oder Polyethylen hergestellt. Und noch mehr Wissen über Geisternetze gibt es hier!
Einen kleinen Lichtblick in Form eines WWF-Projekts gibt es nun in Mecklenburg-Vorpommern.
Geisternetze adieu!
Der von der EU festgesetzten “Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie” zufolge sind alle Mitgliedsländer dazu verpflichtet die Meere vor menschengemachten Gefahren zu schützen und die Ökosysteme sauber und gesund zu halten – dazu gehört auch die Beseitigung von alten Fischereigeräten wie Netzen und anderem Fischereischrott. In Deutschland unterliegt diese Aufgabe der Verantwortung von Bund und Ländern.
Um den gefährlichen Netzen in deutschen Gewässern nun ein dauerhaftes Ende zu setzen und das Meer sowie seine Bewohner zu schützen, lief vom März 2021 bis November 2023 ein von Mecklenburg-Vorpommern finanziertes Pilotprojekt zur Suche und Bergung der verlorengegangenen Fischereigeräte.
Mecklenburg-Vorpommern ist damit das erste Küstenland, das sich dieser Aufgabe mithilfe des WWF und unter Miteinbeziehung seiner Fischereibetriebe erfolgreich angenommen hat.
Fischernetze suchen, bergen und verwerten
Die Suche
An Bord von “Landesschiffen” und 8-9 Meter “Stellnetz-Kuttern” und unter der Aufsicht von geübten Kapitänen, die die Fischereireviere wie ihre eigenen Westentasche kennen, wurden bekannte Verlustgebiete von Fischereigeräten mit Sonarsuche durchkämmt, wobei die Schallwellen besonders auf Ostseeflächen der kleinen Küstenfischerei gerichtet wurden.
Die Verifizierung
Um eine genaue Auswertung der Sonarbilder zu gewährleisten werden sämtliche Verdachtsstellen, an denen sich möglicherweise Netze befinden könnten, von Taucher:innen wie jenen der Tauchbasis Prora oder eines anderen Forscherteams untersucht. Sporttaucher:innen können sich für übrigens für das Projekt einsetzen, indem sie die WWF-GhostDiver App Verdachtsstellen bestätigen oder selbst entdeckte Netze melden.
Die Bergung
Um die Netze vom Meeresboden an die Oberfläche zu transportieren kommen zwei Arten von Fischkuttern zum Einsatz: Der Stellnetzkutter der 9-Meter-Klasse ist hierbei insbesondere für Stellnetze und Taue von bis zu mehreren hundert Metern Länge, Reusen oder Fischfallen zuständig. Schleppnetzkutter der 17-Meter-Klasse befassen sich dagegen mit Ballen aus Schleppnetzen sowie zusammengeballte Stellnetzen und Tauen. Sogar Metallteile wie solche, die an Fanggeschirren befestigt sind, um Fische am Meeresgrund aufzuscheuchen, können damit geborgen werden.
Die Entsorgung
Da das normale Materialrecycling von Fischernetzen aufgrund des daran haftenden organischen Materials und Sandes – oder im Falle von Stellnetzen die enthaltenen Sinkleinen mit Blei – i.d.R. nicht möglich ist, müssen andere Alternativen her.
Diese Alternative bietet ein Verfahren der Firma Brockmann Recycling GmbH in Schleswig-Holstein, das Metallteile wie Ketten, Anker und Blei vom Plastik trennen soll, um zumindest das Metall wiederverwerten zu können. Das Plastik hingegen muss unglücklicherweise über Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden, da es aufgrund der Verunreinigung nicht mehr recycelbar ist.
Wie geht es nun weiter?
Aufgrund dieses erfolgreichen Pilotprojekts können Fischereigeräte nun schnell und zuverlässig aufgespürt und zurück an Land gezogen werden.
Desweiteren soll eine Handlungskette zwischen den einzelnen Küstenländern entstehen, sodass diese sich gegenseitig unterstützen können. Die von Mecklenburg-Vorpommern neu gegründeten “SeaRanger” sollen Fischer:innen ausbilden und den Umweltzustand der Küstengewässer überwachen – darunter fällt natürlich auch die Suche nach Geisternetzen.
Und auch Schleswig-Holstein beteiligt sich nun mithilfe eines im September 2023 gestarteten WWF-Projekts am Schutz der Meere, wobei auch hier die Befreiung der Ostseeregionen von Kunsttoffabfällen sowie die dazugehörige Beteiligung von lokalen Fleischereibetrieben im Vordergrund steht.
Man hofft darauf, dass aufgrund der erfolgreich getesteten Bergungsmethoden auch die Motivation der Fischer:innen steigen wird, verloren gegangene Netze überhaupt und so schnell wie möglich zu melden und bergen zu wollen.
Nach der Vorstellung der Ergebnisse des Pilotprojekts und der Empfehlungen zum weiteren Vorgehen seitens des WWF liegt die verantwortungsvolle Aufgabe, unsere Meere zu erhalten und zu reinigen, nun bei Bund und Ländern.
Und wenn auch ihr zur Beseitigung der Geisternetze und dem Schutz der Ozeane beitragen wollt, dann helft dem WWF hier mit einer kleinen Spende!
- https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/ostsee/geisternetze/kuestenbundeslaender-gegen-geisternetze?newsletter=infonewsletter%2FHausliste%2F2024%2F05%2F18%2Fkropfgazellen%2Fgeisternetze%2F225301&utm_medium=email&utm_campaign=kropfgazellen&utm_source=infonewsletter&ecmId=5UTILFOD-17OI1JA&ecmEid=5UXU61QB-5UTILFOD-N6IMDI&ecmUid=56MPM4J5-102N1576
- https://suchdichgruen.de/wissen-und-technologie/a364/gefaehrliche-geisternetzte-im-mittel-meer/?lang=de